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Die Sprache des Himmels

Die Astrologie wird von Skeptikern oft als Pseudowissenschaft bezeichnet, doch war sie ursprünglich nicht von der Astronomie getrennt: „Sie waren die zwei Flügel eines Schmetterlings, die linke und die rechte Gehirnhälfte und eine symbolische Weise, Dinge zu sehen“, schreibt Divine Harmony in der von Jessica Hundley herausgegebenen visuellen Geschichte der westlichen Astrologie. Es ist das erste Kompendium seiner Art, das der symbolischen Bedeutung von mehr als 400 Abbildungen nachgeht – von Höhlenmalereien und illuminierten Manuskripten bis hin zur zeitgenössischen Kunst. Werke von Künstlern wie Leonora Carrington, Alphonse Mucha oder Hilma af Klint spiegeln die Planetenbahnen und den Tierkreis und stehen neben Zitaten von Kepler, Kopernikus oder Campbell. In ihren ältesten Zeugnissen begegnen astrologische Vorstellungen eingebunden in astralreligiöse Zusammenhänge. Die Gestirne werden als Sitz von göttlichen Wesenheiten aufgefasst.

So wurde die Königskammer der Großen Pyramide in Gizeh gebaut, um sich an den Sternbildern auszurichten, die Perser wetteiferten mit den Griechen um die Errichtung der ersten Sternwarte, und Galileo fertigte Horoskope für die Medicis an. Mit der Aufklärung und der Geburt exakter Wissenschaften verlagerte sich die astronomische Praxis an geheime Orte. Sie beeinflusste Künstler und Denker wie Goethe, Byron oder Blake. Spätere Bewegungen wie die Theosophen und die New Agers führten die Praxis wieder zurück in den Mainstream. Das Buch trägt dazu bei, sich der Astrologie ohne Vorbehalte zu nähern. „Wenn wir unvoreingenommen das Gebäude der Astrologie betreten, wird uns bald spürbar, daß dort in der Tat ein Wissen obwaltet. Wir fühlen, daß sich unsere Augen schärfen und astrologische Typen wahrnehmen, oder wenigstens Typen, die den astrologischen ähnlich sind. Freilich sind diese Typen nicht messbar wie Figuren der Geometrie. Und darin liegt ihre Qualität“, schreibt Ernst Jünger in seiner Gedankensammlung „An der Zeitmauer – Gedanken eines Nichtastrologen zur Astrologie“ (1959).

Die Entstehung der Astrologie lässt sich nicht genau datieren. Archäologische Funde von eingekerbten Knochen geben Hinweise darauf, dass bereits in der Eiszeit die Bewegungen des Mondes beobachtet worden sind. Die ersten gesicherten astronomisch-astrologischen Aufzeichnungen stellen die sumerischen Schriften und die Keilschriften der mesopotanischen Hochkulturen dar. Aus der Region von Euphrat und Tigris gelangte die sumerische Astrologie nach Griechenland und nach Ägypten (6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung). Alexander der Große trug das astrologische Wissen bis nach Indien. Sämtliche Kulturen, die mit der Astrologie in Berührung kam, prägten sie auf ihre Weise. Schon die Römer kannten den Einfluss der Planeten auf das Gelingen einer Mahlzeit und liebten es ihre Essen unter einem Sternhimmel abzuhalten. Es handelte sich dabei allerdings um ein künstliches, an die Decke gemaltes Firmament, das die zwölf Tierkreiszeichen darstellte. Mit ihrem profunden Wissen sammelten sie Rezepte, die für jedes Sternzeichen spezifisch waren.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich zwei verschiedene Arten von Astrologie: die esoterische (nur Eingeweihten verständlich) und die exoterische Variante, aus der sich später in der Renaissance die volkstümliche Astrologie entwickelte. Diese populäre Form wird wegen ihres Vorherbestimmungscharakter zu Recht kritisiert, „weil der individuellen Entscheidungsfreiheit kaum mehr Raum beigemessen wurde“, sagt Thomas Otto Schneider, der nach der anfänglich hobbymäßigen Beschäftigung mit der Astrologie, eine siebenjährige Ausbildung an der Münchner Schule für Astrologie (Wolfgang Döbereiner) begann und Ende der 1980er Jahre eine astrologische Praxis in Köln eröffnete. Er kritisiert, dass uns in der Moderne die Fähigkeit zum Staunen zu einem großen Teil verloren gegangen ist: „Nehmen wir die Sonne! Wenn wir am Strand von Mallorca in der Hitze schmoren, denken wir eher an den Sonnenschutzfaktor unserer Hautcreme als an die Tatsache, dass da draußen im Weltall, knapp hundertfünfzig Millionen Kilometer von uns entfernt ein Feuerball lodert, der mit seiner Gravitation unser ganzes Sonnensystem regelt, und dem wir unsere Existenz zu verdanken haben.“

Im Alltag kann Astrologie seiner Meinung nach sehr hilfreich sein, „wenn man mal gerade den Faden verloren hat“, denn:

  • Sie vermittelt eine elementare Ordnung, die uns wieder mit unserem stellaren Ursprung verbindet.

