Frauen in Männerberufen: Ausnahme oder Regel?
Auf dem Weg nach oben
Wer aufsteigt, betritt die Arena der Macht und des politischen Handelns, in der häufig um Status und Einfluss gerungen wird. Für die meisten Männer ist dieses Spiel um die vorderen Rangplätze selbstverständlich: Sie gehen ihre Karriere entschlossen an und besetzen zuweilen auch Funktionen, bei denen eine ausgewiesene Fachkompetenz keine Rolle spielt. Diese simplen Spielregeln gelten für Frauen oft nicht. Denn in den meisten Fällen müssen sie die Qualität ihrer Arbeit stets neu beweisen, während Männer in gleicher Position einen Vertrauensvorschuss erhalten und besser beurteilt werden. Bei Frauen schaut „man“ genauer hin, während bei Männern oft ein Auge zugedrückt wird, wenn sie einen Fehler machen oder weniger qualifiziert sind.
Frauen erhalten zudem auch noch seltener als Männer „Hot Jobs“, die mit mehr Geld, mehr Personalverantwortung und schnelleren Aufstiegsmöglichkeiten verbunden sind, weil ihnen weniger zugetraut wird und/oder weil sie die dafür angeblich notwendigen Bedingungen nicht erfüllen können. Vielleicht, weil den Entscheidern dabei ihr Frauenbild in die Quere kommt, schreibt Cornelia Edding in ihrem Buch „Herausforderung Karriere“, in dem sie sich mit Strategien für Frauen auf dem Weg „nach oben“ beschäftigt. Das Ergebnis ist zunächst ernüchternd, weil sich die Unterschiede nur langsam annähern. Ein Grund dafür ist die geschlechtsspezifische Teilung des Arbeitsmarktes, die sich unternehmensintern fortsetzt, weil es hier nicht nur eine vertikale Arbeitsteilung (Männer oben, Frauen unten) gibt, sondern auch eine horizontale: So sammeln sich in Arbeitsbereichen wie Personal und Verwaltung vor allem Frauen, und in anderen die Männer, die in technischen Bereichen eine „organische Allianz“ bilden, in der das Weibliche den Kontrast bildet.
Die frauenlastigen Bereiche eignen sich weniger gut zum Aufstieg.
Die Positionen haben weniger Prestige und Einfluss, sie werden schlechter bezahlt und sind weniger gut ausgestattet. Die Weichen, die den einzelnen Mann und die einzelne Frau in diese unterschiedlichen Bereiche lenken, sind gut geölt. „Sie funktionieren unmerklich und quasi absichtslos“, so Edding. Es steckt kein großer Mastermind dahinter, der auf diese Weise für die Benachteiligung der Frauen sorgt. Es sind vielmehr viele kleine Regelungen und Verfahren, viele kleine Entscheidungen und Vorlieben, die in der Häufung zu dieser Teilung führen. Für Technikerinnen ist es zuweilen schwer, ein Selbstkonzept zu entwickeln, das Beruf und Weiblichkeitsvorstellungen gut miteinander in Einklang bringt. Viele von ihnen sind deshalb häufig nicht so stark mit ihrem Beruf identifiziert als ihre männlichen Kollegen. Indem sie innerlich Distanz halten, schützen sie sich zwar, doch dies behindert auch ihren Erfolg. Es gibt aber auch viele positive Entwicklungen.
So wurden Frauen in den typischen „Männerberufen“ nach der Wiedervereinigung Deutschlands immer mehr die Regel.
Auch die Anzahl der Ingenieurinnen stieg kontinuierlich. Viele Frauen kamen in diesem Bereich fast ausschließlich aus der ehemaligen DDR, wo Frauen in Vollzeit arbeiteten. Es war hier keine Seltenheit, dass Frauen eine technische Ausbildung erlernten und in ihrem Beruf eine hohe Führungsposition erreichten. „Diese ‚neuen‘ Perspektiven halfen auch im Westen, die alte Rollenverteilung sowohl in der Familie als auch im Beruf weiter aufzubrechen. Gleichzeitig wurde ein zweites Gleichberechtigungsgesetz von der Bundesregierung verabschiedet, das unter anderem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern sollte. Oft fehlte jedoch ein entsprechendes Angebot für die Kinderbetreuung in den alten Bundesländern“, schreibt Dr. Eszter Harsányi, Company Archives HeidelbergCement AG, in ihrem Blogbeitrag. Darin zeigt sie, wie sich in der Baustoffbranche das Frauenbild der letzten Jahrzehnte gewandelt hat.
