Die drei wichtigsten Trends und Entwicklungen im Energiesektor
Wenn man darüber nachdenkt, ist der Begriff „fossile Brennstoffe“ besonders zutreffend, denn unsere herkömmliche Art der Energieerzeugung war auf eine Welt zugeschnitten, die längst der Vergangenheit angehört.
Die Transformation des Energiesektors ist eine der größten Herausforderungen, der wir uns heute gegenübersehen. Um den Energiesektor zu transformieren, müssen wir dekarbonisieren, dezentralisieren und digitalisieren.
1. Trend: Dekarbonisierung
Diese Entwicklung bezieht sich auf die Zielsetzung, den Übergang zu einer sauberen, CO2-neutralen Welt voranzutreiben, indem wir die Nutzung erneuerbarer Energien erhöhen und die Verwendung fossiler Energieträger verringern.
Die Elektrifizierung wird oft als wichtige Möglichkeit gepriesen, den Kohlendioxidausstoß beträchtlich zu reduzieren (beispielsweise durch den Wechsel zu klimafreundlicheren Elektroautos). Bedauerlicherweise wird Strom in vielen Ländern noch heute in hohem Maß aus fossilen Brennstoffen gewonnen – die USA eingeschlossen, wo sie sich auf 60,3% beläuft. Um vollkommen emissionsfrei zu werden, müssen wir uns verstärkt den erneuerbaren Energielösungen zuwenden, wie Windenergie, Solarenergie und Bioenergie. Allein damit ließen sich sieben Millionen Tote pro Jahr infolge der Luftverschmutzung vermeiden oder die Auswirkungen der Erderwärmung verlangsamen (oder sogar umkehren).
Natürlich werden wir durch die regenerativen Energielösungen ebenfalls mit Herausforderungen konfrontiert – nicht zuletzt mit der Tatsache, dass wir 24 Stunden am Tag Strom benötigen, aber Sonne und Wind nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Deshalb sind größere Investitionen in Energiespeicherprojekte unabdingbar, in denen wir die verfügbare, aber nicht benötigte regenerative Energie zur späteren Verwendung speichern.
Wir brauchen darüber hinaus auch andere klimafreundliche Energiealternativen, die eine verlässliche Energieversorgung gewährleisten, wenn die Lieferkapazität der erneuerbaren Energieträger nicht ausreicht. Derzeit bedeutet das Kernenergie. Es ist verständlich, dass sie bei vielen auf Ablehnung stößt, aber die Technologie gehört zu den sichersten und saubersten Methoden, Energie zu erzeugen. Fakt ist, dass Kernenergie weniger Todesfälle als Kohle (99,7%) und Gas (97,5%) verursacht hat. Die Sicherheitsbilanz für Wind- und Solarenergie ist zugegebenermaßen noch beeindruckender.
Richten wir den Blick weiter in die Zukunft, zeichnen sich weitere saubere Energiequellen ab. Die Europäische Kommission hat beispielsweise eine Strategie entwickelt, um das Potenzial des Grünen Wasserstoffs besser auszuschöpfen; der Übergang soll stufenweise erfolgen, in einem Zeitrahmen von 2030 bis 2050. Eine andere interessante Energiealternativen ist die Magmaenergie, die den heißen Dampf des Magmastroms tief unter der Erdkruste für die Energieproduktion könnte. Wenn das weit hergeholt klingt: Island verfügt bereits über ein magma-optimiertes Geothermie-System, das Wärmestrom aus dem Erdinnern liefert.
