Job kündigen? Bitte nicht zu schnell!
Vor Jahren war es noch so: Wer seinen Job oder seinen Chef nicht mochte, der musste trotzdem ein paar Jahre im Job verharren und mit dem miesen Boss oder Gehalt auskommen. Zum Einen, weil der Arbeitsmarkt nicht so durchlässig war. Zum Anderen, weil schnelle Jobwechsel in Folge pures Gift für den Lebenslauf waren.
Nach dem zweiten oder dritten Jobwechsel in Folge galt man schon als Jobhopper. Bestenfalls als ziellos, orientierungslos und unstet. Schlimmstenfalls als illoyal und unführbar.
Die Kündigung ist einfach geworden – zu einfach?
Heute ist das anders. Es ist kein Stigma mehr – insbesondere für Berufseinsteiger und junge Menschen – wenn sie anfangs relativ rasch wieder kündigen. Der Arbeitsmarkt ist durchlässiger; die Arbeitgeber können aufgrund des Fachkräftemangels auch nicht mehr so wählerisch sein. Und wir wissen letztlich alle, dass sich manche Arbeitgeber heute im Netz auch einfach besser verkaufen, als sie sind.
Aber – und hier taucht ein modernes Problem auf: Weil die Kündigung so einfach geworden ist, wird sie auch häufiger genutzt. Und meine Beobachtung ist: zu häufig und vor allem zu schnell und voreilig...
Jeder zweite Arbeitnehmer möchte den Job kündigen
Aktuelle Umfragen zeigen uns: Die Deutschen sind mehrheitlich unglücklich mit ihrem Job. Rund jeder Zweite würde am liebsten wechseln. Andere Studien sagen: Zwei von drei haben bereits innerlich gekündigt. Bis zum tatsächlichen Jobwechsel und zur Kündigung ist es dann nicht mehr weit.
Aber was machen junge Menschen oder Berufseinsteiger heute? Und das beobachte ich leider zu oft: Statt das Gespräch mit dem Chef zu suchen, betreiben sie Quiet Quitting. Statt nach einer Gehaltserhöhung zu fragen, suchen Sie einen anderen Job (oder motzen nur im Internet – aber andere Geschichte). Statt aktiv ihre Situation positiv zu verändern kündigen sie. Oder sie kündigen schon, weil ihnen die Unternehmenskultur nicht gefällt oder weil sie Beef mit den Kollegen oder Vorgesetzten haben…
Jammern auf hohem Niveau
Bitte nicht falsch verstehen: Dies wird kein Plädoyer für das Aushalten und Ausharren in einem toxischen Umfeld. Wenn der Job, Arbeitsbedingungen und Umfeld massiv schaden, vielleicht sogar gesundheitlich, dann sollte JEDER sofort die Reißleine ziehen und seinen Job kündigen. Kein Job, kein Gehalt der Welt sind es wert, dass ich mich dafür kaputt mache.
Aber sind wir bitte auch hier ehrlich: Solche super toxischen Stellen sind die Ausnahme. Arbeitsstellen sind nicht immer perfekt, ja. Die Kollegen haben Macken oder Mundgeruch – auch das. Aber das ist kein substanzieller Grund, sofort das Handtuch zu werfen, sondern Jammern auf hohem Niveau.
Wer aufgibt, lernt nie Konflikte zu überwinden
An dieser Stelle hier kommt meine Sorge für die Zukunft ins Spiel: Was passiert eigentlich mit (jungen) Menschen, die nie gelernt haben, Dinge selbst zu verändern, Konflikte auszuhalten, daran zu wachsen, den "Stier bei den Hörnern zu packen" sondern stattdessen sofort wieder die Flinte ins Korn werfen und wegrennen?
Was ist zum Beispiel mit einem Menschen, der in seinem Lebenslauf 9 Jobs in 4 Jahren stehen hat...
