Heute auch (wieder) keinen Bock mehr auf Arbeiten?
**Seit Wochen geistert der Begriff durch die Medien: Quiet Quitting.**Wenn Menschen nur exakt so viel leisten, dass sie nicht gekündigt werden. Ich frage mich: Wer hat denn die letzten 20 Jahre dem Gallup Institut nicht zugehört, dessen Studie Jahr für Jahr zu Tage fördert, dass 70% der Arbeitnehmer:innen genau das schon immer genau so gemacht haben?
Dennoch scheint sich die öffentliche Wahrnehmung jetzt erst darauf zu stürzen – oder es stellt sich jetzt erst Betroffenheit darüber ein.
Da ist also eventuell was im Busch. Könnte es damit zusammenhängen, dass allein im letzten Jahr in Deutschland über 1,6 Milliarden Überstunden geleistet wurden? Oder damit, dass schon 2020 mehr als 1/3 der deutschen Manager:innen am Rande der Überforderung standen?
Vielleicht auch damit, dass die VUKA-Welt ihren Einfluss in unbekanntem Ausmaß sowohl auf Privat- als auch auf Berufsleben geltend macht? Und die Unsicherheit einfach täglich zunimmt, während Menschen – selbst in Pandemiezeiten – versuchen, für ihre Arbeitgeber:innen ihr Bestes zu leisten, einfach keine Bewegung im System mehr erkennen können, und es daher eher langsam angehen lassen? Die “Zeit der Reflektion” im Homeoffice hat eventuell bei Menschen einen Prozess angestoßen, der jetzt in der Zustandsbeschreibung “Quiet Quitting" seine Form gefunden hat. Es kann ihnen niemand verübeln! Während die Wirtschaft weiter stark wächst (ok, warten wir ab, was die drohende Rezession bewirkt), steigen auch die Lebenshaltungskosten, steigt die Inflation, steigen die Ängste der Arbeitnehmer:innen. Wir lesen täglich in der Zeitung davon.
Das Tauschgeschäft hat ein Ungleichgewicht.
Ein Großteil der Menschen hat keine Lust mehr, in einer Form Höchstleistung zu erbringen, die ihnen nicht – in ihren Augen – ausreichend vergütet wird. Und damit ist nicht nur monetäre Vergütung gemeint. Laut der Personio HR-Studie 2022 hat in den letzten Jahren ein Wandel stattgefunden: Vergütung ist auch emotional gemeint. Wenn die Arbeitgeber:innen sich nicht ausreichend um den Menschen kümmern, warum sollten diese sich mehr als eben ausreichend um die Arbeitgeber:innen kümmern? Das bekannte Tauschgeschäft hat ein Ungleichgewicht. Und das ist nicht von den Arbeitnehmer:innen, sondern von den arbeitgebenden Institutionen verursacht. Während früher der Tausch “Zeit gegen Geld” für alle Parteien ein klares Geschäft war, geht es jetzt um “Leistung gegen Geld”. Und hier haben viele Unternehmen ein Problem. Was heißt in dem neuen Zeitalter, in dem wir leben dürfen, eigentlich Leistung? Und wie wird diese vergütet? Welches Umfeld wird von Menschen erwartet, was wird ihnen geboten? Hier sind übrigens keine bunten Möbel gemeint.
Quiet Quitting ist ein Resultat daraus, dass Firmen Kulturwandel verschlafen haben. Es wurde vergessen, den Menschen in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen. Damit ist keine Überhöhung gemeint, sondern einfach Menschen Menschen sein zu lassen und diese individuell (und meistens übrigens: wie Erwachsene) zu behandeln.
Liebe Chefinnen und Chefs: Wenn ihr beginnt, in Euch rein- und euren Mitarbeiter:innen zuzuhören, weicht die Verwunderung über Quiet Quitting sicher sehr schnell der Erkenntnis, dass es kein zu verteufelndes Wunder, sondern logische Folge der Arbeitswelt von heute ist, oder?
Ich wünsche euch und uns viel Glück und Erfolg!