Digitalisierung und Klimaschutz: Welche Anwendungen haben das Potenzial, die Umwelt zu entlasten?
Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung
Dem großen Einsparpotenzial digitaler Technologien steht gleichzeitig ein hoher Ressourcenverbrauch gegenüber: Die digitale Datenverarbeitung verbraucht große Mengen Energie für den Betrieb von Rechenzentren und für die Produktion und Nutzung von digitalen Geräten, was wiederum zu erheblichen Treibhausgasemissionen führt. Schon die Herstellung und der Betrieb digitaler Geräte machen bis zu vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Zudem benötigt die Herstellung digitaler Technologien den Abbau verschiedener Rohstoffe, was zu Umweltbelastungen wie Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung führen kann. Hinzu kommt die Entsorgung von Elektroschrott, was häufig zu Problemen wie Mülldeponierung und Recycling von giftigen Materialien führt. Allerdings haben einige digitale Anwendungen auch hohes Potenzial, die Umwelt zu entlasten, wie eine Auswertung der Metastudie „Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung“ zeigt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Technopolis Deutschland damit beauftragt, rund 200 Studien zu analysieren. In acht Themenfeldern wird gezeigt, welche digitalen Innovationen nach aktuellen Erkenntnissen ein positives Potenzial für Klimaschutz und Umweltentlastung zeigen. Dabei kam heraus, dass sich die Digitalisierung vor allem auf das Energiesystem, auf Gebäude und auf Emissionen des Verkehrs positiv auswirkt. In den meisten Bereichen fehlen jedoch belastbare Zahlen, um eine eindeutige Bilanz ziehen zu können.
Ergebnisse und Empfehlungen der Studie
- Digitale Apps für Sharing-Angebote stehen in dem Ruf, die Nutzung von Ressourcen zu optimieren.
- E-Fahrzeuge in Verbindung mit intelligenten Ladeverfahren tragen womöglich dazu bei, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.
- Die bisherige Datenlage sollte um Studien erweitert werden, die genauer analysieren, welche Potenziale die Digitalisierung im Bereich der Forschungsinfrastrukturen besitzt, um direkt und indirekt die Umweltbelastung zu verringern, die durch das wissenschaftliche Arbeiten entsteht. Konkrete Infrastruktureinheiten von Forschungseinrichtungen, etwa Rechenzentren, Labore, Teilchenbeschleuniger könnten hier wichtige Anhaltspunkte bieten, da sie sehr klimaintensiv sind.
- Intelligente Energiemanagementsysteme können die Effizienz erneuerbarer Energiequellen verbessern.
- Es braucht intensivere Forschung, die sich mit der Intersektion aus Digitalisierung, Forschungsinfrastrukturen und Nachhaltigkeit beschäftigt. Sie sollte stärker als bisher den ökologischen Fußabdruck digitaler Technologien berücksichtigen und unerwünschte Nebenwirkungen untersuchen. Nur dann ist es möglich, die Chancen der Digitalisierung realistisch zu bewerten.
- Für zukünftige Ansätze wird Interdisziplinarität empfohlen: Wie Digitalisierung als Katalysator für eine nachhaltige Zukunft genutzt werden könne ist nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit und Umsetzung, sondern besitzt auch „politische, rechtliche, soziale und psychologische Dimensionen".
- Der direkte Effekt von KI und digitalen Endgeräten (mit Blick auf Herstellung, Nutzung und Verwertung) auf das Klima „ist insgesamt negativ im Sinne von steigenden THG-Emissionen".
- Smarte Mess- und Steuerungstechnik und eine darauf aufbauende Gebäudeautomation bieten die Chance, den Wärme- und Stromverbrauch zu senken. „Smart Charging“ (das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen) könnte langfristig dabei helfen, die Emissionen aus fossilen Kraftwerken zu reduzieren, indem es Belastungsspitzen im Stromnetz vermeidet und die Gesamtleistung der Ladeinfrastruktur an Bedarf und Stromangebot angepasst verteilt.
- Die gesteigerte Effizienz, die durch digitale Anwendungen möglich wird, können auch schnell ins Gegenteil umschlagen. Befürchtet werden vor allem Rebound-Effekte.
