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Destroyed Jeans: Warum wir eine nachhaltige Alternative brauchen

"Planet Planlos"

In ihrem Buch „Planet Planlos“ plädieren Stefan Bonner und Anne Weiss dafür, dass wir mit dem Wissen, das wir heute haben, die Dinge ins Positive wenden. Dazu ist es wichtig, an vielen Stellschrauben zu drehen und bereichsübergreifend zusammenzuarbeiten. Dann können wir auch etwas bewirken. Eine Jeans durchläuft beispielsweise weit mehr als ein Dutzend Stationen, die hier ausführlich beschrieben werden: „Die geerntete Baumwolle wird in die Türkei geflogen, wo die großen Flauschhaufen zu Garn versponnen werden, dann geht’s weiter nach Taiwan, um daraus Stoff zu weben. Aus Polen wird derweil chemisch hergestelltes Indigoblau herangekarrt, das sich dann mit dem Stoff aus Taiwan und Garn aus der Türkei in Tunesien zum Färben trifft. Um das Gewebe weich zu machen, wird es in Bulgarien chemisch behandelt und schließlich in China oder in Bangladesch zusammengenäht. Die Schildchen und das Innenfutter für die Jeans kommen aus Frankreich oder der Schweiz, Knöpfe, Reißverschlüsse und Nieten aus Italien.“

Schließlich werden am Ende der globalisierten Arbeitsteilung die fertigen Jeans in das Land geflogen, in dem sie verkauft werden. Für eine Jeans sind bis dahin im Herstellungsprozess etwa 8000 Liter Wasser verbraucht worden. Fünf Milliarden Jeans werden auf diese Weise pro Jahr hergestellt. 100 Millionen Jeans werden jährlich in Deutschland verkauft.

Der österreichische Chocolatier Josef Zotter beschreibt in seinem Blog ein Erlebnis, das er in Peru hatte: „Denn diese Jeans, die unter widrigsten Bedingungen hergestellt werden, werden in Containern nach Peru verschifft und dort hoch professionell und nicht selten unter Einsatz von giftigen Substanzen zerrissen, damit wir hier in Europa und sonst wo mit ‚destroyed‘, also zerstörten Hosen herumlaufen können… Das muss man sich mal vorstellen: Zuerst wird etwas unter billigsten Bedingungen hergestellt, um die halbe Welt geschifft, um das gerade Hergestellte zu zerstören und dann geht es noch einmal weiter, damit wir cool aussehen.“ Zotter bezweifle den Gesamtzustand unserer Zivilisation. Es reicht nicht, dass wir in Asien, Afrika und Südamerika Rohstoffe und Arbeitskraft ausbeuten - nun müssen die Menschen dort „auch noch unsere Sachen kaputt machen.“

Mit fortschreitender Globalisierung werden Handlungsketten von transnationalen Konzernen anonymer, intransparenter und unethischer. Im Gegensatz dazu zeichnen sich verantwortlich agierende Unternehmen durch Investments in technologische Innovationen, Fokussierung auf transparente Abläufe und kollaborative Ansätze aus – zudem setzen sie auf einen verstärkten Einsatz nachhaltiger Materialien und legen Wert auf einen ganzheitlichen Blick auf die Produktionsprozesse: 2013 machte sich Andreas Güntzel, ein vierfacher Familienvater, der ursprünglich als Betriebswirtschaftler im Metallbau tätig war, in der Modebranche selbstständig, suchte Lieferanten für hochwertige Bio-Stoffe und –Garne, entwickelte in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Bielefeld erste eigene Schnitte und stellt seitdem Jeanshosen her. Unterstützt wird er dabei von einem kleinen Team. Aus verschiedenen Stoffen und über 20 Garnfarben kann man sich seine Jeans zusammenstellen und bei Geniestreich nach Maß schneidern lassen.

Das Modelabel fairjeans produziert hochwertige Jeanshosen für Männer und Frauen. Es entstand aus einer Initiative von mehreren Gleichgesinnten, die nach dem Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch die Zustände in der Produktion von Bekleidung nicht mehr hinnehmen wollten. Mit einem Crowdfunding auf Startnext wurden 10.000 Euro für den Start gesammelt. Fair bedeutet für das Unternehmen, fair zu Mensch und Umwelt zu sein. Bauern, die Biobaumwolle anbauen, leben viel gesünder als solche, die konventioneller arbeiten. Sie sind Pestiziden und Entlaubungsmitteln oft ungeschützt ausgesetzt (im konventionellen Baumwollanbau Standard). Genäht und konfektioniert wird die fairjeans in einer GOTS zertifizierten Produktionsstätte in Polen.

