Energie sparen im Bereich Druckluftanwendungen – was Experten empfehlen
Bereits bei der Auswahl von Druckluft- und Pneumatik-Komponenten und Überprüfung der aktuellen Druckluftversorgung kann viel dafür getan werden, weniger Energie zu verbrauchen.
„Wie hoch ist der Systemdruck?“ ist eine zentrale Frage im Rahmen von Energieeffizienzanalysen.
Die Erfahrungen von Jochen Zwicker, verantwortlich für den Produktbereich Pneumatik beim Leinfeldener Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader, und Magnus Backes, hier Projektmanager im Bereich Drucklufttechnik, zeigen, dass Systemdrücke von 8 bis 10 bar auch heute noch verbreitet sind - obwohl moderne Anlagen und Geräte oft mit 6 bar auskommen würden. Dabei erfordert ein 1 bar höherer Systemdruck sechs Prozent mehr Energie. Eventuell vorhandene Engstellen im Rohrsystem oder falsch dimensionierte Maschinenanschlüsse müssen nach Ansicht der Experten vermieden oder beseitigt werden. Der Gesamtdruckluftverbrauch könnte durch dieses Verfahren einfach reduziert werden.
Die selbstverständliche Reparatur tropfender Wasserhähne gilt bei Lecks in Druckluft-Rohrleitungen nicht zwangsläufig. Leckagen mit einem Gesamtdurchmesser von 2 Millimeter verursachen bereits jährliche Energiekosten von 1.700 Euro (Betriebsdruck: 7 bar, Stromkosten: 0,10 €/kWh). Je mehr Leckagen in der Leitung, umso mehr Druckluft produziert der Kompressor umsonst. Ob und wie groß der Druckluftverlust durch Leckagen ist, kann im Rahmen einer Druckluftverbrauchsmessung ermittelt werden.
Die richtige Dimensionierung ist besonders wichtig bei einer energieoptimierten Druckluftprozesskette.
Während einerseits die Aussage vor allem auf die Auslegung des Kompressors und der gesamten Druckluftversorgung bezogen ist, gibt es auch Optimierungsbedarf bei der Auswahl von Pneumatikprodukten. „Ein zu groß ausgelegter Zylinder verbraucht unnötig Druckluft und damit Energie. Ist er dann auch noch doppeltwirkend, obwohl ein einfachwirkender Aktor für die Anwendung ausreichen würde, wird sprichwörtlich doppelt Energie verschwendet. Auch sollte bei der Auswahl von Komponenten darauf geachtet werden, dass sie zueinander passen. Wenn ich einen Gewindeanschluss von ein Achtel Zoll benötige, macht es keinen Sinn einen Schlauch mit einem Durchmesser von zehn Millimetern zu verwenden“, so die Druckluftexperten.
Möglichst kurze Leitungslängen sowie die richtige Wahl des tatsächlich notwendigen Schlauchdurchmessers tragen maßgeblich zu einer energieoptimierten Nutzung von Druckluft bei. Verschraubungen, Kupplungen oder Abgänge verengen den Leitungsdurchgang, wodurch der Kompressor Mehrarbeit leisten muss. Zudem stellen die Komponenten immer auch ein zusätzliches Leckagerisiko dar. Hier gilt: Weniger ist mehr!
Echtes Einsparpotenzial findet sich beim Thema individuelle Druckregelung.
Während sich der allgemeine Leitungsdruck üblicherweise am Druckbedarf des größten Abnehmers orientiert, kommen einige Arbeitsplätze und Geräte mit weniger Druck aus. Eine individuelle Regelung mit Hilfe von Druckreglern kann sich nach Ansicht der Experten nicht nur aus energetischen Gründen lohnen. Vielfach schont man damit auch die angeschlossenen Verbraucher und verlängert deren Lebensdauer. „Beispielhaft ist der Einsatz von Druckbegrenzern bei Ausblaspistolen. Der Druck wird direkt an der Blaspistole reduziert, es wird weniger Druckluft verbraucht. Weiterer Vorteil: Der Geräuschpegel sinkt. Mit einer solch einfachen Maßnahme, kann je Blaspistole beim Einsatz der richtigen Düse bis zu 55 Prozent Druckluft eingespart werden“, so Zwicker und Backes.
