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Die wichtigsten Informationen und Fakten zum Lastenrad

Lastenräder erleben heute ein Revival, weil immer mehr Menschen nachhaltiger leben möchten. Nach Angaben des Branchenverbands ZIV wurden im Jahr 2020 103.200 Lastenräder in Deutschland verkauft. Vor allem bei umweltbewussten Familien und Unternehmen werden sie immer populärer, denn sie sind wesentlich umweltfreundlicher, geräuschärmer und platzsparender als Kleintransporter, Autos, Lieferwägen oder -motorräder. In vielen Fällen können sie und speziell elektrisch unterstützte Cargobikes Dieseltransporter und andere Lieferfahrzeuge ersetzen. Erste Vorläufer gab es bereits im 19. Jahrhundert für den Transport von Backwaren, Post oder als Krankentransport. Ursprünglich kommen sie aus den Niederlanden, wo sie schon lange fest im Straßenverkehr etabliert sind. Nachfolgend die wichtigsten Fakten im Überblick

Es gibt viele Anwendungsbeispiele, bei denen Lastenräder zum Transport eingesetzt werden. Im Handwerk eignen sie sich zum Beispiel für kleinere Kundentermine und Lieferungen.

Mit dem veränderten Konsumverhalten und gestiegenen Kundenanforderungen ist auch das Entstehen neuer logistischer Knotenpunkte am Rand der Ballungszentren sowie der „same day delivery“-Anspruch verbunden. Dabei ist die letzte Meile - der logistische Fachbegriff für den Transport der bestellten Ware zur Haustür des Kunden – von besonderer Bedeutung. Eine Zustellung per Elektro-Lastenrad schafft für viele Probleme Abhilfe. Da die Fahrer der Lastenräder die Busspur und Fahrradwege benutzen und auch Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung befahren dürfen, ist die Zustellung häufig auch schneller als mit einem herkömmlichen Paketzustellfahrzeug.

Das Blumenversandunternehmen Fleurop verwendet Lastenräder beispielsweise für seinen Blumentransport. Viele kleine Geschäfte bauten in der Corona-Pandemie neue Lieferketten auf und entwickelten neue Geschäftsmodelle. So belieferte die kleine Buchhandlung Christiansen in Hamburg im Rahmen der Aktion „Altona bringt’s“ jeden Nachmittag Bestellungen mit dem Lastenfahrrad aus. Ein nachhaltiger Kundenansatz war und ist auch die Bestellmöglichkeit über die die Onlineplattform Regionale-Zukunft.de. Gemüse, Milch und Käse liefern Biohöfe aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg. Die Abo-Bio-Kisten mit Grundnahrungsmitteln und vorgekochten Mahlzeiten werden mit Transportfahrrädern und Lieferwagen zu den Kunden nach Hause gefahren.

Bereits seit September 2016 werden Bestellungen von Privat- und Gewerbekunden der memo AG mit Elektrolastenrädern ausgeliefert, die durch 100 % Ökostrom komplett emissionsfrei unterwegs sind. Die meisten Radlogistik-Unternehmen, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet bzw. eine Zusammenarbeit plant, sind Startups oder sehr junge Unternehmen. Seit einiger Zeit liefert die memo AG mit Lastenrädern auch in Würzburg, der „Heimatstadt“ des Versandhändlers. Zudem wurde mit Studierenden des Studiengangs Wirtschaftswissenschaften/Schwerpunkt Logistik der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt zusammengearbeitet: Neben einer umfassenden Umweltverträglichkeitsanalyse ermittelten sie im Rahmen ihrer Arbeit unter anderem geeignete Partner für die Zustellung, passende Lastenräder und sinnvolle Standorte für Micro-Hubs. Die große Herausforderung besteht für das Unternehmen darin, den kompletten Versandprozess mit den erforderlichen Schnittstellen zur Übermittlung der Versandinformationen und Kundenbenachrichtigungen organisatorisch und technisch abzuwickeln. Bisher werden die doppelten Versandkosten – für Paketdienstleister und Radlogistiker - nicht an die Kunden weitergegeben. Auch die Anschaffungskosten für eigene Elektrolastenräder trägt das Unternehmen selbst.

Lastenräder spielen auch in der Common- und Sharing-Economy-Bewegung eine wichtige Rolle. Ähnlich wie beim Car-Sharing ist es beispielsweise möglich, dass sich Menschen ein oder mehrere Lastenräder teilen. Die Gemeinschaften können ihr Lastenrad aber auch individuell zusammenbauen. Das spart Kosten für den Bau, den Unterhalt und die gemeinsame Nutzung. Es ist aber auch möglich, dass Lastenrad-Besitzer:innen ihr Lastenrad verleihen, wenn sie es gerade selbst es nicht nutzen. Auf der Plattform Velogistics.de können private und kommerzielle Anbieter*innen Lastenräder verleihen.

Die höheren Kosten für Schwerlastenräder sollten mit höheren Förderbeträgen berücksichtigt werden. Auch Beratungsleistungen zum Ausbau Lastenrad-basierter Logistikkonzepte benötigen eine Förderung. In verschiedenen Städten gibt es unterschiedliche Förderprogramme. Alternativ gibt es auch eine gewerbliche Förderung beim Land NRW. Alle Förderprogramme können bei der Stadt erfragt werden. Auf der Internetseite www.cargobike.de sind diese in einer Übersicht zusammengefasst.

Lastenräder und E-Cargobikes sowie innovative Akku-Wechselsysteme spielen eine wesentliche Rolle in nachhaltigen multimodalen Logistiksystemen. Die Forschung und Entwicklung auf der technischen sowie systemischen Ebene muss gestärkt werden, um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen weiter zu steigern. Darüber hinaus müssen auch Beratungsleistungen zum Ausbau Lastenrad-basierter Logistikkonzepte gefördert werden.

