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© Dr. Alexandra Hildebrandt

Die Quelle für Zuversicht ist unsere Sprache

Das gute Leben haben wir irgendwann aus den Augen verloren und uns darauf konzentriert, möglichst viel Geld zu machen, Besitz anzuhäufen und die Karriereleiter hochzusteigen. Der Publizist und Buchautor Ulrich Grober schrieb dazu 2016 in seinem Buch „Der leise Atem der Zukunft“: Wo Geldvermehrung und Besitz der primäre Lebensinhalt ist, geht das Wesentliche verloren. Empathie ist für ihn deshalb eine Ressource, die im 21. Jahrhundert dringender gebraucht wird als Seltene Erden oder Algorithmen: „Die Fähigkeit zur Anteilnahme, zum Mitgefühl erstarrt. Wenn aber dein Mitgefühl für die Menschen in deiner nahen oder ferneren Umgebung gestört ist oder ganz erkaltet, dann ist damit gleichzeitig auch der Resonanzboden für dein Empfinden von Freude, deine Glücksfähigkeit, stillgelegt.“

Mit Empathie verbindet er Fürsorge, Selbstsorge und Vorsorge - eine Basistugend der Nachhaltigkeit, die wir auf unserem unsicheren Weg in die Zukunft brauchen. Als Wanderer weiß er: Wenn man die Orientierung verloren und sich verirrt hat, sollte die Umkehr gewählt werden. Von dort führt der richtige Weg zum Ziel. Daran erinnerte ich mich sofort bei der Lektüre seines aktuellen Buches „Die Sprache der Zuversicht“, das Inspirationen und Impulse für eine bessere Welt bietet. Hier können die Leser die Wege in seine vergangenen Buchwelten noch einmal gehen – vieles wird übernommen, erscheint aber in einem neuen Licht durch die Verknüpfung mit aktuellen Ereignissen: Gerade erleben wir, was die Astronauten der Mondmissionen vor 50 Jahren beim Anblick des Planeten mit dem Wort Zerbrechlichkeit ausdrücken wollten: Das „Netz des Lebens“, die Biosphäre, die alles Leben hält, trägt und ermöglicht, droht an vitalen Knotenpunkten zu reißen. Lebensspendende Kräfte der Biosphäre wie Klima, Gewässer, Wälder, Böden und Biodiversität könnten bald „Kipp-Punkte“ erreichen, von denen aus allerdings keine Umkehr mehr möglich ist.

Dazu braucht es allerdings das Vertrauen, dass es Wege und die Kraft gibt, umzukehren und sie zu betreten. Was wir als Wegzehrung für die Reise in eine unsichere Zukunft vor allem benötigen, ist für ihn eine verbindende Sprache der Zuversicht. Sie ist eine nachhaltige Ressource, mit der wir gerade jetzt besonders achtsam umgehen (und nähren) sollten. Allerdings darf sie nicht illusionär und mit leeren Worten behaftet sein. Deshalb geht er zurück zu ihren etymologischen Wurzeln und zeigt ihre vielschichtige Bedeutung, wodurch sie ihre Energie und ihren Zauber entfalten. Das lässt sich in beeindruckender Weise am Begriff Nachhaltigkeit zeigen: Anfang der 1990er Jahre wurde der SPD-Politiker Erhard Eppler an die Universität Bielefeld eingeladen, um über Nachhaltigkeit als politische Aufgabe zu sprechen. Zu Beginn seiner Rede sagte er: „Dieses Wort werde ich nicht in den Mund nehmen. Es ist ein echtes Bürokratenwort, das sowieso keiner versteht. Außerhalb von ein paar Fachkreisen wird es gemieden, es ist ein Unwort.“ Für viele ist es ein Allerwelts-Schlagwort, ein Leerwort.

Leider, denn es füllt sich, je tiefer wir uns damit beschäftigen. Nicht nur in seinem aktuellen Buch, sondern in all seinen Publikationen setzt sich Ulrich Grober dafür ein, diesem „überlebenswichtigen Schlüsselbegriff in unserem Bestand elementarer Wörter einen entsprechenden Rang“ einzuräumen, und mit ihm zu denken und zu handeln. Um mit einem starken und authentischen Begriff von Nachhaltigkeit achtsam umzugehen, muss er von seiner Wurzel aus begriffen werden. Auf der Ebene der Gemeinsprache bedeutet er so viel wie „nachdrücklich“, „intensiv“, „dauerhaft“. Hans Carl von Carlowitz legte 1713 die Summe seiner theoretischen und praktischen Erfahrungen im Umgang mit der Ressource Holz in dem Folioband „Sylvicultura oeconomica“ oder „Anweisung zur wilden Baumzucht“ vor. Das Buch kritisierte das auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtete Denken. Ein Kornfeld bringe jährlichen Nutzen, auf das Holz des Waldes müsse man dagegen Jahrzehnte warten, bis es hiebreif sei. Gegen den Raubbau am Wald setzte er die Regel: „daß man mit dem Holz pfleglich umgehe“. Der Begriff „pfleglich“ ist ihm zufolge ein „uralter Holtz-Terminus“, der „in hiesigen Landen gebräuchlich“ sei. Tatsächlich ist „pfleglich“ der unmittelbare Vorläufer von „nachhaltig“.

Vor allem bezeichnet der Begriff auch, was uns trägt und uns hilft, gegen Zusammenbrüche aller Art gefeit zu sein. Deshalb gehören Resilienz, Nachhaltigkeit und Zuversicht zusammen. Ulrich Grober zeigt beispielhaft, wie uns diese Einheit darin unterstützt, auch in Krisenzeiten handlungsfähig zu sein. Dabei bedeutet dies nicht, sich illusionären Hoffnungen hinzugeben, sondern einen klaren Blick für den Ernst der Lage zu behalten und dennoch die Hoffnung nicht zu verlieren. „Basis von Zuversicht ist ein Grundvertrauen in die Güte der, wenn man so will, Schöpfung oder der Evolution, ein Grundvertrauen in die Güte des Lebens, in die eigene Kraft und die Kraft des ‚Wir‘“, so Grober. Vor dem Hintergrund zahlreicher Krisen brauchen wir Zuversicht statt Resignation. Die Quelle dafür tragen wir in uns: unsere Sprache. Sie ist deshalb Mittelpunkt seines Buches, weil sich über sie unsere Werte und Ideale bilden sowie die Intimität zwischen Mensch und Natur. Sie gibt uns jene positive Energie, die wir brauchen, um die „OH WEH-Momente“ auszuhalten und produktiv zu verarbeiten sowie „der Resignation in diesen krisenhaften Zeiten die Stirn zu bieten.“

  • Ulrich Grober: Die Sprache der Zuversicht. Inspirationen und Impulse für eine bessere Welt. oekom Verlag. München 2022.

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Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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