Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Die Wirkung von Charisma im Job: Wenn Universaldilettanten zu „Alleskönnern“ werden

© Pixabay

Eine charismatische Person genießt viele Vorteile. Doch in seinem Lebenslauf sollte man bei der Wahrheit bleiben – denn Charisma ersetzt keine Kompetenz.

Charismatische Persönlichkeiten haben viele evolutionäre Vorteile. Zu ihnen gehören auch hochgepriesene Unternehmenslenker wie Jack Welch, Thomas Middelhoff, Sam Altman, Adam Neumann, Elizabeth Homes oder René Benko. Doch Charisma muss eine Basis haben: Selbstdisziplin und Verantwortung. Denn wo ein gemeinsames Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung wirksam werden soll, müssen sich auch alle einzelnen Akteure zu ihrer persönlichen Verantwortung bekennen. 

Der Glanz der Blender

Da sich charismatische und mit einem großen Ego ausgestattete Menschen ihrer Wirkung bewusst sind, halten sie sich häufig nicht an elementare Umgangsformen. Sie sehen wie ein Zyniker die Welt arrogant von oben und gehen davon aus, dass Regeln nur für Dumme gemacht wurden. Auch polarisieren sie gern, sind eitel und denken, dass sie sich alles erlauben und sagen können. Dabei können viele eloquente Selbstdarsteller, die das ungestillte Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Einzigartigkeit wie die Luft zum Atmen brauchen, nichts richtig. 

Oft kokettieren sie sogar damit oder sind einfach nur gute Blender mit einer oft einer beunruhigenden Faszination. Sie setzen auf Abkürzungen und meiden alles, was Ausdauer und Geduld erfordert. Moderatoren wie Thomas Gottschalk brauchen keine Vorbereitung, wie sie selbst immer wieder betonen, denn sie agieren aus der jeweiligen Situation heraus. Das geht eine Weile gut, aber endet spätestens dann, wenn das Ganze umschlägt in Peinlichkeit: In jungen Jahren fällt es weniger auf – doch im Alter kommt die Wahrheit ans Licht. Das macht ihnen allerdings nichts aus, weil sie so sehr von sich überzeugt sind, dass sie die Meinung und Kommentare der anderen nicht interessiert. 

Als sie selbst noch jung waren, kritisierten sie Ältere, die keinen Platz für Jüngere machten und sich an ihrer Funktion festhielten. Nun überdauern sie sich selbst und haben niemals bessere Kandidaten zum Zuge kommen lassen – Auftreten schlägt Eignung. Viele von ihnen haben noch immer den Zeitgeist der „Egoshooter-Gesellschaft“ inhaliert, in der jeder um seine eigene Umlaufbahn kreist. Allerdings können sich solche Menschen auch nie verbessern, weil sie in ihren alten Mustern gefangen sind: Sie müssen nicht mehr lernen, weil sie sich immer selbst genug sind.

Sie führen durch Professionalität und Vorbild, Anstand und gesunden Menschenverstand. Bei Frank Elstner standen bei „Wetten dass ..?“ immer die Wetten und Gäste im Mittelpunkt – bei Thomas Gottschalk schien es immer, dass die Sendung um ihn herum gebaut wurde. Elstner war höflich, hatte einen guten Stil und immer ein Gefühl für den richtigen Moment und den Umgang mit Konflikten. Als in den 80er-Jahren jemand in seiner Sendung protestierte, sagte er: „Bei uns wird keiner rausgeschmissen“, und erwies sich auch als aufmerksamer Zuhörer. 

Gute Moderatoren und Führungskräfte haben viel gemeinsam

Gute Führungskräfte wenden für das Wissen-Wollen die stärkste Heuristik an und fragen: „Stimmt denn das?“ oder „Was kann ich künftig noch besser machen?“ Wissen „bewahrt sie vor Irrtümern“, sagt der Managementvordenker Fredmund Malik. Gute Führungskräfte und Moderatoren stützen sich bei ihren Aufgaben nicht auf Charisma (das nichts über Kompetenz aussagt), sondern führen sachlich und vernünftig durch Selbstdisziplin und vorbildhaftes Verhalten. Sie sehen es als ihre Pflicht an, Situationen zu meistern, Themen zu vermitteln, Gefahren abzuwenden oder Chancen zu nutzen.

Viele Menschen versuchen in ihren Bewerbungen gezielt Tätigkeiten und Projekte unterzubringen, die frei erfunden sind, Beschäftigungszeiten sind zu lang angesetzt oder fachliche Kompetenzen, Berufserfahrungen, Sprachkenntnisse und die Höhe des vorherigen Gehalts werden vorgetäuscht. Die kalkulierte Lüge ist für Personaldienstleister Werner Neumüller nicht nur unanständig, sondern auch dumm, weil sie „kurze Beine“ hat. Bevorzugt werden von seinem Unternehmen vor allem Kandidatinnen und Kandidaten, mit denen die eigenen Wertvorstellungen geteilt werden. 

Dass „Ehrlichkeit“ an erster Stelle steht, ist kein Zufall, denn gerade Personalabteilungen und -dienstleister haben es häufig mit Täuschungen zu tun

Leider stehen die Chancen für charismatische Blender zu allen Zeiten gut, denn ihr gewinnendes Wesen ist nicht zu unterschätzen. Viele Universaldilettanten gelten sogar als „Alleskönner“. Dabei sind sie nur das, was sie anderen vormachen. Sie werden hochgejubelt und strahlen so hell in die Köpfe derer, die zu ihnen aufschauen und dabei nicht bemerken, dass ihre Urteilskraft dabei überbelichtet wird. 

Doch der „Druck auf Unehrlichkeit und Unanständigkeit steigt“, ist Neumüller überzeugt. Die neuen Medien geben Selbstdarstellern zwar eine große Projektionsfläche, sie tragen allerdings auch dazu bei, dass sie schneller entlarvt oder „angezählt“ werden. Für den Philosophen Peter Sloterdijk sind die Zirkusleute in einer Welt des kollektiven Selbstbetrugs „die einzigen, die nicht schwindeln – wer auf dem Hochseil läuft, kann keinen Augenblick lang so tun als ob.“

Weiterführende Informationen:

  • Stolz: Über ein Gefühl zwischen Arroganz und Selbstachtung 
  • Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
  • Alexandra Hildebrandt: Die Wertevernichter. Wie gefährliche Managertypen ticken und was Unternehmen brauchen. Kindle Edition 2023.
  • Anett Kollmann: Mit fremden Federn. Eine kleine Geschichte der Hochstapelei. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2018.
  • Wolf Lotter: Strengt euch an! Warum sich Leistung wieder lohnen muss. Ecowin Verlag, Salzburg 2021.
  • Fredmund Malik: Gefährliche Managementwörter. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2017.
  • Fredmund Malik: Navigieren in Zeiten des Umbruchs. Die Welt neu denken und gestalten. Campus Verlag Frankfurt am Main 2015.
  • Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 145-158.
  • Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik Frankfurt am Main 2009.
  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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