Lastenräder und Cargobikes sind ideal zum Transport von Einkäufen, schwereren Lasten oder für die Mitnahme von Kindern. Sie stellen eine umweltfreundliche und günstige Alternative zu Pkws und Dieseltransportern dar, und es wird ein schneller, zuverlässiger und nachhaltiger Warentransport vor allem in fahrradfreundlichen Städten gewährleistet. Der urbane Transport wird deutlich beschleunigt. Lärm, Verkehrsdruck und Abgase werden reduziert, und Verzögerungen durch Staus werden vermieden. Lange Parkplatzsuchen inklusive Kosten entfallen. Die Nutzer bleiben fit und gesund.

Fahrradkuriere von Essenslieferdiensten gehören inzwischen zum Stadtbild – einige Dienste versprechen sogar, dass sich die Kunden nicht mehr als zehn Minuten gedulden müssen. Allerdings sind die Arbeitsbedingungen der Kuriere, die solche Versprechen einlösen müssen, häufig prekär (hoher Zeitdruck, strenge Überwachung, Mindestlohn). Für die Auslieferung mussten bisher die eigenen Räder und Handys benutzt werden. Es gab nur eine Verschleißpauschale von 25 Cent pro Stunde für private Räder. Inzwischen sind Lieferdienste verpflichtet, Rad und Handy zu stellen.

Dass es auch anders geht, zeigen folgende Beispiele: Christoph Neimög hat zusammen mit seiner Mitgründerin Juliane Borths vor einigen Jahren in Rostock ein innovatives Kurier-Kollektiv gegründet: die „Cykelbude”. Seine inzwischen Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Nebenjob als Kuriere. 2021 wurde das Unternehmen von den Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeit (RENN) als Transformationsprojekt im Wettbewerb „Projekt Nachhaltigkeit 2021“ ausgezeichnet, weil der Kurierdienst „eine ökologisch-nachhaltige Warenlieferung für den Rostocker Innenstadteinzelhandel” etabliert hat.

In der Schweiz gibt es mit Swissconnect eine städteübergreifende, multimodale Expresslogistik: Fahrrad, Zug, Auto in der jeweils umweltfreundlichsten Kombination. Es wird nicht nur der schnellste und ökologischste Transport garantiert, sondern auch faire Arbeitsbedingungen der Kuriere gesichert. Dazu gibt es seit 2019 sogar einen Gesamtarbeitsvertrag der Velokuriere.

Rechtlich werden Lastenräder als Fahrräder betrachtet. Sie dürfen also auf dem Radweg fahren, das ist ein großer Vorteil im dichten Stadtverkehr. Allerdings sind Lastenräder und insbesondere die für Logistik und Transport interessanten Schwerlasträder breiter als normale Fahrräder. Benötigt wird eine Ladeinfrastruktur für E-Lastenräder sowie ein rechtlicher Rahmen, der die aktuelle und künftige Bedeutung von Lastenrädern berücksichtigt und die Bedingungen für die gewerbliche Nutzung von E-Cargobikes verbessert.

Lastenräder können zwei- oder dreirädrig gefahren werden, mit ohne oder ohne Motorhilfe. Auch gibt es sie in verschiedenen Größen. Es gibt eine Vielzahl von Anbietern von Lastenrädern, darunter Babboe aus den Niederlanden. Für Einsteiger eignet sich beispielsweise das Babboe Big. Wer schneller in Kurven fahren möchte, ist mit dem Babboe Carve gut beraten. Das Urban Arrow Familiy aus Amsterdam erstreckt sich über 2,60 Meter. Durch das kleine Vorderrad bleibt für die Transportkiste viel Platz. Die Kinder sitzen in der Box vor der Lenkstange auf Höhe der Pedale. Neben dem Dolly-Bakfiets, dem Vogue Bike, dem Johnny Loco und dem Soci Bike gehört zu den bekanntesten Transporträdern für Familien das Christiania Bike. In die Transportkiste passen hundert Kilogramm Einkäufe oder vier bis sechs Kinder.

Lastenräder benötigen eine eigene Infrastruktur und müssen in neue städtische Verkehrskonzepte entsprechend berücksichtigt werden. Es braucht bauliche Veränderungen für eine dauerhafte Integration in bestehende Verkehrssysteme.

Die Anschaffung eines Lastenrades ist in den meisten Fällen sehr teuer, deshalb entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, ihr Lastenrad selbst zu bauen. Im Internet gibt es eine Vielzahl von Bauanleitungen für Lastenräder. Die Initiative Werkstatt Lastenrad bietet beispielsweise umfangreiche Informationen mit Bauanleitungen für verschiedene Lastenradtypen. Der gemeinnützige Verein Taschengeldfirma e.V. in Neukölln hat seit einigen Jahren eine Projektfahrradwerkstatt auf dem Tempelhofer Feld, die sich mit eigenem Strom unabhängig gemacht hat. Hier werden alte Fahrräder auseinandergeschraubt und neue montiert. Als Jugendprojekt wurde hier ein E-Cargobike gebaut, das von allen Nachbarn genutzt werden kann. Im Bielefelder Traditions-Betrieb Patria gibt es E-Bikes und Lastenräder, die mittels eines Konfigurators nach eigenen Wünschen zusammengestellt werden können. Auch können direkt vor Ort alle Fertigungsschritte kontrolliert werden und die Fahrräder müssen zur Komplettierung nicht erst um die halbe Welt wandern.

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Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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