„Ja, lachen Sie nur!“ Zur Aktualität von Karl Valentin
Alfons Schweiggert verfasste nicht nur zahlreiche viel beachtete Bücher über Karl Valentin, in denen er sich mit den unterschiedlichen Facetten dieses großen Tragikomikers von Weltrang befasst. Er gründete 2007 zu Valentins 125. Geburtstag auch die Karl Valentin-Gesellschaft n.e.V.. Außerdem erfand er den Großen Karl Valentin Preis, der als einziger Preis weltweit aus "Nichts" besteht, und der 2007 im Münchner Volkstheater an Gerhard Polt und die Biermösl Blosn, 2010 an Fredl Fesl, 2012 an Helge Schneider und 2017 an Sigi Zimmerschied verliehen wurde. 2019 beschloss der Kulturausschuss des Münchner Stadtrats mit Zustimmung des Preisgründers sowie der von ihm begründeten und geleiteten „Karl Valentin-Gesellschaft“ (neuer Name: Valentin-Karlstadt-Gesellschaft) und dem Valentin-Karlstadt-Förderverein „Saubande“, zu deren Vorstand Schweiggert gehört, dass der „Große Karl Valentin-Preis“ künftig von der Stadt München unter dem erweiterten Namen „Großer Valentin-Karlstadt-Preis“ als städtischer Preis weitergeführt wird.
Bekanntlich entstammt der Begriff Humor der lateinischen Bezeichnung „umor“, was in etwa Feuchtigkeit bedeutet. Alles, was Existierendes befeuchtet, erweckt es zum Leben und erhält es am Leben. Wo Humor aufstrahlt, gedeiht zweifellos Leben. Der wahre Humor ist sich bewusst, dass man im Grunde genommen nichts zu lachen hat, worüber man aber lachen darf, bis einem die Tränen kommen. Mit Humor scheint es sich also wie mit Austern zu verhalten: eine Perle setzt immer eine kleine Wunde voraus. Zum Ganzen der Wirklichkeit gehört auch Leid und Ernst. So gesehen ist Humor die Fähigkeit, heiter zu bleiben, wenn es ernst wird. Und wenn es ernst wird, vernimmt man nicht selten den entlarvenden Seufzer: „Das kann ja heiter werden.“ Der bekannte Spruch „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ bezeichnet mit dem Wörtchen „trotzdem“ die Überwindung, die dem Humor innewohnt. Humor gründet auf der Hoffnung, dass diese Überwindung immer aufs Neue gelingen kann. Albert Camus drückte das so aus: „Humor tröstet die Menschen über das hinweg, was sie in Wirklichkeit sind.“
Es ist die breitgefächerte Genialität dieses Tragikomikers. Er war ja nicht nur Volkssänger und Musicalclown, sondern auch Schauspieler und Kabarettist, Regisseur und Theaterdirektor, Handwerker und Erfinder, bildender Künstler und Photograph, Sammler und Museumsdirektor, Schriftsteller, Dramatiker und Verleger und Film- und Rundfunkpionier. Und er hatte eine Bühnenpartnerin an seiner Seite – sie darf man nicht vergessen!!! – die nicht nur Stichwortgeberin, Souffleuse und Organisatorin war, sondern auch Improvisationsmeisterin oder wie sie sich im Blick auf das Nervenbündel Valentin selbst bezeichnet hat: „Nervenärztin mit Nebenberuf Schauspielerin“.
Valentin schien in seinen Sketschen, Mono- und Dialogen nur mit geraden Gedanken zu starten, die sich aber blitzschnell zu einem „senkrechten Kurvenflug im horizontalen Dreieck“ entwickelten und die dem Publikum rasch ein „Denkbeben“ bescherten, das eine „Gehirnerschütterung“ der besonderen Art nach sich zog.
Ja, Kurt Tucholsky bewunderte Valentins „seltsamste Komik“, die er „einen Höllentanz der Vernunft um beide Pole des Irrsinns“ nannte und erblickte in ihm einen „selt¬samen traurigen, unirdischen, maßlos lustigen Komiker, der links denkt.“ Ich selbst stimme auch Bert Brecht zu, der Valentin „einen durchaus komplizierten, blutigen Witz“ nannte und ihn als „eine der eindringlichsten geistigen Figuren der Zeit“ sah. Es sei nicht „einzusehen, inwiefern Karl Valentin dem großen Charlie nicht gleichgestellt werden sollte.“
Seit ich zum ersten Mal seine Stimme gehört, Filme und Sketche gesehen und gelesen habe, was er so alles geschrieben hat. Ich kann diesbezüglich nur Roda Roda zustimmen, der einmal sagte: „Karl Valentin: Ein Freuden¬fest des Auges und des Ohrs. Gebt ihm den Nobelpreis der Komik, des Humors! Seine Komik ist gelassen, trocken, ist überirdisch, olympisch.“ Den Nobelpreis hat er leider nicht bekommen und auch sonst keinen Preis. Zu Ehren des preislosen Valentin habe ich 2007 den „Großen Karl Valentin-Preis“ gegründet, der aus „NICHTS“ besteht. Es ist dies der erste Preis weltweit, bei dem der Preisträger wirklich nichts erhält und trotzdem glücklich ist. 2007 wurde „NICHTS“ erstmals an Gerhard Polt und 2012 an Helge Schneider verliehen. 2019 hat dann der Münchner Stadtrat mit meiner Zustimmung beschlossen, dass der „Große Karl Valentin-Preis“ künftig unter dem erweiterten Namen „Großer Valentin-Karlstadt-Preis“ von der Stadt München als städtischer Preis weitergeführt wird.
