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Dr. Klaus Esser - BVkE

Helfen und wirken: Sinnstiftung im Beruf

Ich war als junger Mensch auf der Suche nach Sinn und einer Tätigkeit, in der ich helfen und etwas bewirken konnte. Die Heilpädagogik reizte mich, weil hier Sinnstiftung und praktische Hilfe vermittelt wurde. Meine Leitfrage: Ich wollte vor allem „abweichendes Verhalten“ verstehen lernen. Nach dem Studium habe ich in der Behindertenhilfe die praktische Arbeit für Menschen mit Behinderung und „auffälligem“ Verhalten erlebt und war dort pädagogisch und beratend tätig. Das war eine wichtige Erfahrung, und bis heute profitiere ich von dem Blickwinkel aus dieser Zeit. Die Kinder- und Jugendhilfe – vor allem „das Kinderheim“ - war damals ein Stiefkind der heilpädagogischen Ausbildung, mehr Wirkung versprach man sich damals von der therapeutischen Arbeit. Ich habe in Rahmen eines Praktikums die Arbeit einer Kinderdorffamilie kennengelernt und war beeindruckt von der familiären Atmosphäre und konnte zugleich die Traumata bei Kindern und Jugendlichen erkennen. Hier verband sich für mich eine Problemlage mit einer ganzheitlichen Hilfestellung, die mich gefesselt hat – und bis heute bin ich von der Idee der familialen Konzepte begeistert, weiß aber auch, wie anspruchsvoll diese Arbeit und dieses Sich-Einlassen auf ein Zusammenleben für alle Beteiligten ist. Ich habe aber auch erlebt und selbst intensiv daran gearbeitet, dass auch andere Arbeitsformen und Konzepte entwickelt werden, die für bestimmte Situationen für Kinder und Familien hilfreich und wirksam sind.

Heilpädagogik ist ein wunderbares Fach. Es vermittelt Einsichten und Erkenntnisse in menschliche Entwicklung. Was brauchen Kinder, um sich zu starken und souveränen Persönlichkeiten zu entwickeln. Wenn es Störungen im Aufwachsen gibt, kann Heilpädagogik helfen, Bedingungen für Benachteiligungen zu verstehen und den Betroffenen helfen, diese zu überwinden. Im übertragenen Sinne können diese Einsichten helfen, auch in Leitungsfunktionen Bedingungen für die Entwicklung von Mitarbeitenden zu schaffen. Damit sind Heilpädagog*innen geeignet, in allen Bereichen tätig zu sein, in denen es um Entwicklung, Inklusion und Teilhabe geht. Das Feld ist weit und interessant!

Ehrenamtler*innen spielen für unsere Arbeit eine wichtige Rolle. Immer wieder gibt es Menschen jeden Alters, die sich als „Paten“ für Kinderdorfgruppen anbieten, die dort zu Besuch kommen, mit den Kindern backen und spielen, Bücher vorlesen oder einfach helfen, wo sie gebraucht werden. Dann gibt es meist ältere Damen und Herren, die sich für den Fahrdienst zur Verfügung stellen. Die Kinder müssen ja ständig von A nach B gefahren werden, da ist das eine große Hilfe. Dann – da bin ich ganz besonders stolz darauf – haben wir in meiner Zeit als Einrichtungsleiter im Bethanien Kinderdorf Schwalmtal einen ausgezeichneten Second Hand Laden („Boutique Wie Neu“) gegründet, der ausschließlich von ehrenamtlich tätigen Damen (Altersgruppe 50 bis 70) getragen wird. Darüber hinaus gibt es einen Freundeskreis, der wie ein Förderverein arbeitet. Die Arbeit des Freundeskreises ist rein ehrenamtlich - das betrifft sowohl die Tätigkeiten im Verein als auch die Spendensammelaktivitäten oder Verkaufsbuden bei Festen etc.

Unsere Ehrenamtler*innen sind zumeist Menschen zu Beginn ihrer Rentenphase, manche auch in der letzten Phase ihrer Berufstätigkeit.

Die Paten in den Kinderdorfgruppen stehen in engem Kontakt zu den Pädagogen, sie bieten ihre Hilfe an und unterstützen die Gruppen dort, wo es gerade am nötigsten ist. Manche Passung erweist sich als sehr stabil, es gibt aber auch immer wieder Grenzen, wenn die Vorstellungen der Haupt- und Ehrenamtler voneinander abweichen. Die ehrenamtlichen Mitarbeitenden im Fahrdienst werden von einer hauptamtlichen Koordinatorin eingesetzt, das funktioniert sehr gut. Die ehrenamtlichen Damen der Second-Hand-Kinder-Boutique sind komplett selbst organisiert. Es gibt eine eigene Vereinsstruktur. Die Einrichtungsleitung des Kinderdorfes sorgt für die organisatorische Struktur, ansonsten funktioniert die gesamte Planung und Durchführung des Geschäftsalltages autonom durch die Ehrenamtlerinnen. Dazu gehört auch die Akquise von neuen Ehrenamtlerinnen, wenn eine bestehende Kraft ausfällt.

