Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Die getäuschte Gesellschaft: Wie kann Desinformation erkannt und unterbunden werden?

Pixabay

Verunsicherte Öffentlichkeit

Desinformationen sind ein allgegenwärtiges Thema, das vor allem im Kontext von Wahlen sowie in Krisenzeiten besondere Aufmerksamkeit erfährt. Darunter werden Falschinformationen verstanden, die vorsätzlich verbreitet werden mit der Absicht, Menschen zu täuschen und zu beeinflussen (manipulierte Nachrichten, aus dem Kontext gerissene Informationen, frei erfundene Meldungen). In Social Media verbreiten sie sich rasant. Auch Blogs und Nachrichtenseiten sowie Messenger-Dienste spielen eine wichtige Rolle. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hält laut Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ der Bertelsmann-Stiftung Desinformationen für ein großes gesellschaftliches Problem. Desinformation werden am häufigsten im Zusammenhang mit umstrittenen und kontroversen Themen, wie Einwanderung, Gesundheit, Krieg und Klimakrise, wahrgenommen. Bereits in der Antike sollen die Griechen bereits auf Falschnachrichten zurückgegriffen haben. Sie wurden gezielt verbreitet mit der Absicht, die Bevölkerung zu täuschen und zu beeinflussen. Damit ist der Begriff auch abzugrenzen von der unbeabsichtigten „Fehlinformation“

Die zentralen Ergebnisse:

  • 84 Prozent der Menschen in Deutschland meinen, dass vorsätzlich verbreitete Falschinformationen im Internet ein großes oder sogar sehr großes Problem für unsere Gesellschaft darstellen.
  • 81 Prozent sagen, dass Desinformation eine Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedeutet.
  • 54 Prozent sind der Meinung, das Thema Desinformation zu wenig Aufmerksamkeit bekäme.
  • Über 90 Prozent sagen, dass die Absender damit die politische Meinung in der Bevölkerung beeinflussen wollen, Werte für die Beeinflussung des Wahlausgangs (86 Prozent) und die Spaltung der Gesellschaft (84 Prozent).
  • Mehr als die Hälfte machen Protest- und Aktivistengruppen verantwortlich, gefolgt von Blogger:innen und Influencer:innen (60 Prozent), ausländischen Regierungen (53 Prozent) sowie Politiker:innen und Parteien in Deutschland (50 Prozent).
  • Jede:r Zweite war der Auffassung, Desinformation käme gleichermaßen aus dem In- wie aus dem Ausland. Mehr als die Hälfte glauben, dass Desinformation sowohl aus dem rechten als auch dem linken Spektrum verbreitet werde.
  • Die Verunsicherung über den Wahrheitsgehalt von Inhalten und die Wahrnehmung von Desinformation sind in den USA ausgeprägter als in Deutschland. Hier werden häufiger Politiker:innen und Parteien für Desinformation verantwortlich gemacht.
  • 70 Prozent der Befragten in Deutschland meinen, dass Desinformation ein Problem für andere Menschen darstelle und nur 16 Prozent ein Risiko für sich selbst sehen
  • Von den US Bürger:innen sorgen sich 39 Prozent darum, selbst von Desinformation getäuscht zu werden. Entsprechend überprüfen sie Inhalte häufiger und kritischer.

Zu den aktuellen Herausforderungen gehört, dass viele wichtige Daten häufig nur schwer zugänglich sind und sich das Forschungsfeld seit 2016 enorm verändert und vergrößert hat. Auch geraten Demokratien durch Fakes und Manipulation von Informationen immer stärker unter Druck.

Durch das Thema Künstliche Intelligenz hat die Debatte zusätzlich an Fahrt aufgenommen.