Ich verstehe voll, dass man sich am Anfang noch ausprobiert, orientiert, abwägt. Aber so ein Lebenslauf erzählt eben auch eine zweite Geschichte. Die von jemandem, der nie wirklich gekämpft hat, sondern vorzeitig gegangen ist oder gegangen wurde. Und ich kann dann ebenso jeden Arbeitgeber verstehen, der auf einen solchen CV schaut und sich sagt: „Das Risiko, dass der oder die Kandidatin auch bei uns nach vier Wochen wieder kündigt, ist mir zu groß. Lieber gleich absagen…“ – Oder: „Das könnte ein toller Mitarbeiter sein, aber ich kann es mir nicht leisten in drei Monaten die Stelle erneut besetzen zu müssen.“
Häufige Jobwechsel sind keine Berufserfahrung!
Und auch dieser Punkt ist nicht minder relevant: Wer in so kurzer Zeit so viele verschiedene Jobs und Arbeitgeber gewechselt hat, konnte sehr wahrscheinlich kein solides "Skillset" entwickeln und echte fachliche Tiefe oder Expertise erreichen. Dafür reichen die Kurzzeit-Engagements einfach nicht aus!
Mehr noch: So jemand hat nie wirklich in einem Sturm ausgehalten und navigiert, sondern ist eben schon vorher ausgestiegen. Es sind Schönwetter-Kapitäne und -Kapitäninnen im Wortsinn. Und das Ergebnis ist, dass diese Kandidatinnen und Kandidaten zwar vielleicht fünf Jahre Erfahrungen in Jobs mitbringen, aber eben keine "fünf Jahre Berufserfahrung". Unterschied!
Diese Bewerber haben – um beim Beispiel und der Rechnung zu bleiben – vielleicht zehn Mal 6 Monate Berufserfahrung. Aber eben keine 5 Jahre. Und inhaltlich, in Sachen (Fach-)Kompetenz, macht das einen Riesenunterschied.
Zu viele Jobwechsel senken den Marktwert
Und eben dieser Unterschied macht sich nicht nur bei den späteren Bewerbungschancen bemerkbar, sondern auch beim Gehalt und Marktwert. Wenn Betroffene dann nach, sagen wir, 3 Jahren im Job zu ihrem Chef gehen und eine Gehaltserhöhung verhandeln, weil sie denselben Job machen wie ihre Kollegen – vielleicht sogar genauso gut -, haben sie trotzdem ein Problem.
Das Unternehmen bezahlt dich nicht nur für deine Arbeit heute. Schon gar nicht, wenn es um mehr Geld in der Zukunft geht. Es bezahlt dich ebenso dafür, dass du Probleme lösen und durch schwere Zeiten manövrieren kannst! Und genau diese wichtige und wertvolle Erfahrung, dieser Skill – erst recht in diesen aktuell turbulenten Zeiten – können diese Mitarbeiter nicht vorweisen.
Mehr noch: Wirklich erfahrene Troubleshooter können für andere Kollegen eine hilfreiche, mentale Stütze sein oder sie anleiten, wie man durch schwere Zeiten kommt. Und das macht sie zu echten Leistungsträgern und stabilen Säulen im Unternehmen, die man unbedingt hält und ihnen auch mehr bezahlt… unseren "Aufgebern" aber nicht.
Fazit
Ich will das nochmal ganz deutlich sagen: Ich finde die Durchlässigkeit des heutigen Arbeitsmarktes wunderbar. Sie eröffnet allen Arbeitnehmern, Einsteigern und Bewerbern heute großartige Chancen zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Aber solche Freiheiten bergen immer auch Gefahren und verführen zur Leichtfertigkeit.
Niemand muss sich in einem miesen Job quälen. Aber es gibt einen feinen und doch entscheidenden Unterschied zwischen „abbrechen“ und „aufgeben“. Im ersten Fall steckt wenigstens noch der Versuch, der Wille zum Turnaround. Im zweiten die Kapitulation. Auch vor sich selbst. Schade.
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