2. Trend: Dezentralisierung
Unter dem Strich geht es bei dieser Entwicklung um den Wechsel von unseren derzeitigen hochgradig zentralisierten Energienetzen, die von monopolistischen Energieunternehmen betrieben werden, zu dezentralen Energieproduktionssystemen. Mit anderen Worten: Dank einer Kombination aus regenerativer Energie und „Microgrids“, sprich kleinräumigen autarken Stromversorgungssystemen, können die Verbraucher ihren eigenen Strom bedarfsgerecht erzeugen. Wenn Sie Solarpanels auf dem Hausdach haben, sind Sie mit dem Konzept bereits vertraut. Wichtig ist jedoch vor allem, dass dezentrale Energiesysteme über erheblich größere Kapazitäten verfügen und nicht nur einzelne Häuser oder Wohnanlagen, sondern eine ganze Stadt versorgen können. Das ist eine spannende Entwicklung, denn es bedeutet, dass Verbraucher, Unternehmen und Kommunalverwaltungen ihr Energieportfolio in eigener Regie gestalten können.
Ein anschauliches Beispiel stammt aus Glasgow; dort wird bereits eine kleine aber wachsende Energiemenge auf lokaler Ebene mit Hilfe von Generatoren in der schottischen Metropole und rundum erzeugt. Die Stadt ermutigt außerdem Wohnungsbauunternehmen, den Blick nicht nur auf die neuen Entwicklungen ihrer lokalen Stromanbieter zu richten, sondern auch nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, Energieressourcen mit den geplanten Wohnanlagen in der Nachbarschaft zu teilen.
3. Trend: Digitalisierung
Hier geht es um den Einsatz von digitalen Maschinen, Geräten und Technologien, um die Energieproduktion, die Infrastruktur und die Nutzung zu optimieren. Heutzutage ist alles „smart“ oder „intelligent“, sprich vernetzt, fernsteuerbar und automatisiert, angefangen von Staubsaugern bis hin zu Kaffeemaschinen; warum also keine smarten oder intelligenten Energienetze?
Diese Entwicklung ist eng mit den beiden zuvor beschriebenen verflochten. Die zunehmende Vielfalt der CO2-neutralen Energiequellen hat zur Folge, dass unsere Energienetze komplexer werden. Und dezentrale Netze brauchen intelligente Lösungen, um die schwankende Nachfrage zu überwachen und zu steuern. Digitale Tools tragen dazu bei, diese Herausforderungen zu meistern und den dringend benötigten Veränderungen im Energiesektor Rechnung zu tragen.
Welche Tools sind dazu erforderlich? Hier einige der wichtigsten, die eine Digitalisierung im Energiesektor vorantreiben:
Künstliche Intelligenz (KI) und Predictive Analytics – vor allem bei der Bedarfsanalyse und Bedarfsprognose, oder zur Anpassung der Stromentnahme aus dezentralen Energienetzen.
Das Internet der Dinge (IoT) – einschließlich der smarten digitalen Temperaturregler für den häuslichen Gebrauch, die dazu beitragen, den Stromverbrauch zu senken.
Blockchain – eine besonders nützliche Technologie, um smarte Verträge abzuschließen, die den Verbrauchern ermöglichen, genau nachzuverfolgen, woher sie ihren Strom beziehen.
Digitale Zwillinge – dieses Konzept kann genutzt werden, um beispielsweise das digitale Gegenstück zu einem Kraftwerk oder einem ganzen Energienetz zu entwerfen und den Versorgungsunternehmen die Modellierung unterschiedlicher Szenarien, bessere Entscheidungen und Effizienzsteigerungen zu ermöglichen.
Diese und andere digitale Lösungsansätze haben dem Sammelbegriff „Energie 4.0“ Vorschub geleistet, in Anlehnung an den Begriff „Industrie 4.0“.
Die Neuausrichtung des Energiesektors wird nicht leicht sein. Die traditionellen Energieunternehmen sind langsam, wenn es um den Wandel geht – was wahrscheinlich einige außergewöhnlichen Komplikationen geschuldet ist, denen sie sich gegenübersehen, beispielsweise Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, oder die gigantischen Investitionen in die vorhandenen Energieanlagen. Doch der Transformationsprozess ist unabwendbar, wenn sie in einem Sektor relevant bleiben wollen, der von zunehmendem Wettbewerb geprägt ist.
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