Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Europas Zukunft und die Ziele für nachhaltige Entwicklung: Warum jetzt gehandelt werden muss

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Mit den 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) verdeutlicht die Staatengemeinschaft, dass das Thema „Nachhaltige Zukunft“ Bürgerinnen und Bürger, staatliche Institutionen und Unternehmen gleichermaßen angeht. Zwischen 2000 und 2015 bildeten zuvor die Millennium Development Goals (MDGs) eine wichtige Vorgabe für Entwicklungsaktivitäten. Die SDGs, die sie ablösten, sprechen ein breites Spektrum verwandter Themen innerhalb der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Wirtschaft, Soziales und Umwelt) an. Die 17 Ziele der SDGs erfordern weitreichende Maßnahmen. Zur Präzisierung und besseren Umsetzung wurde ein Katalog mit 169 Zielvorgaben entwickelt, die Regierungen in nationale Aktionspläne, Programme und Initiativen übersetzen und dabei die Bedingungen und Möglichkeiten in ihren Ländern berücksichtigen.

Der Europe Sustainable Development Report 2023/24 (ESDR) bietet eine unabhängige quantitative Bewertung der Fortschritte der EU, ihrer Mitgliedsstaaten und Partnerländer bei der Verwirklichung der SDG-Ziele. 

Die 5. Ausgabe des ESDR umfasst die 27 EU-Mitgliedstaaten, vier Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz), das Vereinigte Königreich sowie die EU-Kandidatenländer (Albanien, Bosnien und Herzegowina, die Republik Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei). Der Report ist Teil der größeren Sustainable Development Report (SDR)-Reihe. Seit 2015 stellt er die aktuellsten Daten zur Verfügung, um die Leistung Europas und aller UN-Mitgliedstaaten in Bezug auf die SDGs zu verfolgen und einzustufen. Der Bericht wurde von einer Gruppe unabhängiger Experten bei SDSN und SDSN Europe erstellt und wird von und mit der Zivilgesellschaft in Europa gemeinsam entworfen und erstellt. Die Methodik basiert auf der globalen Ausgabe des Berichts über nachhaltige Entwicklung (SDR), der von der Cambridge University Press und Nature Geoscience peer-reviewed und 2019 von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC) statistisch überprüft wurde. Die 5. Ausgabe des ESDR wurde sie am 25. Januar vom UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN) in Zusammenarbeit mit SDSN Europe und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) veröffentlicht.

Im Juni 2024 wählen die EU-Bürgerinnen und Bürger das neue Europäische Parlament. Die künftigen Staats- und Regierungschefs der EU werden dafür verantwortlich sein, dem nächsten siebenjährigen EU-Haushalt (2028–2035) zuzustimmen und die nächste globale Agenda für nachhaltige Entwicklung auszuhandeln, um die SDGs über 2030 hinaus fortzusetzen. Ergänzend zum ESDR-Bericht 2023/24 veröffentlichte eine Gruppe von mehr als 200 Wissenschaftlern, Experten und Praktikern aus über 20 europäischen Ländern auch einen gemeinsamen Aufruf zum Handeln, der sich an politische Parteien und die künftige EU-Führung richtet. Die wichtigsten Inhalte und Ergebnisse aus beiden Dokumenten werden nachfolgend in alphabetisch zusammengefasst:

Das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung der europäischen Bürger muss deutlich reduziert werden.

Regionale und lokale Behörden müssen bei der Verwirklichung der SDGs bestärkt werden (einschließlich der regelmäßigen Überwachung und Berichterstattung der SDG-Fortschritte auf allen Ebenen).

Die Bemühungen müssen verdoppelt werden, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen in der EU zu erreichen (mit großen Durchbrüchen bis 2030).

Das wirksame Funktionieren der europäischen Demokratien und Institutionen, die im Mittelpunkt des Übergangs zu einer nachhaltigen Entwicklung stehen, hängt von der Fähigkeit der EU-Führung und der Mitgliedstaaten ab, Chancengleichheit zu schaffen, die Schwächsten zu schützen und Bildung und Kompetenzen für alle zu fördern.

Die europäischen Bürger und politischen Parteien sollten die bevorstehenden Europawahlen nutzen, um mit zehn wichtigen vorrangigen Maßnahmen den Grundstein für einen neuen europäischen Deal für die Zukunft zu legen. Dieses Abkommen muss ein grünes und soziales Abkommen sein, wie es der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) seit Jahren fordert.

Der internationale Finanzarchitektur gelingt es nicht, globale Ersparnisse im erforderlichen Tempo und Umfang in SDG-Investitionen zu lenken. Dies führt in vielen Teilen der Welt, vor allem in den ärmsten und am stärksten gefährdeten Ländern, zu einer Umkehrung der SDG-Fortschritte.

