Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Die Kunst der Fakten und der Zustand der Welt

Dr. Alexandra Hildebrandt

Krisenthemen erreichen uns oft nur als negative Nachrichten und weniger als Lebensrealität.

Das beeinflusst unser Weltbild und kann dazu führen, dass auch unsere Sicht auf die Welt verfälscht wird: Wir schätzen sie schlechter ein, als sie ist. Doch wer alles in einem schlechten Licht betrachtet, sieht auch für die Zukunft schwarz. Erste, wenn wir uns einen klaren Blick bewahren und das Gefühl von Machtlosigkeit nachlässt, können wir nachhaltig handeln: "Beginne damit, dass du wirklich etwas Gutes in die Welt bringen willst. Du musst optimistisch gestimmt sein, damit die Arbeit von diesem Gefühl durchdrungen sein wird“, sagt der Designer Alan Moore. In seinem Buch „Design. Warum das Schöne wichtig ist“ entwickelt er nicht nur ein besonderes Gespür für die Kräfte, die unsere Welt formen, sondern zeigt auch, wie wir kreativ auf sie reagieren können. Sein Ziel als Künstler ist es, jeden Tag ein bisschen mehr Schönheit in die Welt zu bringen. Das Thema beschäftigt auch Autor:innen wie Gabriele von Arnim, die in ihrem Buch „Der Trost der Schönheit“ schreibt: „Wie unangemessen ist es, über Schönheit zu schreiben, während in so vielen Teilen der Welt Not und Angst, Hunger und Entsetzen herrschen.“ - „Schönheit hier – Krieg dort“ – diesen Widerspruch kann sie nicht zusammendenken, und doch lebt sie ihn täglich. Schönheit kann nämlich auch Anker und Rettung sein. „Ich weiss, dass ich mich in einer schönen Umgebung besser verhalte. Ich fühle mich auch besser“, sagt der Grafikdesigner Stefan Sagmeister. Gut gestaltete Wohnblöcke empfindet er als menschlicher, „Menschen wollen darin wohnen, wenn sie schön sind.“ Schöne Dinge sind per se auch nachhaltiger, weil sie sorgsamer behandelt und häufiger repariert werden als hässliche („dumme Dinge“). Er verwendet seit 30 Jahren die gleiche schöne Ledertasche, die alle fünf Jahre beim Schuster repariert wird. Für ihn ist Schönheit eine Kombination von Gestalt, Farbe, Materialität, Komposition und Form, die seine ästhetischen Sinne anspricht.

In seinem aktuellen Buch „Früher war Heute ist besser“ widmet sich Stefan Sagmeister ebenfalls dieser Thematik.

Zu Beginn des Projektes eindrucksvoller Datenvisualisierungen, die zu Kunst werden ("Beautiful Numbers"), stand ein Gespräch: Der eine sagte „früher war alles besser“ - der andere (Stefan Sagmeister) begann Fakten zum Zustand der Welt früher und heute zu recherchieren. Er sah sich die Entwicklungen der Menschheit über einen langen Zeitraum an und griff dazu auf Daten der letzten 200 Jahre zurück. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass die Welt nicht immer schlechter geworden ist – und wird, nur weil schlechte Nachrichten, mit denen oft unreflektiert umgegangen wird, mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Ära, in der wir gerade leben, findet er besonders spannend, „weil sie in vielen Fällen viel besser ist als jede Ära in der Vergangenheit. Wir sind uns alle darüber einig, dass das Leben besser ist als der Tod, gesund zu sein besser ist, als krank zu sein, wir sind lieber satt als hungrig, es ist feiner, in einer Demokratie zu leben als in einer Diktatur. All diese Dinge wurden gemessen, und alle sind heute im Durchschnitt viel besser als früher.“ Sein Projekt war auch mit zahlreichen Gestaltungsauftragsarbeiten verbunden: So sollte er eine Uhr, Espressotassen, eine Glasserie und eine Fahrradrampe gestalten. Auch legte Sagmeister limitierte Mode-Edition mit seinen Datenvisualisierungen auf. Bei der Konstruktion einer mechanischen Uhr überwindet er mathematische Schwierigkeiten, die täglich abwechselnde Farben auch bei Primzahlmonaten zeigt. „Alte Ölschinken“, Kunstwerke aus alten Zeiten, werden zu „Datenträgern“ guter Entwicklungen. Auch Infografiken, die dazu beitragen, das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt begreifbar zu machen, beweisen, dass die Welt besser ist als gedacht.