Seit zehn Jahren gibt es bei HeidelbergCement auch das internationale Netzwerk NOW – Network of Women. Es hat das Ziel, das Bewusstsein für Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion im Unternehmen und in der Baustoffindustrie zu stärken. „In einigen Abteilungen stellen Frauen mittlerweile sogar die Mehrheit – vor allem im kaufmännischen Bereich. In den ersten beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands liegt der Anteil der Frauen bei etwa 13%, was auch ihren Prozentanteil an der Gesamtbelegschaft widerspiegelt.“ In den Nachwuchsförderprogrammen liegt der Frauenanteil deutschlandweit bei fast einem Drittel und somit deutlich höher als der Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft. „Ziel ist es, mehr Frauen zu Führungskräften in operativen Funktionen, wie Vertriebs- oder Werksleitung zu entwickeln – insbesondere da Studiengängen mit für die Baustoffproduktion relevanten technischen Inhalten immer noch von Frauen unterproportional absolviert werden und die Erfahrung in diesen Bereichen eine Schlüsselqualifikation für die Übernahme höherer Führungspositionen darstellt.“
Für Werner Neumüller, Geschäftsführer der NEÜMÜLLER Unternehmensgruppe und Personalexperte ist die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in seinem Unternehmen, einer der größten Personaldienstleister in Nordbayern, selbstverständlich: „Alle werden entsprechend ihrer Qualifikationen und Fähigkeiten entlohnt, unabhängig ob Mann oder Frau“. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören Arbeitszeitflexibilisierung, Elternzeit/Elternförderung, Einarbeitungsprogramme für Wiedereinstieg, Kinder-/Angehörigenbetreuung, temporäre Arbeitszeitverkürzung und Familienservice. „Somit entstehen nicht nur zusätzliche berufliche Erfolgserlebnisse, sondern es wird auch das persönliche Wohlbefinden gefördert das sich sicher wieder auf das Wohlergehen in familiärer Hinsicht positiv auswirkt“, so Neumüller.
Die Frauenquote ist hier sehr hoch – angefangen beim Spitzenmanagement, über das obere Management (je ein Mann und eine Frau bis zum Mutterschutz) und das mittlere (mehr Frauen als Männer) bis zur Belegschaft, wo der Frauenanteil in den MINT-Fächern etwa doppelt so hoch ist, wie bei den Kunden des Unternehmens. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine homogene Gruppe von Berufen, sondern vielmehr um Disziplinen, die inhaltlich weit auseinander gehen und umfassende Möglichkeiten bieten. Durch die zunehmende Digitalisierung wächst vor allem im MINT-Bereich der Bedarf an Fachkräften. Die Frauenquote ist hier noch immer zu niedrig, wenngleich in den letzten Jahren eine positive Entwicklung zu verzeichnen war.
Doch wie können junge Menschen für Naturwissenschaft und Forschung begeistert werden?
Um mehr Frauen für technische Berufe und Studiengänge zu gewinnen, gab es auch zahlreiche Anstrengungen seitens der Wirtschaft und der Politik. So entstand u. a. im Jahr 2001 die Initiative Girls‘ Day, die auch Heidelberger Zement unterstützte: Im Werk Ennigerloh konnten z.B. Schülerinnen die Berufe Baustoffprüferin und Elektronikerin kennenlernen. Der eingeschlagene Wandel wurde auch an der steigenden Anzahl von gewerblichen Mitarbeitern sichtbar (z.B. den Betriebsschlosserinnen, Berufskraftfahrerinnen, Aufbereitungsmechanikerinnen und Leitstandfahrerinnen).
