Navigation überspringen
article cover
Pixabay.com

Der Test und das Ich – Warum Persönlichkeitstests eigentlich gar keine Tests sind

Wenn wir von Instrumenten zur Analyse und Darstellung von Persönlichkeit sprechen, dann fällt in der Regel der Begriff Persönlichkeitstest. Unter diesem Begriff können sich die meisten Menschen wesentlich mehr vorstellen als unter Begriffen wie Persönlichkeitsinventar, Persönlichkeitsanalyse oder Profiling.

Allerdings handelt es sich bei Persönlichkeitstests in der Regel überhaupt nicht um Tests. Denn in einem Test gibt es per Definition richtige und falsche Antworten. Dies sollte in einem Persönlichkeitsanalyseverfahren allerdings nicht der Fall sein, da es sich bei diesen Verfahren um eine Selbstauskunft handelt, also um eine Selbsteinschätzung der Anwender*innen bezüglich der Ausprägung zentraler Persönlichkeitsmerkmale. Dies unterscheidet Persönlichkeitstests von Leistungstests, die ebenfalls Persönlichkeitsmerkmale, wie z.B. die Intelligenz oder die Konzentrationsfähigkeit einer Person erfassen. In diesen Verfahren gibt es allerdings sehr wohl richtige und falsche Antworten, da die (kognitive) Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Bereich erfasst werden soll. Bei Persönlichkeitstests steht dagegen die Beschreibung persönlicher Stile und Präferenzen im Vordergrund, ohne dass dabei eine mögliche Ausformung der Persönlichkeit einer anderen grundsätzlich überlegen und insofern „richtig“ und eine andere als „falsch“ anzusehen ist. Natürlich gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die in bestimmten Situationen eher erfolgsversprechend erscheinen als andere. Ändert sich aber die Situation, kann sich auch die Erfolgsaussicht meiner persönlichen Stile radikal verändern.

Daher ist es irreführend, von einem Test zu sprechen, wenn eigentlich unterschiedliche Stile von Persönlichkeit gleichberechtigt nebeneinander stehen sollen und das Ziel nicht darin besteht, einen Wert oder ein Urteil zu fällen, sondern für diese Unterschiedlichkeit zu sensibilisieren. Alternative Bezeichnungen für Persönlichkeitstests wären neben eher klinisch anmutenden Begriffen wie Inventar, Instrument oder Analyse auch die Bezeichnungen Persönlichkeitstool oder Persönlichkeitsreport. Allerdings steht es kaum zu vermuten, dass sich diese Begriffe in naher Zukunft im Sprachgebrauch durchsetzen werden, weshalb auch ich den Begriff Persönlichkeitstest weiterhin verwende. Wichtig ist dabei nur, sich die in diesem Beitrag dargestellte Thematik bei der Verwendung des Begriffs vor Augen zu führen, um ein besser-schlechter-Denken in der Arbeit mit Persönlichkeit möglichst zu vermeiden.

Ihr

Dr. Ronald Franke

Sollten wir hier noch nicht vernetzt sein, freue ich mich, wenn Sie mir hier auf XING folgen oder eine Kontaktanfrage senden.

Mehr zu meiner Arbeit mit Persönlichkeitstests finden Sie auf der Website von LINC.

Kommentare

Dr. Ronald Franke schreibt über Personalwesen, Persönlichkeitsentwicklung, Führung, Psychologie

Ich bin Psychologe, systemischer Coach, Dozent und Geschäftsführer der LINC GmbH im schönen Lüneburg. Meine Leidenschaft gilt der modernen Psychologie und der Frage, mit welchen Erkenntnissen und Lösungen sie dabei helfen kann, einige der wichtigsten Themen unserer Zeit anzugehen.

Artikelsammlung ansehen