Ein Theaterstück namens Alice Weidel
Der französische Philosoph Henri Bergson ist unter anderem bekannt geworden für seine Theorie des Komischen. Komisch ist nach Bergson zum Beispiel, wenn Aufwand und Ertrag, Anspruch und Wirklichkeit zueinander in einem Missverhältnis sich befinden. Deshalb lachen wir zum Beispiel, wenn ein Angler mit großem Kraftaufwand an seiner Angel zieht, weil der Gegenzug so stark ist, in der Erwartung, am anderen Ende der Angelrute sei der große Fisch am Haken. Wenn der Angler dann die Rute aus dem Wasser zieht, kommt eine Blechdose zum Vorschein. Bei Alice Weidel kommt auch immer wieder dieses Missverhältnis zum Vorschein wie jüngst bei ihrer Rede über den vermeintlichen Hass der Regierung auf Deutschland. Ihr Anspruch ist, wie eine strenge, entschlossene und überlegende Levitenleserin zu erscheinen. Deutschland wird von Idioten regiert, hat sie einst im Bundestag gesagt, und sie weiß alles besser. Deswegen klagt sie an, dass Deutschland brenne, die geschundenen Leistungsträger am Ende seien, als deren Anwalt sie sich und ihre Partei grundsätzlich versteht, und dass die Medien den Protest der Landwirte und Spediteure verschweigen würden. Stattdessen sei die AfD mal wieder Opfer, Opfer der angeblichen Schmutzkampagne von Correctiv. Sie arbeitet auch mit eingeübten Pausen und zerdehnt als Hervorhebung jene Wörter, die ihr besonders wichtig erscheinen, vor allem Schlüsselwörter wie Steuerzahler.
Mit ihrem Körper kann sie diese gewünschte Kraft und ihre Levitenleserei jedoch nicht ausdrücken. Er kann ihr Angriffsvokabular nicht in Körpersprache übersetzen. Zu steif sind wieder einmal ihr Oberkörper und ihr Hals, und auch ihre Schultern sind alles andere als locker. Alles zusammen erscheint wie eine Verpanzerung ihres Körpers. Wenn wir vor Kraft strotzen und angriffslustig sind, öffnet sich unsere Brust, sie dehnt sich aus und wir zeigen uns mit flüssigen Bewegungen ungeschützt. Denn wir fühlen uns sicher. Bei Alice Weidel will der Oberkörper aber nicht jede Bewegung ihres Kopfes mitmachen, so als müsste sie sich schützen. Gerade dieses Missverhältnis offenbart, wie einstudiert ihre Aggressivität ist. Alice Weidel spielt eine Rolle in einem Stück, das ihren eigenen Namen trägt.
Alice Weidel beklagt zwar richtigerweise die Rezession in diesem Land, aber die wesentlichen Ursachen wie die Sparpolitik und fehlende Investitionsbereitschaft der Regierung und die Zinserhöhung durch die EZB spricht sie nicht an. Gerade die EZB, die doch sonst so oft als Feindbild und Geißel der deutschen Steuerzahler und Sparer für Alice Weidel bisher herhalten musste, erwähnt sie mit keinem Wort. Und nicht nur das: Auch kein Wort liefert Alice Weidel dazu, dass man in eine Krise nicht hineinsparen darf. Kein Wort darüber, dass man in einer guten wirtschaftlichen Situation den Leitzins erhöhen kann aber nicht in einer Krise. Kein Wort darüber, dass Deutschland in Europa darauf beharrt, die Schuldenquote von 60 Prozent einzuhalten, was die meisten europäischen Partnerländer gar nicht können. Kein Wort darüber, dass Finanzminster Christian Lindner einfach nicht zu verstehen scheint, wie wenig böse Schulden beim Kampf gegen eine Rezession eigentlich sind, als Folge seines monetaristischen Denkens und das seiner Berater aus der Denkschule der neoklassischen Angebotsökonomie. Alice Weidel sagt es nicht, weil sie es selbst nicht versteht. Deswegen muss Christian Lindner auch vor den Landwirten das Märchen von den faulen Arbeitslosen erzählen. Deswegen muss Alice Weidel auch umso mehr die Migranten zu Sündenböcken machen. Weil Alice Weidel diese volkswirtschaftlichen Zusammenhänge nicht versteht, taugt die AfD auch nicht als Oppositionspartei und sie nicht als Levitenleserin.
Wegen dieses Missverhältnisses zwischen Anspruch und Wirklichkeit grimmasiert Weidel auch so augenscheinlich und verpasst den richtigen Moment, ihren geplanten Höhepunkt zu setzen: „Ich sag Ihnen auch warum“, kündigt Weidel die Antwort an, warum die Regierung die Bürger im Stich lässt, und fällt in ein kurzes Loch. Ihre Stimme bricht bei dem Wort Warum, als hätte sie für einen kurzen Moment den Faden verloren. „Weil sie Ihr eigenes Land hassen“, kommt es dann mit kurzer Verzögerung. Hatte Weidel wie eine nicht ausreichend vorbereitete Schauspielerin ihren Text nicht richtig im Griff? Stimmte ihr Atemtraining nicht? Auch deswegen wird Weidel mit diesem Schauspiel immer mehr zu ihrer eigenen Karikatur, die im besten Sinne Henri Bergsons nur zum Lachen ist.
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