Die jungen Menschen, die als Freiwillige in die Kinder- und Jugendhilfe kommen, wollen sich orientieren. Sie suchen eine Perspektive für ihr Leben, einen Sinn in ihrem Handeln, eine berufliche Zukunft und sie möchten gerne auch die Zeit zwischen Schulende und Studien- oder Ausbildungsbeginn mit Erfahrungen und Begegnungen füllen. Sie wünschen sich, dass auf ihre Lebensphase und ihre Bedürfnisse eingegangen wird und sie nicht einfach als Arbeitskräfte angesehen werden, die in ein System passen sollen. Deshalb ist es Aufgabe von Trägern und Einrichtungen, diese jungen Leute nicht nur Einblicke und Aufgaben zu geben, sondern ihnen Menschen an die Seite zu stellen, die sich kompetent und empathisch auf die Fragen und Bedürfnisse einlassen, die Angebote konzipieren, die den jungen Menschen entgegenkommen und die den Wert dieser Freiwilligenzeit anerkennen. Kreative Angebote, Seminare, offene Treffen und Begegnungsräume sind hier gefordert. Die Chance, hier im Leben von jungen Menschen Ankerpunkte zu setzen, dürfen sich christlich orientierte Träger und Einrichtungen einfach nicht entgehen lassen!

Dr. Klaus Esser (* 9. Dezember 1958) ist Diplom-Heilpädagoge, Geschäftsführer der Bethanien Kinderdörfer und seit 2017 Vorsitzender des Bundesverbandes katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen (BVkE), in dem er schon seit 1994 im Vorstand wirkt.

Studium

  • 1979 – 1983 Ausbildung als Kinderkrankenpfleger, Uni Kinderklinik Köln

  • 1983 – 1986 Kath. Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln, Studiengang Heilpädagogik.

  • Von 2005 bis 2010 nebenberufliches Promotionsstudium an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln.

  • Promotion im Juli 2010. Dissertation zum Thema: Die retrospektive Bewertung der stationären Erziehungshilfe durch ehemalige Kinder und Jugendliche. Ein Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Wirkungsorientierung.

Weiterbildung

  • Psychodynamisches Coaching. Weiterbildung am Institut für Psychodynamische Organisationsentwicklung + Personalmanagement Düsseldorf e.V. (pop-psa)

Beruf

  • 1986 – 1992 Tätigkeiten in Beratung, heilpädagogischer Betreuung und Leitung in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.

  • 1992 Pädagogischer Leiter des Bethanien Kinder- und Jugenddorfes Schwalmtal

  • 2001 Einrichtungsleiter des Bethanien Kinder- und Jugenddorfes Schwalmtal

  • Seit 01.07.2018 alleiniger Geschäftsführer der Bethanien Kinderdörfer gGmbH, verantwortlich für drei Bethanien Kinderdörfer in NRW und in Hessen.

  • Verbandliches Engagement in BVkE + AGkE Bistum Aachen

  • Seit 1992 regelmäßige Teilnahme an der Heimleiterkonferenz des DiCV Aachen.

  • Seit 1994 gewähltes Vorstandsmitglied des Bundesverbandes katholischer Einrichtungen der Heim- und Heilpädagogik, ab 2013 Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe (BVkE) e.V., Fachverband des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg, ab 2021 Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe.

  • Seit 1994 Mitglied des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft katholischer Erziehungshilfe (AGkE) in Aachen

  • Von 1995 bis 2002 Leitung der Fachausschüsse „Qualitätsmanagement“ und „Standards und Qualitätsentwicklung“ im BVkE.

  • Mitglied der Delegiertenkonferenz des Deutschen Caritasverbandes (DCV) 2014-2016.

  • Seit 2021 Mitglied im Caritasrat des Deutschen Caritasverbandes (DCV).

  • Seit November 2017 gewählter 1. Vorsitzender des BVkE.

Referent/Dozent in Weiterbildung und Lehre

  • 1999- 2019 Referent einer Weiterbildung für Führungskräfte in heil- und sozialpädagogischen Einrichtungen aus psychodynamischer und systemischer Sicht in Kooperation mit der Europäischen Akademie für Heilpädagogik (EAH) im Berufsverband der Heilpädagogen (BHP).

  • 2002-2004 Lehrauftrag an der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Sozialwesen: Qualitätsmanagement in der Kinder- und Jugendhilfe.

  • Seit 2015 Mitglied der „Arbeitsgruppe Fachzentrum Erziehungshilfen“ an der Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät, Department Heilpädagogik, Lehrstuhl Erziehungshilfe und Soziale Arbeit. Mitbegründer der Vorlesungsreihe „Schnittstellen innovativer Erziehungshilfen“.

  • Gründungsmitglied der European Charity University e.V. (ecu).

Buch- und Fachpublikationen

Veröffentlichungen und Fachbeiträge in Fachzeitschriften und Fachbüchern, Herausgeber und Mitherausgeber diverser Fachbücher

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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