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Wolfgang Keck - Julia Brunner

CSR und Digitalisierung wechselseitig und integrativ angehen

Interview mit dem CSR-Experten Wolfgang Keck

Wolfgang Keck kam ab 2004 als Leiter eines EU-Pilotprojekts in Wien zum Thema CSR in kleinen und mittleren Unternehmen. Mit dem „CSR Trainingshandbuch“ legte er 2006 eine Pionierarbeit in der Fachliteratur zur beruflichen Qualifizierung in CSR und Nachhaltigkeit vor. In Folge entwickelte Keck als Projektleiter bei der GILDE-Wirtschaftsförderung der Stadt Detmold die Wissensplattform „www.csr-training.eu“ mit und unterstützte bundesweit kleine und mittlere Unternehmen bei der Erarbeitung eigener CSR-Strategien. Seit 2015 engagiert er sich mit der GILDE im regionalen „CSR-Kompetenzzentrum OWL“. Den Deutschen Industrie- und Handelskammertag begleitete Keck bei der Konzeption und Einführung des Lehrgangs „CSR-Manager/in (IHK)“. Derzeit engagiert er sich im Arbeitskreis „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ für das IHK-Managementtraining „Erfolgreich Nachhaltig Führen“. Wolfgang Keck ist als Trainer, Lehrbeauftragter, Dozent und Prüfer bundesweit aktiv. Der Verlag Springer-Gabler veröffentlichte 2017 seinen Herausgeberband „CSR und Kleinstunternehmen. Die Basis bewegt sich!“.

Herr Keck, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit CSR in kleinen und mittleren Unternehmen. Wie erleben Sie den Einzug der Digitalisierungsdebatte in Ihr Feld?

Als CSR im Jahr 2001 mit einem Grünbuch auf die EU-politische Agenda gelangte, hatte ich gerade meine berufliche Einstiegsphase in der „New Economy“ abgeschlossen. Ich hatte den Markteintritt und die Public Relations für einige US-amerikanische Softwareunternehmen in Deutschland auf Agenturseite betreut. Die Digitalisierung hatte mit den Begriffen „New Economy“ und „Information and Communication Technology“ eine Boom-Phase und zog das Platzen der sogenannten „Dotcom-Blase“ nach sich. Doch um CSR stand die Diskussion noch ganz am Anfang. In dieser Entwicklungsphase von CSR wollte ich mithelfen, ein Querschnittsthema wie globale gesellschaftliche Unternehmensverantwortung auf den Mittelstand herunter zu brechen, also verständlich und anwendbar zu machen. Mit der aktuellen Diskussion um „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“ dominiert die Digitalisierung vor allem mit den Begriffen und Konzepten „Internet der Dinge“ und „Künstliche Intelligenz“ die Diskussion auch im Mittelstand. Es ist also längst an der Zeit, die beiden Querschnittsthemen CSR und Digitalisierung wechselseitig und integrativ anzugehen.

Wie geht das aus Ihrer Sicht? Und wie wirkt sich Digitalisierung auf das CSR-Verständnis gerade auch in Kleinstunternehmen aus, die sie mit ihren jüngsten Büchern „CSR und Kleinstunternehmen“ und „7 Tage CSR vom Kleinsten“ ja stärker ins Licht der Unternehmensverantwortung rücken?

Digitalisierung ist auch bei Kleinstunternehmen ein Querschnittsthema, das sich über die bekannten CSR-Handlungsfelder Arbeitsplatz, Markt, Umwelt und Gemeinwesen erstrecken kann. Ist ein CSR-Management erstmal etabliert, dann ermöglicht es auch einem Kleinst- und sogar einem Ein-Personen-Unternehmen, relevante gesellschaftliche Entwicklungen im eigenen Geschäftsmodell aufzugreifen und zwar auf eine Art und Weise, die sich wiederum der Gesellschaft gegenüber als verantwortungsbewusst bis hin zu besonders nutzbringend erweisen kann. Es gibt also im Spektrum von traditionellen bis hoch innovativen Dienstleistungen und Produkten zahlreiche Kleinstunternehmen, Existenzgründer und Social Businesses, die in Summe einen sehr beachtlichen Nachhaltigkeits-Fußabdruck entlang aller 17 Sustainable Development Goals (SDGs) hinterlassen. Digitale Werkzeuge können dabei einen der Wege darstellen, um die Geschäftsziele von Kleinstunternehmen zu erreichen. Die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen und auch das oft junge Lebensalter von Unternehmensgründern bringen es dabei mit sich, dass eine digitale Umgebung oft als zentrales Medium genutzt wird und sich in digitalen Nischenbereichen neue Geschäftsmöglichkeiten auch für Kleinstunternehmen auftun. Dennoch sollten wir nicht außer Acht lassen, dass jeder Trend auch Gegentrends erzeugt. Gerade in Kleinstunternehmen und im Handwerk ist das Analoge ja oft zu Hause, etwa in Form einer Maßanfertigung oder einer persönlichen und stark individualisierten Dienstleistung. Definiert man CSR-Management als Management der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, dann sind die Stärken und Schwächen von analog und digital meiner Einschätzung nach vor allem in Kleinstunternehmen gut überblickbar und umsetzbar. Eine eigene „Corporate Digital Responsibility“ wirkt für ein Kleinstunternehmen im Gegensatz zu einem Großunternehmen in der Regel eher aufgesetzt. Aber das heißt natürlich nicht, dass ein Kleinstunternehmen in digitalen Bereichen und Prozessen damit überfordert ist, ebenso achtsam und verantwortungsvoll zu handeln wie in der analogen Unternehmenswelt.