Optisch unterscheiden sich die Jeans nicht von konventionellen Jeans. Auch wird darauf geachtet, selbst Bio-Produkte zu verwenden, um den nachhaltigen Bereich zu stärken. Es wird auf nachhaltiges Wachstum ohne penetrante Werbung gesetzt. Zudem kann im eigenen Ladengeschäft mit dem „Freitaler“ bezahlt werden, einer Freiburger Regionalwährung.

Nachhaltig ist auch die vegane MUD Jeans ohne Lederpatch, die nicht nur gekauft, sondern auch für 7,50 im Monat ausgeliehen werden kann. Nach einem Jahr kann man die Jeans entweder behalten, zurückgeben oder gegen eine neue eintauschen. Die zurückgegebenen Hosen werden im Sinne der Kreislaufwirtschaft recycelt und zu neuer Kleidung verarbeitet.

Jeans aus 100 % Bio-Baumwolldenim, die auch für Veganer und Allergiker geeignet sind, finden Privatkunden unter anderem beim ökologischen Onlineversender memolife. Es sollte darauf geachtet werden, dass sie gemäß dem Global Organic Textile Standard (GOTS) hergestellt sind. GOTS ist als weltweit führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern anerkannt. Auf hohem Niveau definiert er umwelttechnische Anforderungen entlang der gesamten textilen Produktionskette und gleichzeitig die einzuhaltenden Sozialkriterien. Die Qualitätssicherung erfolgt durch unabhängige Zertifizierung der gesamten Textillieferkette.

Am Jeansthema zeigt sich in besonderer Weise, dass die Relokalisierung unserer Wirtschaft heute eine enorme Chance ist

„Wenn wir unsere eigenen Hosen nähen, Räder reparieren, Lebensmittel erzeugen, vermindert das die Ausbeutung von Mensch und Natur, schafft Transparenz und Jobs, spart Unmengen von Ressourcen und Transporte und belebt den lokalen Geist von Gemeinden und Gemeinschaften“, schreiben Annette Jensen und Ute Scheub in ihrem Buch „Glücksökonomie“, in dem sie nachweisen, dass, wer teilt, hat mehr vom Leben hat.

Das erkannten auch die Macher der Blaumann-Jeanshosen, die das Jeans-Handwerk zurück nach Deutschland geholt haben: Die Idee zur traditionellen Jeans hatten sie 2013. Nach Deutschland werden jährlich weit über 100 Millionen Jeans importiert. Die Vielzahl der Jeansmarken ist inzwischen kaum mehr überschaubar. Gleich geblieben sind jedoch die Produktionsweise und Machart sowie die Produktionsstandorte in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Indien. Alle Materialien wie Knöpfe, Nieten, Garne, Leder- und Papieretiketten werden von den Blaumännern aus Deutschland bezogen. Denimwebereien gibt es hier nicht mehr, deshalb werden die Stoffe von handverlesenen Produzenten aus Japan bezogen. Japanischer Denim gilt als der weltweit hochwertigste Jeansstoff, der sich durch besondere Spinnverfahren, hochwertigste Baumwollfasern und spezielle Färbeverfahren auszeichnet. Dieses Niveau wird nach Unternehmensangaben nur von ganz wenigen Produzenten außerhalb Japans erreicht, namentlich in den USA und Italien.

Die neue Warenwelt der Jeans ist eine nachhaltige, der Schönheit und Qualität verpflichtete Alternative zur Welt der austauschbaren Massenprodukte. Sie gedeiht an sozialen Orten wie nicht-virtuellen Werkstätten, wo Menschen mit Händen, Können und Kreativität an einer besseren Gesellschaft arbeiten.

Weitere Informationen:

Stefan Bonner und Anne Weiss: Planet Planlos. Sind wir zu doof, die Welt zu retten? Knaur Verlag, München 2017.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gut in Mode: Wissenswertes über nachhaltige Bekleidung und Textilien. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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