Die Karl Valentin-Gesellschaft habe ich anlässlich des 125. Geburtstags von Karl Valentin am 4. Juni 2007 mit Zustimmung von Valentins Enkelin Anneliese Kühn und der Urenkelin Rosemarie Scheitler sowie im Beisein von Valentins Nachlassverwalter Gunter Fette in Valentins Geburtshaus in München ins Leben gerufen. Die Karl Valentin- Gesellschaft n.e.V. ist ein nicht eingetragener Verein, also ohne Einkünfte, da sich die Gesellschaft nur als loser Zusammenschluss von kunstschaffenden Menschen sieht, die eine besondere Beziehung zu Valentins oder Liesl Karlstadts künstlerischem Wirken haben und sich dafür auf individuelle Weise engagieren wollen.
Die Karl Valentin- Gesellschaft
setzt sich für die Erforschung und Darstellung von Valentins Werken, seiner Person und seiner Zeit ein,
dokumentiert auch das Leben und Wirken seiner Partnerin Liesl Karlstadt, und vertieft auf diese Weise das Verständnis für beide,
plant Publikationen über Leben und Werk Valentins und seiner Partnerin und erhält Valentins und Liesl Karlstadts geistiges Erbe lebendig,
weist in allen Medien immer wieder auf die Bedeutung des Komiker-Duos hin.
Besondere Anliegen der Karl Valentin – Gesellschaft sind:
Einrichtung eines Valentin-Karlstadt-Theaters in München,
Aufstellung der Büsten Valentins und Liesl Karlstadt in der Ruhmeshalle,
Ernennung der Stadt München zur „Liesl Karlstadt/Karl Valentin-Stadt“,
Benennung einer Münchner Schule nach Karl Valentin / Liesl Karlstadt,
Belebung besonderer Stätten in und um München, die mit Valentin und Karlstadt in Verbindung stehen,
Errichtung eines „Valentin-Karlstadt-Zentrums“ in München.
Das sind neben Valentins Enkelin und Urenkelin, der Verwalter des Nachlasses von Karl Valentin, Gunter Fette, dann auch Schauspieler wie Fritz Wepper, Michael Lerchenberg sowie die Kabarettisten Gerhard Polt, Wolfgang Krebs, Django Asül, Christian Springer und Helmut Schleich. Des Weiteren die Regisseure Jo Baier und Manfred Stelzer, auch Schriftsteller wie Friedrich Ani und Janosch, dann die Leitung des „Valentin-Karlstadt-Musäums“ und des „Münchner Künstlerhauses“ und etliche Valentin- und Karlstadt-Biographen sowie Verleger von Valentin-Büchern und Theaterstücken.
Valentin-Enkelin Anneliese Kühn, die leider schon verstorben ist, und Valentins Urenkelin Rosemarie Scheitler unterstützen alle Institutionen, die sich für ihren berühmten Vorfahren engagieren. Die Urenkelin lebt übrigens noch im Valentin Landhaus in Planegg, das sich ihr Urgroßvater seinerzeit errichten ließ.
Zu vielen der von mir veröffentlichten Valentin-Bücher habe ich eigene Illustrationen geschaffen, mit denen ich die Gestalt des Komikers auf meine Weise zu interpretieren suche. Valentin hat mich immer wieder auch zur bildlichen Darstellung gereizt.
Wie bei allen genialen Künstlern ist es die unerschöpfliche Kreativität, der Erfindungsreichtum an Figuren und Szenen, die literarische Qualität seiner Texte und sein abgründiger dialektischer Witz, die ihm auch weiterhin und das nicht nur in Bayern und Deutschland, sondern weltweit ein bleibendes Interesse sichern.
Nicht nur ein Zitat ist mir wichtig. Valentins Werk ist voll wunderbarer Zitate. Hier nur ein paar davon:
Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist.
Mögen hätt´ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.
Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische.
Hätte ich Tränen dabei gehabt, ich hätte dieselben geweint.
Am sichersten wär‘s halt, wenn man seinen Wahlzettel acht Tag nach der Wahl abgeben könnt. Na wissat ma, wer die Stimm‘ noch braucht.
Die Zukunft war früher auch besser!