Geldgier und Profit: Warum wir eine Kultur der Mäßigung brauchen
„Wer den Geist der Gierigkeit hat, der lebt nur in Sorgen, niemand sättigt ihn.“ Goethe
Der Preis für Erfolg und Habgier, die von der Rechtswissenschaft als „Rücksichtsloses Streben nach Gewinn um jeden Preis“ definiert wird, hat mit der inneren Währung zu tun: Entseelung und Herzenserkaltung. Die Gier gehört für die Maßlosen zum Wesen der Evolution: „Sie ist gut, sie ist richtig, sie funktioniert! “, lässt Regisseur Oliver Stone in seinem Klassiker „Wall Street“ (1987) den skrupellosen Finanzinvestor Gordon Gekko - gespielt von Michael Douglas - stellvertretend für die Zocker sagen. Zukaufen und Abstoßen sind hier das neue Monopoly. Sie glauben, am Wachstum der Blasenstory teilzunehmen, doch in Wahrheit nehmen sie nur am Zustrom heißer Luft teil.
Die biblische Todsünde der Habgier lief im Mittelalter mit dem Beginn der Geldwirtschaft der Sünde des Hochmutes den Rang ab. Da sich die Gierigen der eigenen Verantwortung nicht bewusst sind, können sie auch nicht sorgend Anteil am Anderen nehmen. Ihnen geht es nur darum, für die Vermehrung der Geld- und Warenproduktion sowie für die Generierung des Wachstums zu sorgen.
Schon die alten Griechen beschäftigten sich mit der Frage des rechten Maßes, ohne das es weder Anstand, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit noch Verantwortung gibt.
Aristoteles plädiert für ein Leben nach der rechten Mitte bzw. dem rechten Maß. Auch die „Mutter aller Tugenden“, wie Thomas von Aquin die Klugheit nennt, lehrt den täglichen Dreischritt: abwägen, urteilen, entscheiden. Gerechtigkeit, Mut und Maß begleiten sie. Auf den verratenen Tugenden Mäßigung, Wahrhaftigkeit und Courage gründet auch die Vertrauenskrise. Dabei ist die Maßlosigkeit, nicht die Ungleichheit „in besonderem Umfang der Beitrag der Wirtschaft“, schrieben Uwe Jean Heuser und Robert Leicht vor über zehn Jahren im ZEIT-Artikel „Es lohnt sich nicht“, in dem sie sich dem Nutzen der Werte widmeten. Damit verbunden ist die Frage nach Verantwortung, Ehrlichkeit und Integrität.
Es müssen Lösungen angeboten werden, die vor allem in die Lage versetzen, die Fehler der Vergangenheit (Finanzkrise) künftig nicht zu wiederholen. Für die Schaffung und langfristige Sicherung materieller Werte ist die Berücksichtigung ideeller Werte schon immer notwendig gewesen, doch gerade in der Krise rückt dieses Thema wieder verstärkt ins Bewusstsein.
Der Dalai-Lama ist davon überzeugt, dass die Gier nach endlichen Dingen nie wirklich befriedigt werden kann: „Statt das menschliche Begehren zu fördern, sollten wir daher die Zufriedenheit kultivieren, weil den Menschen so Enttäuschung und Ernüchterung erspart werden können.“ In seinem aktuellen Buch mit Franz Alt beschreibt er die Herrschaft des Geldes als die „Hauptkrankheit unserer Zeit“ und plädiert dafür, dass jedes Kind in der Schule lernen sollte, dass seine Zukunft und sein Glück auch von dem der anderen abhängt. Er wünscht sich, dass auch der Herzensbildung mehr Aufmerksamkeit zuteilwird. Dazu gehören u.a. Mitgefühl, Liebe, Großzügigkeit und Toleranz.
In einer auf Nachhaltigkeit basierenden Kultur des Versprechens ist ein Vorbild mehr als nur eine realisierte ethische Leitvorstellung.
Ein glaubwürdiges Vorbild zu sein bedeutet, Versprechen und Erwartungshaltungen einzulösen. Glaubwürdigkeit entsteht durch die Einheit von Denken, Reden und Handeln – die Grundlage von Vertrauen. Zur Verantwortung gehört der Mut zur (unbequemen) Wahrheit. Alfred Herrhausen zitierte in diesem Kontext gern den Satz der Dichterin Ingeborg Bachmann: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ Sie ist notwendig, damit Unternehmen sicher gehen können, dass ihre Werte auch wirklich umgesetzt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie lediglich ein Feigenblatt sind und negativ auf das Unternehmen zurückwirken. Verlässlichkeit sowie Treue sich selbst und anderen gegenüber ist eine kleine Münze des Versprechens. Ihr stabiler Kurswert sollte gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten nicht unterschätzt werden.
Weiterführende Informationen:
Der Klima-Appell des DALAI LAMA an die Welt. Schützt unsere Umwelt. Mit Franz Alt. Benevento Verlag. Salzburg, München 2020.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018