Anfang 2024 stufte das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem globalen Risikobericht die KI-gesteuerte Desinformation als derzeit größtes Risiko für eine globale Krise in den kommenden zwei Jahren ein (noch vor extremen Wetterereignissen und gesellschaftlicher Polarisierung). Denn KI kann die Erstellung und Verbreitung falscher oder irreführender Information vereinfachen. Einer Studie zufolge haben Falschinformationen, die von einer KI generiert werden, mehr Menschen täuschen können als menschengemachte Fake News. Bei dem Test überzeugten auch wahre Inhalte der KI eher. Es besteht Grund zur Sorge, dass Desinformation anhand von Sprachmodellen leichter, in größerer Menge und in besserer Qualität generiert werden kann. Auch andere Arten von KI (Bildgeneratoren oder Software für die Erstellung von Deepfakes) könnten im Kontext von Desinformation eine Rolle spielen. KI ist demnach auch mit einem ethischen Konflikt verbunden, solange sie dazu genutzt werden kann, Desinformation zu verbreiten oder Deepfakes für Phishing-Angriffe zu generieren. Im Sinne einer Responsible AI müssen ethische Standards in KI integriert werden. Accenture hat dazu ein Programm entwickelt und unterstützt mit seiner Plattform „AI Navigator for Enterprise“ Unternehmen bei der verantwortungsvollen KI-Nutzung.

Politik, Medien und Zivilgesellschaft müssen in Deutschland noch aktiver werden.

Dazu braucht es:

  • Aufklärungskampagnen, die vor den Gefahren von KI warnen
  • Breiter und regelmäßigen gesellschaftlicher Diskurs
  • Nutzer:innen von Social Media muss es erleichtert werden, Informationen zu überprüfen und zu melden
  • Gütesiegel für qualitativen Journalismus
  • Entwicklung und Verbreitung von leichtverständlichen Leitlinien zum Umgang mit Desinformation
  • Neue Formen der Medienkompetenz + rechtliche Verankerung von Medienkompetenz in der Bildung
  • Unabhängiges Monitoring digitaler Inhalte durch mehrere, nicht-staatliche Akteure
  • Verpflichtung der Social-Media-Plattformen zur effektiven Bekämpfung von Desinformation
  • Austarieren des Spannungsverhältnisses zwischen dem Schutz der Öffentlichkeit vor Desinformation und dem Schutz der Meinungsfreiheit
  • Schaffung einer zentralen Stelle zu Desinformation
  • Regulatorische Regelungen gegen Desinformation durch die EU (Digital Services Act, AI Act)
  • Prüfung einer strafrechtlichen Verfolgung und/oder Sanktionierung der Verbreitung von Falschinformationen
  • Entwicklung von Technologien zur Kennzeichnung von Desinformation
  • Mündigkeit der Bürger:innen durch Transparenz über Medien und Rückverfolgbarkeit von Quellen
  • Verpflichtung von sozialen Netzwerken, Faktenchecks und Vertrauensbewertungen einzubinden
  • Bessere Vorgaben.

Auch O2 Telefónica möchte mit neuen Lehr- und Lernmaterialien im Rahmen von „WAKE UP!“ die Resilienz gegen Desinformationen stärken. Die Initiative des Telekommunikationsunternehmens hat das Ziel, die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern. Gemeinsam mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) hat O2 Telefónica kürzlich ein neues digitales Tafelbild und neue digitale Selbstlernmodule entwickelt, die Jugendliche im Umgang mit Desinformationen schulen sollen. Die Bertelsmann Stiftung hat das Projekt „Forum gegen Fakes – Gemeinsam für eine starke Demokratie“ ins Leben gerufen. Ein Bürgerrat aus über 120 Teilnehmenden erarbeitete 15 Empfehlungen mit 28 konkreten Maßnahmen zum Umgang mit Desinformation für Politik, Medien, Bildungseinrichtungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Auch im Sammelband „Bauchgefühl im Management“, das während der Corona-Pandemie erschienen ist, wird gezeigt, dass die Vermischung von Tatsachen und Meinungen sowie die Desinformationsüberflutung nicht nur der Wissenschaft, sondern auch unserer Debattenkultur und Gesellschaft schadet.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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