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Serendipity-Mindset: Das Unerwartete in positive Ergebnisse umwandeln. - ©The Good Brigade/Getty Images

Erwarte das Unerwartete – und erkenne das, was Dich bisher daran gehindert hat!

Die Art und Weise, wie Du mit dem Unerwarteten umgehst, definiert, wer Du bist.
Hubert Joly, ehemaliger CEO, BestBuy

Menschen lieben Sicherheit. Wir wissen gern, wo die Reise hingeht. Was aber, wenn eine andere Kraft viel wertvoller für uns ist? Erst der Umgang mit dem Unerwarteten macht uns wirklich zukunftsfähig.

In meiner Forschung über die Frage, was Individuen und Organisationen zukunftsfähig macht, taucht eine Erkenntnis immer wieder auf: Viele der weltweit führenden Köpfe haben eine oft unbewusste Fähigkeit entwickelt, das Unerwartete in positive Ergebnisse umzuwandeln. Die Entwicklung dieses "Serendipity-Mindsets" ist eine Fähigkeit, die du selbst formen und fördern kannst.

Du achtest wahrscheinlich bereits jeden Tag auf das Unerwartete, aber nur als Abwehrmechanismus. Zum Beispiel, wenn du an einer viel befahrenen Straße einen Fußgängerüberweg benutzt und nach dem Autofahrer Ausschau hältst, der bei Rot über die Ampel rasen könnte. Ziele und Routinen geben uns Sicherheit. Diese "Wachsamkeit" gegenüber dem Unerwarteten steht im Mittelpunkt des Verständnisses der Wissenschaft vom intelligenten Glück, der sogenannten “Serendipität”.

Serendipität ist eine treibende Kraft bei großen wissenschaftlichen Entdeckungen. Zugleich ist sie ist auch in unserem Alltag präsent. Wir finden oft unerwartet die Liebe, Mitgründer·innen, einen neuen Job, eine neue Idee oder Geschäftspartner·innen. Man könnte Serendipity für passives Glück halten, das einem einfach so widerfährt, während es in Wirklichkeit ein aktiver Prozess des Erkennens und Verbindens von Punkten ist. Es geht darum, Brücken zu sehen, wo andere Lücken sehen, und dann die Initiative zu ergreifen und zu handeln, um intelligentes Glück zu schaffen.

In meinem letzten Beitrag habe ich einige Strategien beschrieben, die uns helfen können, Serendipität in unserem Leben zu kultivieren. Aber es gibt Hindernisse, die uns davon abhalten, mehr intelligentes Glück zu erleben. Dabei geht es zum Teil darum, physische oder soziale Hindernisse zu beseitigen, wie zum Beispiel überladene Terminkalender, sinnlose Besprechungen und ineffiziente Tagesabläufe, die uns die Zeit, die Neugier und das Gefühl der Freude rauben. Vor allem aber geht es darum, mentale Barrieren zu beseitigen. Ein unvorbereiteter Geist verwirft oft ungewöhnliche Begegnungen und verpasst so die Chancen für intelligentes Glück.

Es gibt drei wichtige selbstbegrenzende Hindernisse, die uns davon abhalten können, mehr intelligentes Glück zu erleben. Sie klingen etwas trocken – aber sind das Gegenteil davon.

Es ist ganz natürlich, das Unerwartete zu unterschätzen, aber wenn man das tut, blendet man Möglichkeiten aus, intelligentes Glück zu schaffen. Ja, es ist unwahrscheinlich, dass am Tag deiner großen Präsentation Zoom abstürzt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Person, die deine Präsentation bewerten sollte, krank wird. Es ist unwahrscheinlich, dass du kurz vor der Präsentation Kaffee über deinen Laptop schüttest. Aber wenn du alle diese unwahrscheinlichen Ereignisse zusammenzählst, wird es relativ wahrscheinlich, dass etwas Unerwartetes passiert. Erfahrene Präsentator·innen haben oft einen Witz parat, wenn etwas schief geht – denn sie wissen, dass dies oft der Fall ist – und bringen so das Publikum auf ihre Seite.

Die gleiche Logik gilt für all die guten Dinge, die im Laufe des Tages passieren können. Erst wenn wir akzeptieren, dass das Unerwartete ständig passiert, fangen wir an, es zu sehen. Nehmen wir als Beispiel eine britische Studie, an der zwei Personen teilnahmen: eine, die sich als "Glückspilz" ansah, und eine, die sich als "Pechvogel" bezeichnete. Die Forscher baten beide Teilnehmenden, getrennt voneinander ein Café aufzusuchen, vor dem sie Geld – einen 5-Pfund-Schein – auf den Bürgersteig gelegt hatten. Drinnen saß ein erfolgreicher Geschäftsmann an einem Tisch neben dem Tresen. Als die „Glückspilz-Person“ sich dem Geld näherte, entdeckte sie es, und nahm es mit. Drinnen bestellte sie einen Kaffee, setzte sich neben den Geschäftsmann und begann ein Gespräch mit ihm.