Mehrere und gleichzeitige Gesundheits-, Sicherheits-, Geopolitik-, Klima- und Finanzkrisen führten in der EU im Durchschnitt zu einer Verlangsamung der SDG-Fortschritte, was insbesondere auf langsame Fortschritte bei sozioökonomischen Ergebnissen und Umweltzielen zurückzuführen ist.

Die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften müssen beim Erreichen der SDGs unterstützt werden.

Nach Angaben des Jahresberichts von Force for Good sind die Gesamtkosten, um die SDGs zu verwirklichen, im Jahr 2023 um bis zu 25 Prozent gestiegen (Gründe: systemische Unterfinanzierung, hohe Inflation, Anforderungen für die Erreichung der Netto-Null-Ziele und das immer kürzer werdende Zeitfenster, in dem all dies erreicht werden kann).

Finnland führt den SDG-Index (zum vierten Mal in Folge) an, doch selbst die Länder an der Spitze des Index stehen bei der Verwirklichung mehrerer SDGs vor enormen Herausforderungen – vor allem in den Bereichen verantwortungsvoller Konsum und Produktion, Klima und biologische Vielfalt, nachhaltige Landnutzung und Ernährung sowie bei der Förderung der Konvergenz der SDG-Fortschritte. Der im Bericht enthaltene "Leave No One Behind"-Index (LNOB) misst die Ungleichheiten innerhalb eines Landes in vier Dimensionen (extreme Armut und materielle Entbehrung, Einkommensungleichheit, Geschlechterungleichheit, Zugang zu und Qualität von Dienstleistungen). Der Index zeigt für die meisten europäischen Länder seit 2020 nur minimale Fortschritte und sogar Rückschritte in drei der vier Dimensionen. Besorgniserregend ist die Situation bei der Unterdimension "Zugang zu und Qualität von Dienstleistungen", in der 32 von 34 europäischen Ländern keinen Fortschritt oder eine Umkehrung des Fortschritts aufweisen.

Die Integration der SDGs sollte in strategische Planung, makroökonomische Koordination, Haushaltsprozesse, Forschungs- und Innovationsmissionen und andere politische Instrumente institutionalisiert werden.

In der EU müssen entscheidende Maßnahmen ergriffen werden, um ökologische und soziale "Kipppunkte" zu vermeiden und das Versprechen aufrechtzuerhalten, die Ziele der SDGs und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Koalitionen von Vordenkern sind dringlich, um tragfähige politische Koalitionen bilden zu können, und um eine nachhaltige und gerechtere Entwicklung weltweit und in Europa voranzutreiben.

Einfluss von Krisen: Die COVID-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und geoökonomische Spannungen haben politische Prioritäten und finanzielle Ressourcen verschoben. In Kombination mit der zunehmenden gesellschaftlichen Fragmentierung und politischen Polarisierung führt dies zu Widerständen gegen ehrgeizigere Gesetze in der EU zur Umsetzung des europäischen Grünen Deals und anderer Maßnahmen, die auf die Förderung des sozialen Zusammenhalts und der Gleichstellung abzielen.

Es sollten neue dauerhafte Mechanismen für eine strukturierte und sinnvolle Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft geschaffen werden.

Negative internationale Spillover-Effekte müssen eingedämmt und der Wandel hin zu einem nachhaltigen Handelssystem unterstützt werden.

Die EU, Frankreich, Deutschland und Italien sollten ein eigenes „Team Europa für die SDGs“ bilden, um eine offene und kooperative internationale Ordnung anzustreben, um die globale nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Es sollte für die globale SDG-Diplomatie genutzt werden (auch Stärkung der vielfältigen und universelle Formate und der multilaterale Rolle Europas).

Auf die anhaltenden und zunehmenden Ungleichheiten innerhalb und zwischen den europäischen Ländern müssen Antworten gefunden werden.

Die EU muss in der Welt eine Führungsrolle übernehmen und einen ehrgeizigeren, integrierteren und kohärenteren Ansatz verfolgen, um die Umsetzung der SDGs im In- und Ausland zu beschleunigen.

Die SDGs fordern integrierte Maßnahmen zur Förderung von sozialem und wirtschaftlichem Wohlstand, ökologischer Nachhaltigkeit und globaler Zusammenarbeit. Bei 85 % der 140 überprüften SDG-Ziele sind Rückgänge oder nur sehr begrenzte Fortschritte zu verzeichnen.

Langfristige Investitionen und regionale Zusammenarbeit sind erforderlich, um Kompetenzen und Innovationen zu fördern und gleiche Chancen für alle zu schaffen. Die internationale Zusammenarbeit muss schrittweise wechselseitig transformativ werden.

Weiterführende Informationen:

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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