- Stadtentwicklung und urbane Mobilität: Die Verschmelzung von Mobilitäts- und Energiesystemen zeichnet sich bereits ab. Technologisch stehen vor allem das Internet der Dinge (IoT), Smart Grid-Anwendungen und autonomes Fahren im Fokus der Forschung. Straßen können effizienter genutzt werden und Energieverbräuche von Fahrzeugen sinken, wenn Routen, Kolonnen oder Ampelschaltungen mithilfe Künstlicher Intelligenz optimiert werden. Die Umwelteffekte beim autonomen Fahren hängen allerdings davon ab, ob die neue Technik auch insgesamt die Zahl der Pkw und der gefahrenen Kilometer reduziert. Aufgrund der Fokussierung von Forschungsarbeiten auf den Individualverkehr fehlen vor allem Studien über die Potenziale digitaler Technologien im öffentlichen Nahverkehr. Künftig sollten die Bereiche Carsharing, Güter- und Busverkehr verstärkt betrachtet werden.
- Die klimaintensive Produktion von digitalen Technologien findet oft in anderen Ländern statt. Zukünftige Forschung zur Klimawirkung von Digitalisierung sollte deshalb verstärkt die Verlagerung der Emissionen in der Produktion sowie Rebound-Effekte in den Blick nehmen.
Die Möglichkeiten, die neue Technologien im Bereich Klimaschutz heute bieten, sind vielfältig und faszinierend.
So kann über Satellitendaten und mithilfe von Computerprogrammen der Zustand unserer Böden, Flächen und Städte besser erfasst werden – darin steckt enormes Potenzial für ein zeitgemäßes Umweltmanagement. Nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung heißt aber auch, dass sie dem Gemeinwohl und Frieden dient, Datenschutz ernst nimmt und soziale und ökologische Ziele gleichermaßen fördert. Sie sollte demokratisch gestaltet werden, demokratische Prozesse unterstützen und konsequent darauf ausgerichtet werden, dezentrale Teilhabe, offene Innovationen und zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern. Sie erfordert aber auch die Änderung von Denkmodellen. Für Unternehmen und Organisationen bedeutet das eine radikale Prüfung von grundsätzlichen Sichtweisen und die Betrachtung bisheriger Geschäftsmodelle. Die Mader GmbH & Co. KG, ein Spezialist für Druckluft und Pneumatik, konnte vor Jahren bereits große Fortschritte in der internen Digitalisierung vorweisen - ebenso eine klare Vision für die Digitalisierung der Druckluftkette. Dennoch brauchte es, um den aktuellen Industrieanforderungen gerecht zu werden, eine strategische Weiterentwicklung sowie neue Formen der Zusammenarbeit und des Austausches. 2018 wurde die LOOXR GmbH gegründet, wo die digitale Transformation mit einem innovativen, datengetriebenen Geschäftsmodellkonsequent fortgesetzt wird. LOOXR ermöglicht nicht nur erhebliche Einsparungen von bis zu 50 Prozent bei Energie- und Betriebskosten mittels digitaler Luft. Als eigenständiges Unternehmen erweitert das Startup das Angebot des Mutterunternehmens und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit beider Firmen. Zudem fungiert es auch als zentraler Ansprechpartner bei Fragen zur Digitalisierung, die auf den Umwelt- und Klimaschutz einzahlt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbessert.
Das Beispiel zeigt vor dem Hintergrund der Studie, dass Unternehmen auch den Blick für das unternehmerische Gesamtsystem und ein Bewusstsein für Digitalisierungs- und Veränderungsnotwendigkeit haben müssen, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein wollen. Die fortschreitende Digitalisierung muss allerdings so gestaltet werden, dass sie die Energie-, Mobilitäts- und Agrarwende und den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft unterstützt und beschleunigt. Überlebensfähig ist heute nur, wer vorausschauend handelt, kontinuierlich mit neuen und relevanten Produkten sowie Dienstleistungen begeistert und neue Märkte erschließt. Zugleich zeigt das Beispiel aber auch die urbane Innovationsfähigkeit aller Beteiligten, denn es wurden jene Innovationen erkannt und nutzbar gemacht, die nachhaltige Vorteile mit sich bringen und damit auch die Zukunftsfähigkeit und die Standortvorteile einer Region stärken.
Weiterführende Informationen:
- Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Technopolis Deutschland: Metastudie „Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung“
- Warum Digitalisierung und Innovationen zusammengehören
- Wie meistern Unternehmen die grüne Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft?
- Antriebskräfte der Transformation: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovation
- CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag. 2. Auflage. Berlin, Heidelberg 2021.
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
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