Die "Pechvogel-Person" hingegen bemerkte weder das Geld noch begann er ein Gespräch mit dem Geschäftsmann. Später fragten die Forscher beide Teilnehmenden, wie ihr Tag verlaufen sei. Die "Glückspilz-Person" berichtete, dass sie einen tollen Tag hatte – sie hatte Geld auf der Straße gefunden und einen neuen Freund gewonnen (der ihr weitere Möglichkeiten eröffnen könnte). Die "Pechvogel-Person" hingegen beschrieb den Tag als ereignislos. Obwohl also beide Teilnehmenden die gleichen (unerwarteten) Chancen hatten, war nur einer in der Lage, sie wahrzunehmen.

Wenn wir Geschichten über vergangene Ereignisse konstruieren, tun wir oft so, als gäbe es einen linearen Verlauf, obwohl die Realität höchstwahrscheinlich einem verschlungenen Pfad folgte.

Source: Busch, 2020; Sharp, 2019.
Source: Busch, 2020; Sharp, 2019.

Dies kann dazu führen, dass wir Ereignisse als vorhersehbarer wahrnehmen, als sie tatsächlich waren ("hindsight bias"). Wir konstruieren Erzählungen, die alles auf bequeme Weise erklären und die Rolle des Zufalls ignorieren. Diese sogenannte Post-Rationalisierung entspricht unserem menschlichen Bedürfnis, im Unbekannten Vertrautes zu finden und Anomalien zu kontrollieren. Wenn du jedoch die vielen unerwarteten Ereignisse aus deinen Erzählungen ausblendest, verkennst du die Bedeutung des Unvorhersehbaren und kannst daher die entscheidende Rolle, die der Zufall in deiner Zukunft spielen kann, nicht erkennen. Versuch doch mal, dich selbst und andere zu fragen, was dich in der vergangenen Woche überrascht hat. Man weiß nie, was aus diesen Momenten entstehen kann.

Wenn wir im Alltag ein Werkzeug benutzen, sind wir sehr an seine übliche spezifische Funktion gewöhnt, dass wir oft nicht in der Lage sind, seine Nützlichkeit in anderen Kontexten zu erkennen - oder dass es effektivere Werkzeuge geben könnte ("funktionale Fixierung"). In ähnlicher Weise hat die Forschung gezeigt, dass Menschen, die mit bestimmten Problemlösungsstrategien vertraut sind, selten einfachere Strategien entwickeln, selbst wenn das sinnvoll wäre. Mit anderen Worten: Wir gehen oft die "harte Tour", einfach weil wir sie kennen. Aber eine wesentliche Voraussetzung für „kluges Glück“ ist die geistige Beweglichkeit, Fantasie zu zeigen und zu erkennen, wie ein Werkzeug auf eine neue Art und Weise eingesetzt werden kann. Denke an Figuren wie Lara Croft oder James Bond, die jeden gewöhnlichen Gegenstand in eine tödliche Waffe verwandeln können. Das ist zwar ein Hollywood-Klischee, aber wir sind trotzdem von diesen Figuren beeindruckt, weil wir ihr Talent und ihren Einfallsreichtum erkennen ... und vielleicht auch, wie unwahrscheinlich es ist, dass wir in ihrer Situation auf dieselbe Lösung gekommen wären. Deine eigene Kreativität wird gedeihen, wenn du die physischen und mentalen Werkzeuge, mit denen du am meisten vertraut bist, in Frage stellst, und dir erlaubst, neu und anders zu denken und zu arbeiten.

Wenn wir diese drei Hindernisse überwältigen, kann sich das Unerwartete von einer Bedrohung in einen Verbündeten verwandeln – und zu einer Quelle von Möglichkeiten, Freude und Sinnfindung werden.

Mehr dazu erfährst du in dem Buch „Connect the Dots: The Art & Science of Creating Good Luck" (Penguin Random House, 2022) und auf der Serendipity Mindset Homepage.

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Prof. Dr. Christian Busch schreibt über Job & Karriere, Wirtschaft & Management, Serendipity & Glück, Lebenswertes

Prof. Dr. Christian Busch ist der Autor des Manager Magazin Bestsellers 'Erfolgsfaktor Zufall' ("lebensverändernd"; Arianna Huffington). Er lehrt an der University of Southern California und der LSE, ist Mitgründer von Leaders on Purpose und Sandbox Network und ein Mitglied des WEF Expertenforums.

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