Eine wichtige Rolle spielt auch Max Roser, Ökonom am Institute for New Economic Thinking (INET) in Oxford.

Ihn überraschte schon vor Jahren, dass die Nachrichten voll von schrecklichen Ereignissen sind, sich langfristig aber positive Entwicklungen zeigen, die allerdings in den Medien kaum erwähnt werden. Am Beispiel der Gewalt wies er nach, dass jährliche Umfragen zwar zeigen, dass die Gewalt steigt, aber das Gegenteil der Fall ist: „Die Menschheit war früher viel gewalttätiger.“ Auf seiner Website "Our World in Data" trägt er alles zusammen, was wir über die Entwicklung der Welt wissen und postet regelmäßig ein Diagramm, das verdeutlicht, dass die Welt in vielen Bereichen besser geworden ist. Das stimmt ihn optimistisch. Doch leider ist es häufig so, dass jene, die die Welt optimistisch betrachten, dafür belächelt und für naiv gehalten werden. Was wir heute brauchen, ist ein engagierter und „radikaler Optimismus“ (Oona Horx Strathern). Eine solide Basis dafür stellt bei Sagmeister das Projekt „Beautiful Numbers“ dar. Gedanken, Erfahrungen und Arbeiten dazu finden sich in diesem beeindruckenden Buch, für das der Harvard Psychologe, Kognitionswissenschaftler und Linguist Steven Pinker das Vorwort schrieb. Vor einigen Jahren schrieb er „Enlightement Now – The Case for Reason, Science, Humanism and Progress“. Darin beschreibt der, dass es uns Dank der Aufklärung heute besser geht als je zuvor: Ihr würden wir den Fortschritt der letzten 200 Jahre verdanken, weil sie auf klares Denken (das auf Evidenz und Zahlen basiert), Vernunft, Redefreiheit, ausgleichende Gerechtigkeit, den Geist der Wissenschaft und die Suche nach Wahrheiten setzt. Erst wenn sich eine Gesellschaft dieser Ideale bedient, kann sie seiner Meinung nach echten Fortschritt erleben. Dass Emotionen kritisches Denken und wissenschaftliche Evidenz nicht ersetzen können, erörtert Pinker in seinem Buch „Mehr Rationalität“.

Auch dieser Einfluss, der ebenfalls Eingang in den Herausgeberband „Bauchgefühl im Management“ gefunden hat, prägt das Kunst- und Weltverständnis von Stefan Sagmeister, der 1962 in Bregenz geboren wurde. Er studierte an der Angewandten in Wien – mit einem Stipendium auch in New York. Danach ging er nach Hongkong in die Agentur von Leo Burnett. 1993 gründete er Sagmeister Inc. in New York. Mit seinen Plattencovers für Lou Reed, Aerosmith oder den Talking Heads wurde der Grammy-Gewinner bekannt. Seit 2012 führt er seine New Yorker Agentur zusammen mit der Designerin Jessica Walsh, die 1986 in New York geboren wurde und für Kunden wie Levi's, Adobe oder die "New York Times" arbeitet und an der School of Visual Arts in New York unterrichtet. Kunst bedeutet für ihn die Möglichkeit, eine neue, eigene Welt aufzubauen, dem Publikum die Möglichkeit zu geben, sie zu erfahren und sie mit der eigenen, erfahrenen Welt zu vergleichen. Wenn die Kunst gut ist, kann dieser Vergleich das eigene Leben bereichern.

Das Buch:

  • Stefan Sagmeister: Früher war Heute ist besser. Mit einem Vorwort von Steven Pinker, einem Essay von Steven Heller und einem Interview von Hans Ulrich Obrist. Übersetzung: Julia Gilcher. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2023.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
Mehr anzeigen