Auch bei der Aufbereitung der Druckluft gilt der Grundsatz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Jeder zusätzliche Filter im System erzeugt eine Druckdifferenz, erfordert damit mehr Kompressorleistung und ist darüber hinaus ein potenzieller Leckageort. Die Druckluftexperten propagieren eine sinnvolle Auslegung der Druckluftaufbereitung entsprechend des Qualitätsbedarfs am Verbrauchsort.
Dass die regelmäßige Wartung der Druckluftanlage vor Ausfällen schützen und die Lebensdauer der Anlage verlängern kann, versteht sich von selbst. Dass aber auch kleinere Wartungsarbeiten wie regelmäßige Sichtkontrollen bei Wartungsgeräten zur langfristigen Stabilität und energieoptimiertem Betrieb beitragen, wird oft vergessen. Empfohlen wird deshalb der regelmäßige Austausch von zugesetzten Filtern und der Einsatz von automatischen Kondensatablässen, die sich selbsttätig entleeren.
Der Einsatz von Durchflussmessern als Teil von Druckluftwartungseinheiten ermöglicht die permanente Kontrolle des Luftverbrauchs und Vergleich mit den Sollwerten im System. Dadurch können Leckagen schnell erkannt, geortet und beseitigt werden. Das ist Druckluft-Monitoring im kleinen Stil. „Perfekt aufgestellt ist man mit einem professionellen Monitoring-System, das alle relevanten Druckluftmesswerte im gesamten System überwacht und Alarm schlägt, sobald Grenzwerte über- bzw. unterschritten werden.“
Eine vielfach unterschätzte Maßnahme zur Energieeinsparung ist das Abschalten des Kompressors, sobald keine Druckluft verbraucht wird.
Durch den Einsatz übergeordneter Kompressorensteuerungen oder geregelter Kompressoren könne der Stromverbrauch deutlich gesenkt werden. Der Kompressor läuft nur, wenn tatsächlich Luft verbraucht wird und produziert auch wirklich nur so viel Druckluft wie benötigt wird. Eine weitere, schnell wirkende Maßnahme ist der Einsatz eines elektrischen Kugelhahns direkt nach der Drucklufterzeugung. So können zum Beispiel in der Pause unkompliziert einzelne Anlagen oder komplette Bereiche abgesperrt werden. Der Kompressor hat ebenfalls Pause, muss aber nicht komplett abgeschaltet werden. Ohne die Absperrung würde der Kompressor weiterhin Druckluft produzieren, um entweichende Druckluft z.B. durch Leckagen zu kompensieren.
Das Problem ist meistens eine ineffiziente Verteilung, die den Energiebedarf unnötig in die Höhe treibt.
Bis zu 75 Prozent der Wärme verschwinden nutzlos. Die Lösung ist eine Nutzung der Abwärme aus den Produktionsprozessen, um den Bedarf an Wärme oder Kälte an anderer Stelle zu decken. Technisch unterstützt ein Wärmetauscher. „Kleinere Motoren bis 100 Kwh kosten bis zu 10.000 Euro und amortisieren sich in den ersten Jahren. Größere Motoren überbrücken auch längere Wege, benötigen allerdings Peripheriegeräte und rechnen sich ebenfalls – allerdings erst nach mehreren Jahren.“
Weiterführende Informationen:
Klimaneutrales Deutschland: Nachhaltige Maßnahmen im Energiesektor
Digitale Geschäftsmodelle für die Industrie
Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2021.
Ulrike Böhm: Ein Mittelständler digitalisiert sich – Von Erfolgen, Hürden und Nachhaltigkeit. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2019.