Exzellent! Warum hervorragende Menschen immer die Extrameile gehen
„Die Extra-Meile von heute ist der Standard von morgen.“ (Hermann Scherer)
Der Begriff Exzellenz, der vom lateinischen „excellens“ abstammt und auf Deutsch „hervorragend“ heißt, begegnet heute in unterschiedlichsten Kontexten: Im Bildungsbereich wird von „exzellenten Hochschulen“ gesprochen, Küchenhersteller verweisen auf Produkte mit „langlebiger Qualität, einer griffigen Handhabung mit exzellenter Haptik“ (Häcker Nachhaltigkeitsbericht 2019/2020), aber auch auf eine „exzellente Arbeitsumgebung“ (Our Company) sowie den guten Ruf als „exzellenter Arbeitgeber“. Klaus Helmrich, Member of the Managing Board of Siemens AG, betont die Bedeutung „exzellenter“ Menschen in der neuen Arbeitswelt. Und Christian Dunckern, Leiter Produktionssystem, Planung, Werkzeug- und Anlagenbau bei der BMW Group, spricht von „exzellenter Führungsleistung als Basis der digitalen Transformation“. Doch was bedeutet der Begriff wirklich?
Orangen kaufen für Profis
Wer von Exzellenz spricht, meint das Beste, das außerhalb des Gewöhnlichen steht. Der Business-Experte Hermann Scherer spricht in seinen Publikationen in diesem Zusammenhang häufig von der Extra-Meile, die Menschen mit herausragenden Leistungen gehen. Vor einigen Jahren hörte er einen Vortrag von Randall L. Ridd, der eine Geschichte erzählte. Scherer greift sie 2018 in seinem Newsletter auf und verarbeitet sie im Kapitel „Orangen kaufen für Profis“ in seinem Buch „Glücksgeschenke“. Sie wird hier in eigenen Worten weitererzählt:
Ein junger Mann möchte für ein angesehenes Unternehmen arbeiten. Er bewarb sich und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen - und er erhielt den Job. Sein nächstes Ziel war die Beförderung zum Abteilungsleiter. Er erledigte seine Aufgaben gewissenhaft und begann damit schon früh am Morgen. Er blieb so lange im Büro, bis sein Chef darauf aufmerksam wurde und die Überstunden registrierte. Einige Jahre später wurde eine Stelle als Abteilungsleiter frei. Der Mann nahm mit Bedauern zur Kenntnis, dass ein anderer Mitarbeiter, der erst sechs Monate für das Unternehmen tätig war, eher befördert wurde als er. Er bat seinen Chef um eine Erklärung und erhielt folgende Antwort: „Bevor ich Ihre Frage beantworte, würden Sie mir einen Gefallen tun?“ - „Ja, natürlich“, erwiderte der Angestellte. „Würden Sie in den Supermarkt hinübergehen und ein paar Orangen kaufen? Meine Frau braucht welche.“ Der junge Mann ging in den Laden.
Als er zurückkam, fragte sein Vorgesetzter: „Welche Sorte haben Sie gekauft?“ - „Orange“, erwiderte der Mitarbeiter. „Sie wollten doch, dass ich Orangen kaufe, und das habe ich gemacht. Hier sind sie.“ - „Wie viel haben sie gekostet?“, fragte sein Chef. „Das weiß ich nicht genau“, antwortete er. „Sie haben mir 30 Dollar gegeben. Hier sind der Beleg und das Wechselgeld.“ Der Chef bat ihn, sich zu setzen und rief den Mitarbeiter herein, der befördert wurde. Ihm übertrug er die gleiche Aufgabe. Auch er erklärte sich einverstanden und ging in den Supermarkt. Als er wiederkam, fragte der Chef erneut: „Welche Sorte haben Sie gekauft?“
„Nun ja“, erwiderte er, „es gab ziemlich viele Sorten – es gab Navelorangen, Blondorangen, Blutorangen, Mandarinen und viele weitere. Ich wusste nicht, welche ich kaufen soll. Sie haben ja gesagt, dass Ihre Frau welche braucht, und so habe ich sie angerufen. Sie hat erzählt, dass sie eine Party plant und Orangensaft machen möchte. Also habe ich den Verkäufer gefragt, welche Sorte den besten Saft gibt. Er erklärte mir, dass die Blondorangen besonders süß und saftig sind, also habe ich diese Sorte gekauft. Ich habe sie auf dem Rückweg bei Ihnen zu Hause abgeliefert. Ihre Frau hat sich sehr darüber gefreut.“
„Wie viel haben sie gekostet?“, fragte sein Chef. „Tja, das war auch so eine Sache. Da ich nicht wusste, wie viele ich kaufen soll, habe ich Ihre Frau gefragt, wie viele Gäste sie erwartet. Zwanzig, erfuhr ich. Dann habe ich den Verkäufer gefragt, wie viele Orangen man braucht, um Saft für zwanzig Leute zu machen. Es waren ziemlich viele. Daraufhin habe ich um einen Mengenrabatt gebeten, und diesen auch bekommen. Eigentlich kostet so eine Orange 75 Cent, aber ich habe nur 65 Cent bezahlt. Und bitte nicht wundern, ich habe dem Verkäufer erlaubt, auch noch ein kleines Stückchen Ingwer beizulegen, denn mit einer hauchfeinen Note Ingwer soll der Orangensaft noch etwas besser schmecken und gesünder sein. Hier sind das Wechselgeld und der Beleg.“ Der Chef bedankte sich und sah zum jungen Mann, der das alles beobachtet hatte. Dieser sagte: „Ich verstehe, was Sie meinen.“
Das bedeutet für Hermann Scherer, die Extra-Meile zu gehen. Nicht nur Dinge einfach unreflektiert erledigen, sondern sie mit „Exzellenz“ zu versehen – einem Lebensprinzip, das von uns selbst verlangt, in allen Bereichen des Lebens nachhaltige Resultate zu erzielen, die außerhalb des Gewöhnlichen stehen. Exzellenz ist damit ein Produkt der Grenzüberschreitung. Wer seine Arbeit um das entscheidende Maß persönlicher nimmt, intuitiv handelt und niemals mittelmäßig ist, macht das Leben interessanter und die Welt besser. Hermann Scherer erinnert uns mit der Orangen-Geschichte daran.
Weiterführende Literatur:
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2017.
Hermann Scherer: Glücksgeschenke. Inspirationen für ein leben voller motivoierender Momente. GABAL Verlag. Offenbach 2019.
Hermann Scherer: Schatzfinder. Warum manche das Leben ihrer Träume suchen – und andere es längst leben. Campus Verlag GmbH Frankfurt/New York 2013.
Hermann Scherer: Jenseits vom Mittelmaß. Unternehmenserfolg im Verdrängungswettbewerb. Offenbach 2013.