Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Gebäudesektor in Deutschland: Warum die Bemühungen nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen

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Um die Klimaziele im Jahr 2030 bzw. 2045 zu erreichen, muss vor allem der Gebäudesektor, der für ca. 40 % der jährlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, einen entscheidenden Beitrag leisten. Ob die durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Jahr 2023 von der Ampelkoalition verabschiedeten Maßnahmen dafür genügen, hat das Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München (FIW) im Auftrag der Gebäude-Allianz untersucht. Ergebnis des Kurzgutachtens: Die Emissionseinsparungen reichen aufgrund der beschlossenen Maßnahmen nicht aus, um die Reduktionsverpflichtungen laut Klimaschutzgesetz einzuhalten. Es klafft eine Lücke zwischen den Reduktionen, die zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes notwendig wären und den tatsächlichen Einsparungen von Emissionen durch das überarbeitete GEG, das ein klimaschonenderes Heizen sowie Warmwasserbereiten ermöglichen und den Ausstoß von Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor reduzieren soll. Das neue GEG 2024 wird als positiver Schritt betrachtet - allerdings wird auch darauf verwiesen, dass weitere Anstrengungen nötig sind.

Zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen im Detail:

  • Die derzeitigen Bemühungen für die Zeit nach 2030 reichen nicht aus – es sind zusätzliche Verschärfungen notwendig. Wichtig ist vor allem der Fokus auf die Sanierung der Gebäude, um die Sektorziele zu erreichen und das Gesamtbudget für THG-Emissionen nicht zu überziehen. Dabei haben Maßnahmen im Gebäudebestand an den schlechtesten Gebäuden die höchste Wirksamkeit im Vergleich zur eingesetzten Investition pro Quadratmeter. Werden diese zeitnah umgesetzt, können sie sich langfristig auswirken und haben für das schwindende Rest-Emissionsbudget (noch) einen besseren Hebel.
  • Zuerst sollte zukünftig neben der THG-Neutralität wieder die Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäudehüllen gleichrangig in das Zentrum des Handelns gerückt werden. Dabei bleibt die Hierarchie wichtig, nach der (1) die Sanierung der schlechtesten Ein- und Zweifamilienhäuser angegangen werden muss, (2) der Einbau von Wärmepumpen und der Ausbau der Fernwärme forciert werden muss, (3) die Dekarbonisierung der Energieerzeugung vorangetrieben werden muss und ( 4) der Einsatz von THG-neutralen Brennstoffen in Gebäuden als Alternative zur Wärmepumpe oder Fernwärmeübergabestation begrenzt werden muss.
  • Ausnahmen im GEG 2024 sollten reduziert und die Effizienzanforderungen verschärft werden.
  • Die Energiewende im Gebäudesektor kann zum Massenmarkt für neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle werden. Dafür müssten jedoch so schnell wie möglich die richtigen Weichen gestellt werden. Zudem muss der Prozess sozialverträglich gestaltet werden.
  • Die Verlässlichkeit von Fördermitteln ermöglicht die Planbarkeit von Maßnahmen. Die Förderung sollte stabilisiert und Unsicherheiten durch sich ändernde Förderbedingungen vermieden werden.
  • Damit die Klimaziele im Gebäudesektor erreicht werden, ist es dringlich, die Wirkung der (ordnungsrechtlichen, förderpolitischem, Beratungs- und Kommunikations-)Instrumente, die zum Erreichen eines klimaneutralen Gebäudebestands eingesetzt werden, kontinuierlich zu überwachen. Sie müssen abhängig von der Zielerreichung kontinuierlich angepasst bzw. nachgeschärft werden (Einführung eines Monitorings, das alle Stakeholder berücksichtigt, Datentransparenz etc.).
  • Im Bereich Kommunikation wird empfohlen, die Ziele für 2030 im Blick zu behalten und den Druck auf die Politik aufrechtzuerhalten, damit gewährleistet ist, dass die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.
  • Vor allem Maßnahmen zur Sanierung des Bestandes tragen zum Erreichen der Klimaschutzziele bei. Die wenigen derzeit neu errichteten Gebäude sind vergleichsweise effizient und werden überwiegend mittels Wärmepumpen beheizt. Ungünstig für die langfristigen Ziele wirken sich dagegen Maßnahmen mit langen Übergangsfristen aus, weil die Umsetzung in weite Ferne rückt und die adressierten Gebäude bis zu ihrer Sanierung noch einen hohen Ausstoß an THG aufweisen.
  • Programme zur energetischen Sanierung sollten vor allem auf Ein- und Zweifamilienhäuser ausgerichtet sein und eine soziale Komponente beinhalten, um private Hausbesitzer zu erreichen.
  • THG-neutrale Energieträger werden für die Dekarbonisierung vieler anderer Prozesse in der Industrie benötigt und sollten nicht die bevorzugte Lösung für die Beheizung von Gebäuden werden.

Umsetzungsbeispiele:

Um den Wohngebäudebestand der privaten Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser künftig fit zu machen und gleichzeitig zu nachhaltigem Werterhalt und mehr Wohnkomfort beizutragen hat die ENERGIEregion Nürnberg e.V. am 18. April 2024 das Netzwerk „Akteure der energetischen Gebäudesanierung in der Metropolregion Nürnberg“ ins Leben gerufen. Der neue Netzwerkansatz wird durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt "Klimapakt2030plus - Energiewende in der Metropolregion Nürnberg" ermöglicht. Hierbei hat die ENERGIEregion die Koordination des Reallabors "Transformation Gebäudebestand" inne, wovon das Akteursnetzwerk ein wichtiger Bestandteil ist. 

Auch der neue Firmensitz des schwäbischen Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader mit Sitz in Leinfelden bei Stuttgart ist ein positives Beispiel. Bereits 2016 hatte man sich hier für den Kauf eines Grundstücks mit Bestandsgebäude im Nachbarort Echterdingen (unweit von Flughafen und der Autobahn A 8) entschieden. Zwischendurch wurde die rund 5000 Quadratmeter große Halle nach energetischen Gesichtspunkten saniert und das Bürogebäude entkernt. Anschließend folgte die Erweiterung des Bürogebäudes um einen Neubau und die Revitalisierung des Bestandsgebäudes. Eine Kombination aus Luft-Wärme-Pumpe und Pelletsheizung sorgt für optimale Temperaturen. Der Einsatz von LED-Beleuchtung, in den Büroräumen komplett helligkeitsgesteuert, verspricht zudem einen weiteren energetischen Vorteil. Die Photovoltaikfassade deckt 70 Prozent des eigenen Energiebedarfs. Die Firmengeschäfte finden heute in einem nachhaltigen und energieeffizienten Umfeld statt. Gerade bei Büroimmobilien ist es von Beginn an wichtig, Arbeitsplatzbedingungen nutzerorientiert zu planen bzw. zu optimieren. So wird beispielsweise ein optimales Energiemanagement oft dadurch verhindert, dass zu sehr auf technische Maßnahmen gesetzt wird und zu wenig auf die Mitwirkung der Gebäudenutzer.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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