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@Marco Melgrati / Annahita Esmailzadeh

Im Iran wird diskriminiert, gefoltert und gemordet: Einblicke einer Insiderin

Annnahita Esmailzadeh ist Managerin bei Microsoft und hat iranische Wurzeln. Die Aufstände in ihrem Heimatland sieht sie als einzige Lösung, auf Missstände aufmerksam zu machen und langfristig Veränderungen zu erzielen.

Dieser Artikel versucht Antworten auf wichtige Fragen zu geben und soll als Aufruf dienen, ihn zu teilen und diesem so wichtigen Thema Gehör zu verschaffen.

...Welch unfassbarer Diskriminierung und Misshandlungen sind Frauen im Iran heutzutage ausgesetzt?

...Welche neue Dimension nehmen die Proteste im Iran an?

…Warum gehen immer mehr Menschen auf die Straße und setzen sich somit Gefahren bis hin zur Erschiessung aus?

...Wie wichtig sind diese Proteste im Kampf gegen das Terror-Regime im Iran?

...Wie können wir in Deutschland diese Revolution unterstützen?

Zur Veranschaulichung möchte ich - mit ihrer ausdrücklichen Erlaubnis - aus der Perspektive von Annahita Esmailzadeh auf die Geschehnisse im Iran blicken.

Annahita Esmailzadeh hat in ihrer eigenen Familie erlebt, wie die Sittenpolizei im Iran gegen Frauen vorgeht.

Mit dem im Verlauf dieses Artikels zitierten Interviewpassagen ist Annahita Esmailzadeh das Risiko eingegangen, dass sowohl sie als auch ihre Familie nicht mehr sicher in den Iran einreisen können.

Annahita erhebt trotz der Gefahren, die damit einhergehen, ihre Stimme, und dient damit als Vorbild für Mut und Tapferkeit im Kampf für die Werte der Freiheit & Demokratie im Iran.

Annahitas Familie ist in Gefahr und erlebt für uns in Deutschland unvorstellbare Dinge.

Vor einigen Jahren wurde zum Beispiel Anahitas Cousine Parisa von der iranischen Sittenpolizei in Gewahrsam genommen.

Der Grund? Neben ihrer vermeintlich zu engen Kleidung, vor allem ihre hellroten langen Fingernägel.

Sie musste als Strafe einige Stunden zur „Belehrung“ bei der Wache verbringen.

Doch dabei beließen es die Sittenwächter nicht.

Ihre Hände musste sie für die komplette Zeit in zwei Plastiktüten stecken.

Zwei Plastiktüten, die bis an den Rand gefüllt waren mit Schaben und Kakerlaken.

Auf dass es ihr eine Lehre sein sollte, zukünftig von derartigen „Verfehlungen“ Abstand zu nehmen.

Das findet ihr genauso unfassbar wie sie und ich?

Wir wissen hierzulande in unserer demokratischen Welt unsere Privilegien oftmals gar nicht zu schätzen.

Unsere Freiheit.

Die Freiheit, unsere Meinung frei zu äußern.

Die Freiheit, zu lieben, wen wir wollen.

Die Freiheit, uns zu kleiden, wie es uns gefällt.

Getrieben von Wut und Trauer über den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini gehen aktuell viele Tausende Menschen Tag für Tag im Iran auf die Straßen.

Die 22-Jährige Mahsa wurde in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen, weil ihr Kopftuch zu locker saß, drei Tage später war sie tot. Gerüchten zufolge ist sie an Hirnblutungen gestorben, verursacht durch die enorme Brutalität der Polizisten.

Es war der Auslöser für Demonstrationen, wie sie die islamische Republik noch nie erlebt hat.

Annahita ist nach wie vor tief im Iran verwurzelt und hat Verwandtschaft, die dort lebt.

Als Kind verbrachte Annahita die Sommerferien häufig bei ihre Großeltern in den Bergen des Iran.

Schon im Kindesalter hat sie nicht verstanden, warum die Meinungsfreiheit dort so stark eingeschränkt war und welche menschenverachtende „Regeln“ in einer Autokratie, wie dem Iran, an der Tagesordnung sind und hat zu schätzen gelernt, welch hohen Wert Freiheit und demokratische Prinzipien haben.

Aktuell nimmt durch den tragischen Tod von Mahsa Amini der Protest und die Auflehnung gegen das System landesweit im Iran immer mehr Fahrt auf.

Die Menschen demonstrieren öffentlich und lehnen sich in großen Gruppen gegen das Regime auf.

Aus Annahitas Perspektive

„ist dieser Aufstand der Inbegriff von Mut.“ (WELT)

Der fundamentale Unterschied zwischen Demonstrationen in demokratisch geführten Ländern, wie Deutschland, zu autokratisch geführten Ländern, wie aktuell der Iran oder auch Russland, ist die ungeheure Brutalität mit der Sicherheitskräfte gegen Teilnehmer der Demonstrationen vorgehen.

Es wird mit Schusswaffen gegen Demonstranten bis hin zur Exekution vorgegangen, Menschen werden inhaftiert weil sie ihre Meinungen äußern und in Straflager für 10 Jahre in Haft unter miserabelsten Umständen genommen, etc.

Dennoch lehnen sich zunehmend mehr Menschen im Iran und Russland gegen die Regime auf, um für ihre Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen.

