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EU-Taxonomie: Chancen und Herausforderungen für Unternehmen

Die EU-Taxonomie definiert anhand detaillierter Kriterien, ob Unternehmen und Finanzmarktakteure nachhaltig wirtschaften.

Sie ist damit ein wichtiger Baustein des European Green Deal, mit dem die Staatengemeinschaft bis 2050 klimaneutral werden will. Das Regelwerk (EU-Taxonomieverordnung), an dem jahrelang gearbeitet wurde, tritt ab 1. Januar 2022 teilweise in Kraft. Verständlich aufbereitet wurden die Regeln in einem Taxonomie-Kompass.

Wirtschaftliche Aktivitäten müssen einem von den folgenden sechs Umweltzielen dienen:

1. Klimaschutz

2. Anpassung an den Klimawandel

3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen

4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft

5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Bislang wurden nur die ersten beiden Umweltziele der Taxonomie für 15 Branchen definiert (bis Dezember kommen weitere Details hinzu). Vor diesem Hintergrund treten nur die beiden ersten Umweltziele im Januar 2022 in Kraft. Offen ist noch die Frage, ob Atomkraft als CO2-arme Technologie und Erdgas in die Taxonomie aufgenommen wird. Vorschläge für die Umweltziele 3 bis 6 liegen bereits vor (die Finalisierung soll bis Jahresende erfolgen). Die Wirkung der Taxonomie gehört in den Kontext des Sustainable Finance Package der EU. Hierzu zählen auch umfassende Berichtspflichten für Unternehmen und den Finanzsektor, der ab 2022 Daten darüber veröffentlichen muss, wie viele ihrer Vermögenswerte sie in Branchen hält, für die in der Taxonomie Umweltkriterien definiert sind. Unternehmen müssen angeben, wie viele ihrer Aktivitäten in den Bereichen stattfinden, die von dieser Taxonomie abgedeckt sind. Im Folgejahr müssen sie kommunizieren, ob ihre Aktivitäten nach der Taxonomie ökologisch nachhaltig sind (Umsatz, Investitionen, operative Ausgaben).

In Deutschland ist die nichtfinanzielle Berichterstattung seit April 2017 durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) geregelt. Es verpflichtet große Unternehmen, im Zuge ihrer Berichterstattung auch Informationen in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung offenzulegen. Allerdings müssen nach der im April 2021 vorgelegten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU ab 2024 auch kleinere kapitalmarktorientierte Unternehmen entsprechende Informationen und Zahlen vorlegen.

Dieser hinkt den Klimazielen noch deutlich hinterher, und die CO2-Emissionen sind auf einem Rekordhoch. Die Emissionen werden in den kommenden Jahren wohl noch weiter steigen – parallel wird sich jedoch die Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden verstärken. Deshalb werden Bauherren und Gebäudenutzer auch mehr Transparenz zum Thema Nachhaltigkeit einfordern. „Indirekte Effekte der Taxonomie werden auch für Bau-Unternehmen spürbar werden, wenn die Bau-Auftraggeber ihre Taxonomie-Konformität erreichen müssen und dafür gesteigerte Anforderungen an die Bau-Unternehmen weitergeben“, sagt Elisabeth Rauter, Senior Managerin und EY Carbon-Verantwortliche Real Estate bei EY Österreich. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist Ziel 3 der sechs Umweltziele der EU-Taxonomie: Die Bau- und Immobilienbranche verursacht einen enormen Verbrauch von teils knappen Ressourcen durch die Verwendung neu gewonnener Baumaterialien. Andererseits führt sie vor allem durch den Abbruch von baulichen Anlagen zu einem großen Abfallaufkommen: „Bau- und Abbruchabfälle sind für ca. 60 Prozent des Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich. Eine weitere bemerkenswerte Zahl ist die Schätzung des Umweltbundesamtes, in der davon ausgegangen wird, dass ca. 15 Milliarden Tonnen an Material im Gebäudebestand allein e in Deutschland verbaut sind“, sagt der Nachhaltigkeitsexperte Matthias Schäpers, der in der Unternehmensgruppe KRIEGER + SCHRAMM für das Thema zuständig ist. Das ist nicht selbstverständlich, denn in vielen Unternehmen gibt es noch niemanden, der das Thema koordiniert und strategisch begleitet – deshalb wird es künftig einen enormen Qualifikations- und Personalbedarf geben.

Zur Aufgabe von Matthias Schäpers gehört es beispielsweise, eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie, die zum Kerngeschäft passt, zu entwickeln. Dabei wird zwischen unternehmensinterner und projektbezogener Nachhaltigkeit unterschieden. „Die im Unternehmen bereits vorhandenen Aspekte zum Thema Nachhaltigkeit werden zuerst gesammelt und mit den Erwartungen sämtlicher Stakeholder abgeglichen. Draus werden dann Schwerpunkte/Handlungsfelder definiert“, so Schäpers. Für ihn ist eine kluge und vorausschauende Bauplanung der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung. Dazu gehört die Berücksichtigung folgender Aspekte:

  • Weichenstellung in der Planungsphase: Auswahl von Baumaterialien, flexible Grundrissgestaltung, Wiederverwertbarkeit von Baustoffen

  • Klimaschutz und Emissionen

  • Ressourcenverbrauch vom Rohstoff bis zur Wiederverwendung

  • Sozial gesellschaftliche Auswirkungen von Bauwerken

  • Unternehmensinterner Fußabdruck (Vermeidung – Reduzierung – Kompensation).

Die Studie zur EU-Taxonomie von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. (bei der auch K+S Mitglied ist) hat allerdings gezeigt, dass die Taxonomie-Kriterien zwar eine wichtige Grundlage bieten, aber ihre Anwendbarkeit und Marktfähigkeit noch sichergestellt werden sollte. "Wenn selbst motivierte Teilnehmer mit Projekten, die bereits umfangreiche Nachhaltigkeitsanforderungen berücksichtigt haben, Schwierigkeiten bei der Bearbeitung und Nachweisführung haben, belegt das, dass es noch Bedarf gibt, die Kriterien weiterzuentwickeln", sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführende Vorständin der DGNB. Die EU hat ihrer Meinung nach hier eine „außerordentliche Verantwortung, klare Leitlinien zu formulieren. Die grundsätzliche Machbarkeit muss sichergestellt sein, und das Ganze sollte möglichst handhabbar gestaltet sein, um unnötige Bearbeitungsaufwände zu vermeiden.“

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Nachhaltigkeit in der Baubranche. Interview mit dem neuen Nachhaltigkeitsexperten Matthias Schäpers. In: magazin 21/02 (Oktober 2021). Hg. von KRIEGER + SCHRAMM Unternehmensgruppe, S. 12-14.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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