Earth for All Deutschland: Zur Dringlichkeit einer radikalen Umgestaltung unserer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme
Die Überschreitung
Der Club of Rome ist einer der bekanntesten Thinktanks der Welt. Er wurde 1968 als gemeinnützige Organisation von Industriellen, Diplomaten und Wissenschaftlern gegründet mit dem Ziel, sich für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen. Heute gibt es maximal 100 Vollmitglieder, die sich gemeinsam mit dem Präsidenten und Vizepräsidenten sowie Ehrenmitgliedern einmal jährlich treffen. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen wie Entwicklungsökonomie, Klimafolgenforschung, Erdsystemwissenschaft, Umweltpsychologie, Wirtschaftswissenschaft, Bauphysik, Nachhaltigkeitsanalyse, Klimastrategie, Chemie oder Energiepolitik. Als im Jahr 1972 die "Grenzen des Wachstums", der erste Bericht des Club of Rome des Ökonomen Dennis L. Meadows und seiner Frau Donella und den Mitautoren Erich Zahn und Peter Milling veröffentlicht wurde, sahen einige darin den Beginn der Apokalypse und andere einen Weckruf an unsere Gesellschaft. Darin forderten Experten aus verschiedenen Disziplinen und Ländern mehr Nachhaltigkeit für eine lebenswerte Zukunft, um den Kollaps der Erde zu verhindern. Der deutschen Club of Rome wurde 1978 gegründet. "Vom Wissen und Denken zum Handeln" - unter diesem Slogan sollen Räume geschaffen werden, um nicht nur Lösungswege aufzuzeigen, sondern sie auch umzusetzen. In Deutschland bekannte Mitglieder des Club of Rome sind u.a. Hans Joachim Schellnhuber, Peter Hennicke, Christian Berg, Stefan Brunnhuber und Ernst Ulrich von Weizsäcker.
Mit der Veröffentlichung dieses zentralen Meilensteins der Nachhaltigkeit im Jahr 1972 entstanden aber auch die ersten Umwelt- und Klimakonferenzen, und es wurden Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegründet. Die Millenniums-Entwicklungszielen der UN und das Pariser Klimaabkommen 2015 sind ebenfalls eng damit verknüpft. Im Laufe der Jahre wurde der Report immer wieder aktualisiert, fortgeschrieben und in Studien wissenschaftlich bestätigt. Heute haben wir sechs von neun planetaren Grenzen, die das Leben auf der Erde unterstützen, überschritten. Es ist deshalb dringlich, dass wir uns nicht nur mit der Umwelt befassen, sondern auch mit der Verbindung zwischen der Klimakrise, der Erschöpfung der Ressourcen und sozialer Ungleichheit.
Aktuelle Herausforderungen
- Wachsende Armut und zunehmender Hunger
- Wandel des Ernährungs- und Agrarsystems (große Ungleichheit: 821 Millionen Menschen sind weltweit unterernährt – dem gegenüber stehen zwei Milliarden übergewichtige oder adipöse Menschen)
- klimatische und ökologische Folgen (Verlust von Biodiversität und Pandemien)
- Steigendender Handlungsdruck der Gesellschaft (das Zeitfenster, in dem wir noch eine Möglichkeit haben, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schließt sich schnell oder ist vielleicht schon geschlossen).
- Klimaschutzlücke in Deutschland: 45 Prozent der Treibhausgasemissionen konnten gegenüber 1990 reduziert werden, gemäß Klimaschutzgesetz ist bis 2030 eine Reduktion um weitere 20 Prozentpunkte notwendig, bis 2045 muss Treibhausgasneutralität erreicht werden
- Multiple globale Krisen und geopolitische Spannungen
- Steigende Lebenshaltungskosten
- Steigende Nachfrage nach Rohstoffen
- soziale Spannungen
- Polarisierung von Gesellschaften
- Populismus
- Wachsende Ungleichheit (die reichsten Gesellschaften verbrauchen die meisten Ressourcen und tragen nur einen Bruchteil der Konsequenzen)
- Vertrauensverlust (erschwertes Vertrauen in die Demokratie).
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen wurde im Jahr 2022 Earth4All gegründet.
