Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Klima und Energie: Die größten Hindernisse für Industrieunternehmen – und wie sie bewältigt werden können

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Herausforderungen für Unternehmen

Eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist die Deckung des stetigen Energiebedarfs und gleichzeitige Reduzierung der CO2-Emissionen. Noch schwieriger wird es, wenn Klimaschutz und gerechte Einkommensverteilung hinzukommen. Alle drei Ziele des „magischen Dreiecks“ (Klimaschutz – Sicherheit – Bezahlbarkeit) gleichzeitig zu erreichen, ist eine enorme gesellschaftliche und ökonomische Herausforderung. Viele Ziele, mit denen vor allem die Industrie heute konfrontiert ist, sind allerdings nicht realistisch und können nicht erreicht werden. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • überbordende Bürokratie (Länge und Komplexität von Genehmigungsprozesse)
  • gesellschaftliches Diskursklima, in dem Ideologie und vermeintliche Moral mehr zählen als faktenbasierte Argumente (Verzettelung in „Schwarz-Weiß-Diskussionen“)
  • die Illusion, alle Probleme auf einmal lösen zu können
  • falsche politische Prioritäten
  • politischer Rigorismus und radikaler Aktivismus
  • Vorwände, um den Klimaschutz auf die lange Bank zu schieben.

Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende des Vorstands und Gesellschafterin des Maschinenbauunternehmens TRUMPF, kritisiert ebenfalls den von der Politik geforderten radikalen Umbau in so kurzer Zeit: Er kann nicht gelingen, ohne dass wir die Innovationsfähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit, den sozialen Frieden im Land gefährden. Wir müssen priorisieren. Was können wir uns leisten oder nicht leisten? Was geht, und was geht nicht? Die Umstellung im großen Maßstab braucht Zeit. Zu den Gründen gehören zum Beispiel lange Lieferzeiten der notwendigen Materialien. Weitere Herausforderungen sind hohe Betriebskosten von klimafreundlichen Technologien, die Energieabhängigkeit der EU, eine noch nicht komplett robuste Stromnetzinfrastruktur oder Infrastruktur. Dr. Karl-Ludwig Kley kennt die Herausforderungen der Klimakrise ebenfalls aus nächster Nähe. Bis 2023 war er Vorsitzender des Aufsichtsrates des Energiekonzerns E.ON. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Lufthansa AG und war in den letzten 20 Jahren Mitglied in verschiedenen Aufsichtsgremien – darunter der Bertelsmann AG, Verizon Communications Inc., USA, und der BMW AG. Er war Finanzvorstand von Lufthansa, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Merck KGaA, der Baden-Badener Unternehmergespräche und des Wirtschaftsbeirats des Goethe Instituts. Kley ist Honorarprofessor der WHU – Otto Beisheim School of Management und Vorsitzender des Kuratoriums der Fritz Thyssen Stiftung. 

Kley ist davon überzeugt, dass wir eine klimapolitisch sinnvolle Energiewende schaffen können, denn wir haben dazu (fast) alles, was wir brauchen – vor allem die nötigen Technologien. 

Allerdings sind immer wieder neue Hindernisse zu bewältigen, die den „Gesetzen der Vernunft“ entgegenstehen: „Einen Wettbewerb gewinnt man nicht, wenn man seinen Läufern Gewichte ans Bein bindet und von ihnen verlangt, dass sie während des Finallaufs noch lauter Pakete am Wegrand zustellen sollen“, so Kley.

Eine gelingende grüne Transformation erfordert:

  • Lokale Vertretung abstrakter Beschlüsse
  • Denken in nachhaltigen Lösungen
  • einen vielfältigen Mix aus fossilen und erneuerbaren Energien, einschließlich Sonne, Wasser und Biomasse
  • verbesserte Energieeffizienz und Energiespeicherung
  • besonnenes und entschlossenes Handeln
  • Grundsätzliche Mitwirkungsbereitschaft der Bevölkerung
  • verständliches Narrativ
  • Konstruktive Partnerschaften zwischen Industrie und Politik
  • Planungssicherheit für die Industrie
  • Stringentere Politik und strategische Planung
  • Schaffung von ausreichenden Produktionskapazitäten
  • sinnvoll steuernde Rahmenbedingungen: CO2-Bepreisung im Wege des freien Zertifikatehandels ausweiten, Klärung der Infrastruktur, herkömmliche Energieträger als Brückenenergie weiter nutzen, Verbindung technischer und handwerkliche Wurzeln mit nachhaltigen Technologien
  • pragmatische, ziel- und lösungsorientierte Wege in eine klimafreundliche und nachhaltige Zukunft
  • Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit im Blick behalten
  • Abstimmung der energiepolitischen Ziele.

In seinem Buch „Klar zur Wende. So können wir das Steuer bei Klima und Energie noch rumreißen“ zeigt Kley anhand zahlreicher Beispiele, dass wir uns auch von einfachen Antworten verabschieden müssen – zum Beispiel beim Thema grüner Wasserstoff: Natürlich sei er das Ideal – „aber in einer Welt, die nach einfachen Lösungen für drängende Klimaprobleme sucht, bietet andersfarbiger Wasserstoff viele Möglichkeiten, um den Übergang zu beschleunigen.“ Auch ist damit ein Effizienzproblem und Transportproblem verbunden, denn es braucht dafür eine eigene Infrastruktur und die Koordinierung der unterschiedlichen Sektoren der Wasserstoffwirtschaft. Auch die Atomstromlücke durch reine erneuerbare Energien zu schließen, ist angesichts langer Planungs- und Bauzeiten derzeit nicht möglich. Städte benötigen dringend stärkere Stromleitungen (besonders für die Besitzer von Wärmepumpen und Elektroautos), denn ohne bessere Netze nutzt auch die klimafreundlichste Energieerzeugung nur wenig.

Kleys Buchtitel „Klar zur Wende“ erinnert auch an die Rede der Schriftstellerin Christa Wolf am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin. 

Die DDR war damals am Untergehen, und das wiedervereinte Deutschland noch nicht da. Sie verwies darauf, dass in dieser Krisenzeit des „Dazwischen“ viele produktive Kräfte stecken, die nicht vertan werden sollten durch Unbesonnenheit. Das gilt auch heute im Kontext des Klimawandels. Mit dem Wort „Wende“ hatte sie allerdings ihre Schwierigkeiten. Sie sah ein Segelboot, und der Kapitän ruft: "Klar zur Wende!", weil sich der Wind sich gedreht hat, und die Mannschaft duckt sich, wenn der Segelbaum über das Boot fegt. Sie fragte zu Recht: „Stimmt dieses Bild? Stimmt es noch in dieser täglich vorwärtstreibenden Lage.“ Sie verwies lieber auf „revolutionäre Erneuerung“ von unten nach oben – im Nachhaltigkeitskontext sprechen wir heute von grüner Transformation, die ebenfalls „unten“, vor Ort, beginnen sollte.

Das Buch:

  • Karl-Ludwig Kley: Klar zur Wende. So können wir das Steuer bei Klima und Energie noch rumreißen – Zehn ungehaltene Reden. Deutsche Verlags-Anstal by Penguin Random House, München 2024.

Weiterführende Informationen:

  • Märkte der Zukunft: Wie Technologieunternehmen klimaneutral werden 
  • Grüner Wasserstoff: Motor der Energiewende? 
  • CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2019.
  • Sven Schreiber: Hoffnungsträger grüner Wasserstoff – technologische Herausforderungen gemeinsam meistern. In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023, S. 173-179.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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