Viele gehen dafür sogar so weit, dass sie ihr Leben riskieren.

Was an der Situation im Iran extrem schockiert, ist die Stellung und Diskriminierung der Frauen.

Annahita Esmailzadeh hat der Tageszeitung DIE WELT ein Interview gegeben, von welchem ich mit ihrer Zustimmung hier in Auszügen wiedergebe, wie grausam die Situation sich aktuell im Iran darstellt:

1. Diskriminierungen - Frauen haben Berufsverbote, vor Gericht zählt die Stimme von Frauen nur halb soviel wie die eines Mannes

Annahita in WELT: „Mit der islamischen Revolution ging eine gesetzliche Diskriminierung der Frauen einher. Die Diskriminierung von Frauen ist im Iran sehr vielfältig. Frauen sind in fast allen Rechtsbereichen stark benachteiligt, und das verstößt gegen völkerrechtlich bindende Menschenrechtsverträge. Sie dürfen verschiedene Berufe, wie das Richteramt, nicht ausüben. Sie erleben Benachteiligungen beim Zeugenrecht, beim Ehe- und Scheidungs- sowie beim Sorgerecht. Vor Gericht zählt ihre Aussage nur halb so viel wie die eines Mannes. Häufig werden weibliche Zeugen vor Gericht auch gar nicht erst zugelassen.“

2. Zwänge - Frauen werden gezwungen Kopftücher zu tragen

Annahita in WELT: „Das Kopftuch ist seit der Zeit des Schahs ein Politikum. Damals protestierten Frauen, weil es verboten wurde. Und genau hier wird das Problem deutlich: Zwang. Jeder Frau sollte freigestellt werden, wie sie sich kleiden möchte. Ob mit oder ohne einem Stück Stoff auf dem Kopf. Hier sollte das Recht auf Entscheidungsfreiheit gegeben sein."

3. Aufstand als einzige Lösung

Annahita in WELT: „Wir sehen, dass es in den vergangenen Jahrzehnten keine spürbaren Verbesserungen gegeben hat. Diese Aufstände sehe ich als einzige Lösung, auf Missstände aufmerksam zu machen und langfristig Veränderungen zu erzielen. Das Problem ist, dass es weder eine echte Opposition im Iran gibt, noch einen klaren Anführer für die Proteste.

(…)

Alle Geschlechter und alle Gesellschaftsteile gehen auf die Straßen. Auslöser war der Tod einer jungen Kurdin. Kurden werden im Iran bis heute schwer diskriminiert. Jetzt aber hat der Tod einer jungen Kurdin ausgelöst, dass sich Menschen aller Religionen und Schichten, ob Schiiten, Kurden, Christen oder Juden, ob reich oder arm vereinen und gemeinsam auf die Straßen gehen. Wir beobachten unter den Demonstranten einen Querschnitt der Gesellschaft, das hatten wir noch nie. Es braucht jetzt diese Revolution, denn es kann so nicht weitergehen im Iran.“

4. Inhaftierung, Folter, Exekution durch Schusswaffen - Das Blutbad hat längst begonnen - der Staat geht mit allen erdenklichen Mitteln und schlimmster Brutalität gegen die Proteste vor

Annahita in WELT: „Diese Menschen riskieren alles. Verhaftungen bedeuten Folter, undurchsichtige Gerichtsverfahren und lange Haftstrafen. Sie riskieren aber auch Tötungen. Man muss sich mal vorstellen, wie groß der Schmerz dieser Menschen sein muss, dass sie alles aufs Spiel setzen, sogar ihr Leben. (…) Das Blutbad hat doch längst begonnen. Es wird scharf geschossen. Die Reaktion auf diese Proteste besteht aus Angst und Gewalt. Aus purer Einschüchterung.“

5. Was kann Deutschland tun?

Annahita in WELT: „Leider ist der Leidtragende zusätzlicher Sanktionen oftmals das Volk. Es sind also gezielte Sanktionen gegen die Exekutivorgane notwendig. Ich würde mir zudem von der deutschen Politik klarere Worte wünschen. Zu viele führende Politiker hüllen sich in Schweigen. Das ist mir angesichts dieses Grauens völlig unverständlich. Deshalb nutze ich meine Reichweite, um darauf aufmerksam zu machen. Außerdem benötigen wir eine unkomplizierte Aufnahme von Menschen aus dem Iran. Ich würde es zu gerne erleben, dass der Iran ein freies Land wird."

Den Link zum vollständigen Interview in der WELT findet ihr unter dem folgenden Link:

https://www.welt.de/politik/ausland/plus241315021/Aufstand-im-Iran-Das-Blutbad-hat-doch-laengst-begonnen.html

Die Menschen im Iran sind momentan auf den Straßen und demonstrieren für eben jene Freiheit, die von uns vielerorts schulterzuckend als selbstverständlich wahrgenommen wird.

Lasst uns bitte nicht wegsehen und unsere Stimmen für sie erheben.

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Sebastian A. Holtkemper schreibt über NEW WORK, Leadership, Unternehmenskultur, Innovation & Technologie

Sebastian Holtkemper ist Geschäftsführer von itesys, einem der am rasantesten wachsenden Tech-Ventures in der D-A-CH Region. Er liebt es, Teams und Menschen zu inspirieren & zu entwickeln. Als Insider berichtet er über seine Erfahrungen als Leader in der IT-Branche.

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