Es ist unwahrscheinlich, dass die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden kann
Die Pariser Klimaziele können nicht erreicht werden. Das ist eines der Ergebnisse aus der siebten Ausgabe des Energy Transition Outlook-Berichts von DNV. Er ist DNVs Prognose der wahrscheinlichsten Entwicklung für die Energiewende und zeigt die Ergebnisse des unabhängigen DNV-Modells des weltweiten Energiesystems. Der Weg zu Netto-Null-Emissionen basiert hier auf dem UNFCCC-Prinzip, das eine gemeinsame Verantwortung für das Erreichen von Netto-Null-Emissionen festlegt. Das Pro-Kopf-BIP ist der Hauptfaktor für den Emissionspfad bis 2050. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssten die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 halbiert werden (dies wird allerdings nicht einmal bis 2050 geschehen). DNV geht davon aus, dass die Emissionen im Jahr 2024 ihren Höhepunkt erreichen werden - und dass dann die eigentliche globale Energiewende beginnen wird.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Trotz der schnellen Entwicklung erneuerbarer Energien machen fossile Energiequellen in den letzten fünf Jahren weltweit die Hälfte des neuen Energiebedarfs aus: Fossile Energieträger von 2017 bis 2022 würden 49 Prozent des neuen Energiebedarfs ausmachen - damit decken nur die Hälfte der Erneuerbare Energieträger den gestiegenen Energiebedarf.
- Die CO2-Emissionen werden im Jahr 2030 nur um vier Prozent niedriger sein als heute, im Jahr 2050 um 46 Prozent.
- Die energiebedingten CO2-Emissionen erreichen weiterhin Rekordhöhen und werden weiter steigen.
- Die Energiesicherheit rückt in der Energiepolitik verstärkt in den Fokus, und die Zahlungsbereitschaft für lokal erzeugte Energie steigt. In Ländern, die über eigene fossile Energiequellen verfügen, preissensibler sind oder in denen das Stromnetz nicht so gut ausgebaut ist, könnte die Berücksichtigung der Energiesicherheit dazu führen, dass stärker auf fossile Energiequellen gesetzt wird. Auf dem indischen Subkontinent (wo ein guter Zugang zu Kohle als Energiequelle besteht), wird der Übergang langsamer erfolgen. In Europa und den USA ist neue Energie überwiegend grün.
- Der installierte Strom aus Solar- und Windenergie wird zwischen 2022 und 2050 um das 13- bzw. neunfache zunehmen. Die Stromproduktion wird sich bis 2050 mehr als verdoppeln, was dazu beiträgt, das Energiesystem effizienter zu machen. Die Verteilung zwischen fossiler und nichtfossiler Energie im Energiemix beträgt derzeit 80/20, bis 2050 wird sich diese Verteilung auf 48/52 ändern.
- Windkraft wird sieben Prozent des weltweiten netzgekoppelten Stroms liefern, und die installierte Leistung aus Windkraftanlagen wird sich bis 2030 verdoppeln. Auch stellen Einschränkungen im Übertragungs- und Verteilungsnetz einen Engpass für die weitere Elektrifizierung dar. Sie betreffen in vielen Ländern auch netzgebundene Speicher- und Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
- Das weltweite Energiesystem wird sich im Jahr 2050 von einem Energiemix, der zu 80 Prozent auf fossilen Energiequellen basiert, zu einem Energiemix entwickeln, der zu 52 Prozent nichtfossil ist.
Der DNV-Bericht „Pathway to Net Zero Emissions“ ist eine Ergänzung zum Energy Transition Outlook-Bericht und soll einen Weg aufzeigen, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Erreicht werden soll dies durch einen effizienten und schnellen Ersatz von Öl, Gas und Kohle durch Strom aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Biokraftstoffe. Die Solarenergie kann bis 2040 das Erdöl als größte Energiequelle ablösen und bis 2050 einen höheren Anteil als alle fossilen Brennstoffe zusammen haben. Ab Ende der 2030er Jahre werden Solar- und Windenergie gleich groß sein und die weltweite Elektrizitätserzeugung vollständig dominieren. Ein vollständig fossilfreies Energiesystem ist bis 2050 allerdings nicht machbar.
Erforderliche Maßnahmen:
- Es bedarf enormer Anstrengungen zur Abscheidung und Beseitigung von Kohlenstoff, um die verbleibenden CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen sowie die Überschreitung des Kohlenstoffbudgets (das bis 2030 erschöpft sein wird) auszugleichen. Zwischen 2050 und 2100 müssen jährlich sechs Gigatonnen (Gt) an Emissionen abgebaut werden. Dies ist ein hohes Risiko und hängt von der Skalierung unerprobter Technologien wie der direkten Luftabscheidung und der Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung ab.
- Verhaltensveränderungen und Emissionssenkungen müssen gleichzeitig erfolgen.
- Auch wenn Solarenergie und Elektrofahrzeuge gut skalieren, ist es dringlich, dass die meisten anderen Technologien (einschließlich Wasserstofferzeugung und Kohlenstoffabscheidung) noch rascher und stärker skaliert werden. Die Elektrizität muss bis 2050 einen Anteil von fast 50 Prozent am Energiemix erreichen (Abhängigkeit von einem raschen Netzausbau).
- Die Verbesserungen der Energieeffizienz müssen gegenüber dem heutigen Stand verdoppelt werden.
- Die Regionen müssen zehn Jahre früher – und noch vor 2050 – Netto-Null-Emissionen erreichen. Alle müssen schneller handeln.
- Alle Regionen müssen ihre Netto-Null-Ziele viel früher als derzeit geplant erreichen: Die OECD vor 2045, Greater China vor 2050 und der Rest der Welt vor 2060.
Weiterführende Informationen:
Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
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