Es baut auf dem genannten Erbe auf, indem es einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz fördert, der ökologische Nachhaltigkeit und soziales Wohlergehen integriert. Ein Jahr vor der Bundestagswahl blickt der Club of Rome nach Deutschland. Der aktuelle deutsche Earth4All-Bericht („Earth for All Deutschland“ ) bietet praktische Lösungen, die auf den deutschen Kontext zugeschnitten sind. Basierend auf umfangreichen Daten und Modellierungen werden zwei Zukunftsszenarien für Deutschland entworfen: einen fatalen Weg des »Weiter so« oder mutige, echte Veränderungen. Basis der Prognosen ist eine umfassende Studie in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut, die umfangreiche ökologische und sozio-ökonomische Daten auswertet. Das Buch „Earth for All Deutschland. Aufbruch in eine Zukunft für Alle“ gibt zahlreiche Impulse und zeigt, wie Transformationswege gestaltet werden können, um mögliche Konflikte zu reduzieren und Synergien zu erschließen.
Aufgaben und Maßnahmen für eine lebenswerte Zukunft:
- Verringerung und Beendigung der Armut
- Bildung muss bereits in der jüngsten Generation beginnen (Vermittlung, dass ihr individuelles Handeln globale Auswirkungen haben kann)
- Vollständige weltweite Defossilisierung
- Stärkung der Demokratie
- Transformation des globalen Energiesystems (Übergang zum Einsatz sauberer Energie)
- richtige Entscheidungen zwischen Fakten und Fiktion (Fehl- und Falschinformationen)
- Ermächtigung (z.B. Empowerment der Frauen)
- Echte Gleichstellung
- Mehr Gleichheit und Gerechtigkeit (die reichste Milliarde Menschen verbrauchen 72 Prozent der globalen Ressourcen - für die ärmsten 1,2 Milliarden Menschen bleibt dagegen gerade ein Prozent der Ressourcen)
- Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems
- Politik muss wirtschaftlichen Fortschritt mit ökologischer Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit in Einklang bringen
- Bereitschaft für einen weitgehenden Umbau zentraler Produktionsprozesse
- Sparsamer Umgang mit Ressourcen
- Sustainability Skills: Stärkung der Schlüsselkompetenzen für nachhaltiges Management
- Verständnis von und die Anpassung an das komplexe Zusammenspiel von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Systemen
- Gerechte und faire Gestaltung der Transformation
- Massive Erhöhung der Umsetzungsintensität zur Erreichung des Klimaziels
- Beseitigung der eklatanten Ungleichheit (mehr Gleichheit auch beim Einkommen)
- Substanzielle Anpassung von etablierten Verhaltensmustern und Routinen
- Gegenseitige Verstärkung sozialer Fortschritte und Nachhaltigkeit
- Zirkuläre Ökonomie (Kreislaufwirtschaft)
- Zukunftsinvestitionen in unsere technischen, sozialen und kulturellen Infrastrukturen, vor allem in Kommunen
- Kollektives Zusammenarbeiten (bessere Bildung, kritisches Denken und komplexes Systemdenken)
- Zusammendenken von Gerechtigkeit und ökologischen Fragen.
Das Buch:
- Club of Rome (Hrsg.), Wuppertal Institut (Hrsg.): Earth for All Deutschland. Aufbruch in eine Zukunft für Alle. Oekom Verlag, München 2024.
Weiterführende Informationen:
- Der Zustand der Erde – eine schonungslose Diagnose
- Endlichkeit schafft Dringlichkeit: Warum die Wirtschaft jetzt handeln muss
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
- Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
- Ernst Ulrich von Weizsäcker: Faktor Fünf. Die Formel für nachhaltiges Wachstum. Unter Mitarbeit von Cheryl Desha und Peter Stasinopoulos. München 2010.
- Zukunft Stadt: Die globale und lokale Bedeutung von SDG 11. Wie die sozialökologische Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft gelingen kann. Handlungsempfehlungen – Chancen – Entwicklungen. Hg. von Alexandra Hildebrandt, Matthias Krieger und Peter Bachmann. SpringerGabler. Berlin, Heidelberg 2025.
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