Sie sprechen über die Sustainable Development Goals, während Politik doch oft die Digitalisierung per se als wichtiges Ziel erklärt…

Weder das „Internet der Dinge“ noch „Künstliche Intelligenz“ sollten aus meiner Sicht erklärtes Ziel von Politik sein, wenn sie nicht als digitale Werkzeuge dazu beitragen, gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. Aus diesem Grund sehe ich Politik in ihrer Verantwortung für unsere Sustainable Development Goals: Denn 193 Staats- und Regierungschefs haben erst vor kurzem für 17 SDGs unterzeichnet, die mit Wirkung ab 1. Januar 2016 als Grundlage für nationale Nachhaltigkeitspolitiken dienen und bis zum Jahr 2030 in größerem Umfang erreicht werden sollen. Die SDGs spiegeln die größten Herausforderungen und Problemlagen der Weltgemeinschaft aus wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht wieder. Politische Vorstöße, um die positiven Beiträge von Digitalisierung zur Unterstützung der 17 globalen Ziele zu entfalten, sehe ich als den richtigen Ansatz. Gleichermaßen sollte bei Digitalisierungsprozessen immer auch die Frage gestellt werden, ob sie einem oder mehreren SDGs schaden und wenn ja, muss ein adäquater Umgang damit auf möglichst breiter Basis ausgehandelt werden. Was die SDGs nun für Unternehmen und vor allem auch für Mittelständler und kleinere Betriebe bedeuten, kommt derzeit zunehmend in Diskussion. Der konkrete Bezug zu einem und oft mehreren SDGs lässt sich selbst für Kleinstunternehmen herstellen, weil (digitale) Wirtschaft ja kein gesellschaftlich und ökologisch resonanzfreier Raum ist. Dennoch sollten wir aus meiner Sicht die SDGs in erster Linie mit ihrem Absender in Verbindung setzen und damit Politik, also Staaten, Länder und Kommunen in die zentrale Verantwortung nehmen. CSR ist dann hinsichtlich der SDGs und ihrer „Agenda 2030“ ein Beitrag, den Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung in der analogen genauso wie in der digitalen Welt leisten können und sollten.

Womit wir wieder bei einer Corporate Digital Responsibility angelangen…?

Corporate Digital Responsibility muss aus meiner Sicht als Teilbereich der Corporate Social Responsibility verstanden werden. Sonst droht eine Tendenz, die „neue“ CDR über zu bewerten oder noch unseriöser gar abgekoppelt von einer grundlegenden CSR als aktuelles Trendthema hochzuhalten. Digitalisierung ist schließlich nur einer von mehreren globalen Megatrends. Ein CSR-Management ist vom Grundsatz her in der Lage, sämtliche relevanten Megatrends für das eigene Unternehmen zu berücksichtigen. Neben mehr oder weniger prognostizierbaren Megatrends sind es auch und vielleicht gerade die Gegentrends, die sich auch kleinere und kleinste Unternehmen wirtschaftlich zu Nutzen machen können. Wer seine Stakeholder und Nachhaltigkeitsthemen über das CSR-Management kennt und auch eine entsprechende Risikobetrachtung damit verbindet, hat im besten Fall zusätzlich auch relativ unvorhersehbare Ereignisse mit Auswirkungen auf die eigene Branche und das eigene Unternehmen auf dem Schirm. Übrigens finde ich es bei Risikofragen in Bereichen wie „Internet der Dinge“ und „Künstliche Intelligenz“ sehr wesentlich, eigene Resilienz-Optionen zu entwickeln. Daraus können mitunter auch marktfähige Produkte und Dienstleistungen für andere Unternehmen und Kunden werden. Denn die Anforderungen beispielsweise an Datenschutz und IT-Sicherheit werden sich weiter wandeln und mit zunehmender Digitalisierung einhergehend steigen.

Danke für das Gespräch, Herr Keck!

Übrigens ist „keck“ für „Künstliche Intelligenz“ scheinbar ein nicht so feines Wort. Ein zuverlässiger Fehler der KI-Anwendung Spam-Filter in einigen Mailprogrammen, erfahrungsgemäß auch in Ihrem, besteht darin, dass Mails mit meinem Namen direkt im Spam-Ordner landen. Ich kann nur hoffen, dass zumindest menschliche Leserinnen und Leser mich wegen meines Namens nicht wie solche Künstliche Intelligenzen bewerten… Also Dankeschön fürs Weiterfischen mit mir, liebe Frau Dr. Hildebrandt!

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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