Jährlich nehmen auch die NEUMÜLLER Unternehmen am bundesweiten "Boys & Girls-Day" teil - auch mit dem Ziel, die Frauenquote in technischen bzw. der Männerquote in kaufmännischen Berufen zu steigern. Auch die Krieger + Schramm Unternehmensgruppe, ein moderner Wohnungsbau-Spezialist mit Niederlassungen in Dingelstädt/Eichsfeld, Lohfelden/Kassel, Frankfurt/Main, München und Berlin, setzt auf regelmäßige Veranstaltungen wie dem „Girl‘s Day“, um Frauen an „Männerberufe“ heranzuführen. Aber auch Praxistage oder Gast-Vorlesungen“ im Rahmen von Berufsorientierungswochen außerhalb des Rahmens der Talent-Company sind für das Unternehmen, das die Initiative Klischeefrei unterstützt, wichtig.
„Um junge Menschen aktiv bei der Berufsorientierung zu unterstützen, haben wir in Kooperation mit der Strahlemann Stiftung e. V. Talent Companys in Dingelstädt und Kassel gegründet. Wir begleiten Schüler im Prozess der Berufsorientierung, unterstützen in Form von Bewerbungstrainings und eröffnen natürlich auch die Möglichkeit im Rahmen von Praktika verschiedenste Unternehmensbereiche kennenzulernen“, sagt Michael Fuhlrott, verantwortlich für Personal bei Krieger + Schramm. „Schon in unserem WerteKompass haben wir vor vielen Jahren die Themen der Gleichberechtigung, des Respekts und der Wertschätzung in den Fokus gerückt.“ Neben einer klassischen Ausbildung bietet die Unternehmensgruppe auch das Duale Studium an. Sie ist seit Jahren Praxispartner der Berufsakademie in Glauchau, der Technischen Hochschule Mittelhessen und der Dualen Hochschule Gera-Eisenach.
Fuhlrott verweist auch darauf, dass Schüler/innen im Anschluss eine Ausbildung oder ein Duales Studium beim Unternehmen starteten. Der Ansatz einer möglichst frühen, geschlechtersensiblen Einführung in die (Berufs-)Welt wird hier als grundlegendes Fundament für die berufliche Zukunft bewertet. Auch in der Baubranche bestehen die unterschiedlichsten Klischees. „Wir sind stolz, dass weibliche Werkstudentinnen oder duale Studentinnen im Bereich Bauingenieurwesen bei uns keine Ausnahme sind. In der Baubranche ist der Frauenanteil noch ausbaufähig. Da sind wir als Bauunternehmen mit einer Frauenquote von ca. 45 Prozent schon sehr gut dabei.“
Für nahezu alle Positionen wird hier auch die Option der Teilzeit-Arbeit angeboten. Die genaue Höhe der Arbeitsstunden ist nicht einheitlich definiert und wird gemeinsam festgelegt. „Job Sharing und eine große Flexibilität bezüglich der Arbeitszeiten machen es möglich, Job und Familie oder auch Studium ideal miteinander zu vereinbaren“, so Fuhlrott.
Um als Frau heute auch in Männerberufen Karriere zu machen, sind vor allem folgende Aspekte entscheidend:
• die Rekrutierungs- und Auswahlverfahren der Unternehmen
• die Haltung der Vorgesetzten
• die Bezahlung
• die Einstellung zu Teilzeit
• die Verteilung von Chancen
• die Bewertung der Arbeit.
Weiterführende Informationen:
Elektronikerin erzählt: So ist es als Frau in MINT-Berufen
Herausforderung Karriere: Wir brauchen mehr Frauen in MINT-Berufen
Von Sekretärinnen zu Managerinnen – Frauen bei HeidelbergCement von 1960 bis heute
Felicitas Birkner: Macherpotenziale fördern. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.
Cornelia Edding: Herausforderung Karriere. Strategien für Frauen auf dem Weg nach oben. Carl-Auer Verlag Heidelberg 2016, Heidelberg 2016.