Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Deutschland nicht mehr auf Klimakurs: Was nun?

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Die Auswirkungen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlusts gehören zu den wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart. Hauptverursacher sind vor allem unsere Art zu wirtschaften, Ressourcenverbrauch, Lebensraumzerstörung, Landschaftsverbrauch und Landschaftszerschneidung, Wasserbau sowie Veränderungen der Landnutzung. Der Landnutzungssektor ist die einzig verfügbare, ökonomisch sinnvolle und nachhaltige Möglichkeit, Treibhausgase in großen Mengen der Atmosphäre zu entziehen, zu speichern und langfristig einzulagern. Es werden deshalb richtige Handlungsstrategien zum Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt benötigt.

Das Bundes-Klimaschutzgesetz bildet den Rahmen (das Herzstück) für die Klimaschutzpolitik in Deutschland.

Es legt verbindliche Treibhausgasemissions-Minderungsziele fest, die in jedem Gesellschaftsbereich zu bestimmten Zeitpunkten erreicht werden müssen. Nach langen Verhandlungen wurde es vor einiger Zeit abgeschwächt. Die Ziele bleiben zwar bestehen, allerdings nicht mehr trennscharf für die strengen jährlichen Sektorziele für die Bereiche Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Die Verpflichtung zu klimaschützenden Maßnahmen greift nun erst, wenn die Ziele zwei Jahre in Folge verfehlt werden (Basis: Projektionsdaten zur Zielerreichung bis 2030, nicht mehr die tatsächlichen Emissionen des Vorjahres).  

Auf einer Aufweichung beharrte die FDP, vor allem wurden nachhaltige Maßnahmen im Verkehrssektor abgelehnt. Die Union hatte sich zwar als Oppositionsfraktion im Bundestag und Bundesrat gegen eine Aufweichung eingesetzt, konnte den Erhalt des ursprünglichen Gesetzes jedoch nicht durchsetzen. Die neue Unverbindlichkeit des Gesetzes bewirkt, dass es für die Zivilgesellschaft noch schwieriger wird, Klimaschutz gegebenenfalls einzuklagen. Die Folgen: Enorme Investitionen in Emissionszertifikate aus anderen Mitgliedsstaaten – bei knappen Kassen fehlt dieses Geld allerdings für den Klimaschutz in Deutschland. 

Ohne Klimaschutz bleiben Bereiche wie Heizen und Mobilität fossil. Werden CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger bepreist, und steigt der Preis an, wird versäumter Klimaschutz zum Kostenfaktor. Betroffen werden vor allem jene sein, die keinen Zugang zu gut saniertem Wohnraum und zu klimafreundlicher Mobilität haben (keine Teilhabe).

Ein kleiner Lichtblick ist allerdings das Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nach Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe. 

Die Bunderegierung muss ihr Klimaschutzprogramm mit realistischeren konkreteren Maßnahmen als bisher versehen, um die Einhaltung der Klimaziele zu gewährleisten. Auch sollen Moore und Wälder besser geschützt werden. Die anfängliche Hoffnung im Naturschutz ist nun aber ebenfalls der Ernüchterung gewichen. Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes doch noch zu erreichen, hat die Bundesregierung 2021 im Koalitionsvertrag das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) angekündigt und im März 2023 verabschiedet. 

Damit leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der allgemeinen Zustände der Ökosysteme und zur Stärkung ihrer Klimaschutzleistungen: Dazu sollen unter anderem Moorböden wiedervernässt, Auen und Salzwiesen renaturiert, Kohlenstoffschutzzonen im Meer ausgewiesen, Stadtbäume gepflanzt, Hecken und Knicks angelegt und alte Wälder geschützt werden. Unter dem ANK werden verschiedene Maßnahmen gebündelt, die den Schutz von Klima und Natur verbinden. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) koordiniert die Umsetzung von Fördermaßnahmen in Zusammenarbeit. 

Das (ANK) stand für den Beginn einer Zeitenwende in der Finanzierung von Natur- und Klimaschutz. Neben größeren Modellvorhaben sowie der Eröffnung von Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz (KNK) und Klimawildniszentrale wurden inzwischen sechs Förderrichtlinien veröffentlicht bzw. als Förderfenster in bestehende Richtlinien integriert. Die Förderung ländlicher Kommunen ist derzeit am weitesten fortgeschritten. Die eingereichten, diversen Projekte gehen von Gewässer- und Moorrenaturierungen hin zu klassischen Stadtbegrünungen. Nun wird Deutschlands einziges Förderinstrument für natürlichen Klimaschutz und natürliche Klimaanpassung wieder im Kontext mit Sparplänen genannt.

Weitere Herausforderungen:

  • Fehlende Möglichkeiten des Ausprobierens Je mehr ausprobiert wird, desto höher ist die Chance auf besonders gute und nachhaltige Ansätze.
  • Die Ausarbeitung einzelner Förderrichtlinien dauert(e) zu lange. Viele lassen noch auf sich warten („1000 Mooreprogramm“, Förderung der Wiedervernässung land- und forstwirtschaftliche genutzter Flächen, die „Sicherung kleiner Wildnisflächen“, die „Beschleunigungsoffensive für Projekte zur Wiederherstellung der Natur“ und entsprechende nicht-finanzielle Maßnahmen des ANK)
  • Die Hälfte der Mittel wurden für die erste Jahreshälfte vorerst durch einen Verfügungsvorbehalt des Bundesfinanzministerium (BMF) zurückgestellt.
  • Das BMF stellte direkt nach Kabinettsbeschluss erstmal die verfassungsmäßige Zuständigkeit des BMUV in Frage und verbrauchte so wertvolle Ressourcen.
  • Verzögerungen werden häufig als Rechtfertigung für weitere Kürzungen verwendet.

Ohne das Bewusstsein von Dringlichkeit und gesunde Ökosysteme sind Deutschlands Klimaziele nicht zu erreichen.

Weiterführende Informationen:

  • Bundes-Klimaschutzgesetz: Was Unternehmen wissen müssen 
  • Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
  • Alexandra Hildebrandt: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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