  • Sie kann das Verständnis von uns selbst und der Welt um uns herum vertiefen.

  • Sie kann etwas über die Menschen selbst lehren (Selbsterkenntnis).

  • Sie kann dazu beitragen, das eigene Leben möglicherweise leichter annehmbar zu machen.

  • Das Verständnis für die Mitmenschen kann sich enorm verbessern

  • Astrologie „kann“ all das vermitteln - lernen „müssen“ wir von ihr allerdings gar nichts.

Der Löwe ist eine der ältesten bekannten Konstellationen. Schon 4000 v. Chr. Fanden Mesopotamier eine Sternengruppe, die wie ein kauernder Löwe aussah. Auch Künstler wie Patrick Hourcade, den eine lange Freundschaft mit Karl Lagerfeld verband, verweisen auf dieses Sternzeichen und das zurückhaltende Wesen als Einzelgänger- er und Lagerfeld ebenfalls Sternzeichen Löwe: „unabhängig, verschlossen und sensibel, und wir zogen uns gern in unser Schneckenhaus zurück.“ Im Astrologie-Band im TASCHEN Verlag finden sich dazu weitere Ergänzungen, die zu diesen Exzentrikern passen: Löwen werden hier als Sonnenkönige dargestellt, die amüsant sein können und sich gern auf der Bühne präsentieren. Sie brauchen Publikum, um zu glänzen, können aber auch über ihren „überbordenden Stolz“ stolpern. Auch Goethe, vom Sternzeichen „Jungfrau“, spielt im Kontext der Astrologie eine wichtige Rolle. Sein Horoskop wurde bekannt, weil er seine Geburtszeit selbst publiziert hat. In seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ schrieb er: „Am 28. August 1749, kam ich mit dem Glockenschlage zwölf in Frankfurt am Main auf die Welt.“ Sein Geburtsbild ist ein Klassiker der Astrologie und gehört im Astrologiestudium zu den meist besprochenen Lehr- und Übungsbeispielen. „Neben Goethes Urteilsfähigkeit und seiner Gabe Geistiges geschmeidig zu fügen, wird dabei besonders sein Feinsinn herausgearbeitet. Ein Feinsinn, der sich in seiner ätherischen Stofflichkeit übrigens auch im Horoskop von Rudolf Steiner wieder finden lässt. Beide Männer haben den Fische-Mond im vierten Haus in ihrem Horoskop bei gleichzeitigem Skorpion-Aszendent und sind so astrologisch gesehen seelisch-geistig miteinander verwandt. Kein Wunder also, dass sich Steiner intensiv mit Goethe befasst hat“, sagt Thomas Otto Schneider. Goethe-Zitate finden sich auch im Astrologie-Band des TASCHEN-Verlages. So schrieb er 1771 an Johann Gottfried Herder: „Aber das – fühlen sie’s ganz - daß ich lieber Mercur sein wollte, der letzte, der kleinste vielmehr unter siebnen, der sich mit Ihnen um eine Sonne drehte, als der erste unter fünfen, die um den Saturn ziehn.“ Merkur ist der kleineste Planet in unserem Sonnensystem. Da er die Sonne am schnellsten umkreist, stellten sich ihn die Römer als leichtfüßigen Botschafter der Götter vor. Er ist Symbol des florierenden Handels verbindet gegensätzliche Kräfte.

Ein Horoskop macht individuelle Veranlagungen und Verhaltensformen und damit verbundene Lebenswege erkennbar. Es benötigt als Grundlage den Geburtstag, den Geburtsort und die Geburtszeit. Ein solches Geburtsbild bildet den Himmel zum Zeitpunkt der Geburt ab. Durch die Deutung des Geburtsbildes kann ich die Potenziale eines Menschen, seinen Charakter, seine Stärken und Talente beschreiben. „Wir kommen also nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt. Wir bringen inhaltlich alles mit. So ein Horoskop ist wie ein Samenkorn, sagen wir mal: das Samenkorn eines Baumes. Nur, was in diesem Samenkorn angelegt ist, kann sich im Verlauf des Lebens entfalten. Es kann an dem Baum kein einziger Ast wachsen, der nicht potenziell in dem Samenkorn veranlagt ist“, sagt Schneider. Der Aszendent ergibt sich aus der individuellen Geburtszeit und steht für die Veranlagung eines Menschen – er ist das Lebensthema. Das Sternzeichen hingegen stellt das Verhalten dar. Der Aszendent ist somit das „Was“, während das Sternzeichen das „Wie“ ist. „Das Verhalten ist gewissermaßen das Förderband der Anlagen“, so Schneider. Wie auch immer Menschen zur Astrologie stehen: Sie gehört zu unserer Menschheits- und Kulturgeschichte und lädt dazu ein, tiefer zu sehen und mehr in Zusammenhängen zu denken, denn oben und unten sind eine Ganzheit.

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Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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