Fachkräftemangel – oder wie ein Begriff missbraucht wird, weil Unternehmen nicht ehrlich sind
Fachkräftemangel ist einer der häufigsten Begriffe, die wir tagtäglich hören und lesen, wenn es um die Suche nach geeigneten Bewerber:innen geht. Bekäme ich für jedes Mal, an dem mir diese Bezeichnung begegnet ist, einen Euro, ich wäre bereits mehrfacher Millionär …
Die Medien sind voll von Berichten über den Fachkräftemangel, Verbände und Unternehmen klagen, Autoren dementieren, und viele Jobsuchende regen sich nur noch darüber auf. Der Fachkräftemangel schleicht wie ein penetranter Geist durch unsere Köpfe und die Führungsetagen der Unternehmen. Es wird heftig darüber diskutiert, ob es ihn wirklich gibt oder ob er nur hausgemacht ist. Ist er nun real oder doch nur eine Erfindung oder gar eine Ausrede? Hierzu haben Sie sicherlich ebenso wie ich Ihre ganz persönliche Meinung, und das ist gut so.
Fachkräftemangel, das Wort des Jahres?
Könnte möglich sein. Aber handelt es sich überall wo dieses Wort ertönt tatsächlich um den Fachkräftemangel oder wird dieser Begriff zeitweise auch missbraucht? Als Ausrede, Alibi oder gerade passende Argumentation? Fakt ist, dass wir in diesem Lande sehr viele Arbeitssuchende haben. Die Agentur für Arbeit hat für März 2023 eine Zahl von 3.465.000 Personen veröffentlicht. Ganz schön viele Menschen, für mich zu viele. Übrigens ganz zu schweigen von denjenigen, die sich aus dem Job heraus bewerben oder z. B. aus der Freistellung.
Wie viele davon tatsächlich Fachkräfte sind, kann ich nicht sagen, sollten jedoch alle echten Fachkräfte eine neue Aufgabe finden, was die Akzeptanz und den Zuspruch der Firmen voraussetzt, so könnten einige Positionen erfolgreich besetzt werden. Was ich in diesem Zusammenhang jedoch feststelle, ist die Tatsache, dass ich viele Fachkräfte kenne, die teilweise händeringend eine neue Position suchen und leider viel zu oft abgelehnt werden.
Zu jung, zu alt, zu unerfahren, branchenfremd, kein „Stallgeruch“, Quereinsteiger:in, passt nicht ins (junge) Team, zu viele Wechsel, erfüllen wichtige Kriterien nicht oder nur teilweise, eine Einarbeitung wäre notwendig und viele Aussagen mehr.
Die Entscheidungen sind meist subjektiv, oftmals spekulativ und nicht selten paradox. Aber von Anfang an, und zwar ganz einfach gedacht. Ich mag das pragmatische Denken, machen wir also bitte nicht alles immer so kompliziert. Wie kann ich einem möglichen Fachkräftemangel entgegenwirken? Indem ich Fachkräfte finde und sie einstelle.
Wo und wie finde ich diese Fachkräfte? Überall, in den gesamten sozialen Netzwerken, auf Businessplattformen, Jobseiten, bei der Agentur für Arbeit, in der Nachbarschaft, im Sport- oder Gesangsverein. Eigentlich immer dort, wo sich Menschen begegnen und miteinander kommunizieren.
**Ich habe Personen aller Hierarchieebenen und Branchen gefragt, warum es ihrer Meinung nach einen Fachkräftemangel gibt.**Die drei Top-Antworten habe ich für Sie einmal zusammengefasst.
Akzeptanz
Wenn Unternehmen wirklich gute Kräfte suchen, so sollten Sie auch gute Kräfte akzeptieren, gleich woher sie kommen. Das bedeutet, egal ob jung oder alt, ob erfahren oder sehr erfahren, ob Quereinsteiger oder Vollprofi, ob Herr oder Dame. Ein Gespräch mit einer echten Fachkraft sollte es den Unternehmen und deren Vertreter allemal wert sein. Hier ist leider noch zu viel Luft nach oben, um es etwas vorsichtig auszudrücken. Akzeptanz ist Anerkennung, Respekt, Offenheit und Unvoreingenommenheit. Nicht jedes Unternehmen und nicht jede verantwortliche Führungskraft besitzt diese Skills.
Kommunikation
Einer der entscheidendsten Gründe für den Fachkräftemangel. Die reine Präsenz eines Stellenprofils auf der Seite des Unternehmens reicht heute allein nicht mehr aus. Die vollumfängliche Integration von Social Media, explizit der gängigen Business-Plattform XING oder anderen, ist unumgänglich. Jedes Unternehmen sollte sich Gedanken darüber machen, wie jobsuchende Fachkräfte zu erreichen sind. Eine starke, weitreichende aber auch gezielte Kommunikation ist wie bereits erwähnt entscheidend. Ich empfehle jedem Unternehmen, sich einen Kommunikationsstrategen einzustellen, der Recruiting- und Markterfahrung mitbringt. Jemand, der weiß, wie man Menschen anspricht, sie begeistert und gewinnt. Einen Karriere- und Personalexperten.
Sichtbarkeit
Die Sichtbarkeit, nicht nur auf Social Media oder auf der eigenen Firmenseite, spielt eine sehr bedeutende Rolle für jedes Unternehmen jedoch auch für die Kandidat:innen. Es reicht heute nicht aus, „nur“ Mitglied auf den Businessplattformen zu sein. Ein Profil muss auch „leben“ und mit Leben gefüllt werden. Auf sich aufmerksam machen ist heute im Zeitalter des Arbeitnehmermarktes und des „War for Talent“, erfolgsentscheidend. Es ist gefährlich sich auf seinen „Lorbeeren“ auszuruhen und zu hoffen, dass die Bewerber:innen aufgrund des guten Namens kommen. Sie tun es nur bedingt und sie wollen Klarheit und Ehrlichkeit darüber, was sie erwartet.
Meine Empfehlung an die Unternehmen: Suchen Sie sich einen Kommunikationsstrategen. Eine Person, die den Arbeits-, Bewerber- und Personalmarkt kennt. Einen Mitarbeiter, der weiß, wie man sucht, findet und vor allem anspricht. Jemand mit Weitblick. Einen Business Netzwerker, der einen Mehrwert liefert und Nachhaltigkeit pflegt.
Und bitte lehnen Sie nicht zu schnell ab. Öffnen Sie sich für interessierte Bewerber:innen, gleich welchen Alters, Geschlechts, Gesinnung oder Religion. Geben Sie auch Personen aus der zweiten und dritten Reihe eine Chance, sich vorzustellen und zu beweisen. Fachkräfte tragen Ihre Bezeichnung aufgrund ihrer hervorragenden Arbeit und Expertise. Alles andere sollte keine Rolle spielen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg. Treten Sie dem Fachkräftemangel mutig entgegen und bitte bleiben Sie gesund.
Herzlichst
Michael H. Hahl