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Die Macht der Intuition: Wie Denkverzerrungen in Bewerbungsgesprächen verhindert werden können

Er vertritt die Position, dass intuitive Entscheidungen auf so genannten Heuristiken (Faustregeln) beruhen, die es uns ermöglichen, schnell und intuitiv zu entscheiden und zu handeln. Eigentlich arbeitet das unbewusste System zuverlässig. Das bestreitet auch der Kognitionspsychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman nicht. Seine Forschungsergebnisse belegen allerdings auch, dass die Intuition häufig in kognitive Fallen tappt und zu Denkverzerrungen führt.

Wie Gigerenzer geht er von einfachen (aber anderen) Heuristiken aus, die der Intuition zugrunde liegen. Nach Kahneman würden die für die Lösung einer Aufgabe relevanten Informationen durch irrelevante Informationen ersetzt, nämlich durch eine Information, die im Gedächtnis besonders leicht zugänglich ist. Es kann passieren, dass das bewusste System in seiner Kontrollfunktion versagt und auch dazu neigt, den Entscheidungen unseres unbewussten Systems im Nachgang einen rationalen Anstrich zu geben. Etwa wenn ein Bewerber vom Personaler besonders positiv eingeschätzt wird, weil er ihm besonders sympathisch ist. Umgekehrt kann die Intuition auch zu Vorurteilen führen, wenn derjenige an jemanden erinnert, mit dem negative Erfahrungen verbunden sind. Dann kann es passieren, dass ein Bewerber vorschnell beurteilt wird, wenn es darum geht, ob er auf die Stelle „passt“ oder nicht.

Der „naive Realismus“ des eigenen Weltbildes verhindert, das eigene Urteil kritisch zu hinterfragen. Wie stark persönliche Vorlieben und Außenfaktoren auf Entscheidungen einwirken, wird dann nicht wahrgenommen und nicht berücksichtigt. Bauchgefühle allein reichen deshalb nicht immer, auch wenn sie zuweilen geniale Abkürzungen des Denkens sind, die den Kopf schonen und das Gehirn von der Aufgabe, Situationen bis ins Letzte zu durchdenken, entlasten. Richtiges Personalmanagement und Recruiting kann es sich nicht leisten, nur darauf aufzubauen - beide erfordern den ganzen Weg.

Im Bewerbungskontext kann das Verfahren durch Persönlichkeitstests verlässlicher gemacht werden. Es gibt allerdings Qualitätsunterschiede der Verfahren. Es ist deshalb darauf zu achten, dass sie wissenschaftlich validiert sind, denn einige „Tools haben nicht mehr Aussagekraft als ein Horoskop“ (Nicole Grün). Das Thema der richtigen und strategischen Personalauswahl muss deshalb nicht gleich kalt und emotionslos sein. „Ich suche den Menschen" ist ein Leitsatz des Personalexperten und Geschäftsführers der GmbHs der Neumüller Unternehmensgruppe, Werner Neumüller, der zugleich ausdrückt, wie wichtig es ist, die richtigen Menschen für Unternehmen zu finden, zu identifizieren und zu fördern. Er und seine Frau Regina leisten seit 2003 Rekrutierungsunterstützung über die Arbeitnehmerüberlassung vor allem im akademischen und medizinischen Umfeld. Ende 2019 wurde die „consil-med GmbH Ärzte Pflegefachkraft Vermittlung“ gegründet. Die Unterstützung von außen ist für Unternehmen deshalb wichtig, um die möglichst besten Kandidaten zu finden.

„Jede zusätzliche Bewerbung kann die Bewerbung des besten Kandidaten des ‚Richtigen' sein!" Entscheidend sei heute, ob jemand in der Lage ist, Probleme zu lösen, denn die Anforderungen und Profile ändern sich immer schneller. Unternehmen bevorzugen laut Neumüller „vor allem Kandidaten, mit denen sie ihre Wertvorstellungen teilen können. Es geht ihnen um die größtmögliche Übereinstimmung und die Frage: Passt der Kandidat zu unserer Unternehmenskultur?" Während früher das Fachliche im Mittelpunkt stand und die Länge der Unternehmenszugehörigkeit entscheidend war, wird heute verstärkt auch auf Persönlichkeit geachtet. „Die eigene Persönlichkeit ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im beruflichen Umfeld“, sagt er. Wer weiß, wo seine Stärken liegen, woran sich noch arbeiten lässt und was ihn beruflich erfüllt, wird seiner Meinung nach auch erfolgreicher sein. Schon vor der Bewerbung wird deshalb ein kostenloser Persönlichkeitstest angeboten, der helfen soll, gezielter nach einer Stelle zu suchen, die der eigenen Persönlichkeit entspricht, die persönlichen Stärken im Vorstellungsgespräch richtig zu kommunizieren und sie bewusst im Berufsleben einzusetzen.

Auch Stefan Hofer, Leiter Marketing bei der NEUMÜLLER Unternehmensgruppe, verweist darauf, wie wichtig es ist, bei der Vorbereitung zum Vorstellungsgespräch zuerst die eigenen Stärken und Schwächen zu hinterfragen. „Positive Eigenschaften, die Sie immer nennen können, wären beispielsweise unternehmerisches Denken, große Lernfähigkeit oder generell die Fähigkeit, sich schnell mit neuen Dingen vertraut machen zu können. Doch Sie sollten den Personaler nicht anlügen. Nennen Sie diese Stärken nur, wenn diese auch wirklich auf Sie zutreffen“, sagt er und empfehlt, generell darauf zu achten, dass die eigenen Stärken bestmöglich mit dem Stellenangebot übereinstimmen. „Entscheidend ist hierbei der Beleg Ihrer Fähigkeiten. Ist beispielsweise ein Teamplayer erwünscht, schmücken Sie sich damit, Kapitän Ihres Fußballvereins zu sein. Oder vielleicht haben Sie ja bei Ihrem alten Arbeitgeber an einem Teamprojekt erfolgreich mitgewirkt. Dann erwähnen Sie es ruhig.“ Leider ist für Bewerber oft nicht ersichtlich, wann Personaler nach Stärken und Schwächen im Vorstellungsgespräch fragen. Häufig wird nämlich versucht, die direkte Frage danach zu umgehen. Empfohlen wird deshalb, Schwächen zu nennen, die für die angestrebte Position irrelevant ist. Optional können sie auch relativiert werden durch die Wörter wie „manchmal“ oder „ab und zu“, so Hofer.

Sie braucht neben inhaltlicher und fachlicher Motivation und Begleitung auch Klarheit des Denkens und Mut zur Wahrheit, die sich dann offenbart, wenn Bauchgefühle immer wieder rückgekoppelt werden mit den Ergebnissen rationaler Analyse.

Vorstellungsgespräche erfolgreich meistern: Die wichtigsten Tipps von Personalexperten

Nicole Grün: Wie tickt der? In: Süddeutsche Zeitung (2./3.1.2021), S. 59.

Daniel Kahneman, Olivier Sibony und Cass R. Sunstein: Noise – Was unsere Entscheidungen verzerrt und wie wir sie verbessern können“. Siedler-Verlag, München 2021.

Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 145-158.

Werner Neumüller: Die Grenzen der Rationalität. In: Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2021 (ersch. im Herbst).

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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