Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Klimaschutz und Ökologie als öffentliche, sozial- und rechtsstaatliche Aufgabe

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Grundlagen der Klimagerechtigkeit

Der Klimawandel ist das größte Risiko für unser Wirtschafts- und Finanzsystem. Zugleich verstärkt er bestehende Ungleichheiten, weil die Marginalisierten überproportional getroffen werden. Richtig umgesetzter Klimaschutz berücksichtigt auch den sozialen Zusammenhalt, baut Ungleichheiten ab und bewahrt den Wohlstand für die kommenden Generationen. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Kriege in Europa und Nahost sind die ökologischen und sozialen Herausforderungen noch dringender geworden.  Klimagerechtigkeit gibt es nicht ohne einen leistungs- und handlungsfähigen, resilienten Sozial- und Rechtsstaat und konnektive Soziale Orte im Kommunalen. Sie ermöglichen die Begegnung, Kommunikation und Mitwirkung – wenn dies verloren geht, zerfällt auch der gesellschaftliche Zusammenhalt: Soziale Armutslagen verfestigen sich, Regionen verlieren den Anschluss, und soziale Milieus begegnen sich immer weniger im öffentlichen Raum. Soziale Orte sind angewiesen auf kommunale Einrichtungen wie Beratungsstellen, Jugend- und Familienhilfe etc. sowie auf eine aktive Rolle von Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden als lokale Impulsgeber und regionale Partner. Ohne diese Institutionen und entsprechende Infrastrukturen, die „praktisch“ für die Menschen sind und ihrer Lebenswirklichkeit entgegenkommen, ohne Gerechtigkeit, Gemeinwohl und Gleichwertigkeit und die Prinzipien einer an sozialem Ausgleich und rechtsstaatlicher Verfassung orientierten Demokratie gibt es keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die zentralen Begriffe in der Debatte um die Voraussetzungen dafür sind:

  • Gleichwertigkeitserfahrung
  • Vorhandensein leistungsfähiger öffentlicher Güter
  • Vertrauen
  • positive Zukunftserwartungen
  • Angebote der Daseinsvorsorge. 

Auch das soziale „Klima“ verändert sich und kühlt immer mehr ab, denn die ökologische Transformation erscheint vielen Bürgerinnen und Bürgern als Projekt der Wohlhabenden, das die Interessen und Zukunftsperspektiven der „anderen“ nicht berücksichtigt. Die nachhaltige Transformation ist also ein kollektiver gesellschaftlicher Prozess, der immer lokal beginnt und alle Menschen einschließt.

Vorteile Sozialer Orte:

  • Schaffung und Festigung wirtschaftlicher, sozialer, kulturelle und ökologischer Bindekräfte vor Ort
  • Schaffung resilienter Gemeinschaften, in denen sich Menschen für ihre Nachbarn und ihre Umwelt verantwortlich fühlen
  • Stärkung des lokalen Handels
  • Stärkung des Heimatgefühls
  • Stärkung regionaler Kreislaufwirtschaft, neuer Bautechniken und Wohnformen sowie nachhaltiger Verkehrskonzepte
  • Stärkung der kollektiven Resilienz
  • Wachsende Chancen auf soziale und wirtschaftliche Teilhabe auch in den ländlichen Regionen
  • Agile Anpassung an Veränderungen
  • Stiftung und Stärkung des lokalen Zusammenhalts.

In Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen, fortschreitender Mobilität und schwindender Sesshaftigkeit werden Soziale Orte besonders gebraucht. Die Verankerung in einer lokalen Gemeinschaft (die auch wechseln kann) ist wichtig, weil wir zwar global miteinander kommunizieren und unterwegs sind, aber nicht im Globalen wohnen können. Erst der lokale Bezug zu bestimmten Kontexten, die an vielen Orten auch mit internationalen Aktivitäten vernetzt sind, macht Engagement greifbar und nachhaltig.

Soziale-Orte-Konzepte

Soziale-Orte-Konzepte widmen sich dem Zusammenhalt in einer vulnerablen Gesellschaft. Sie bieten eine wichtige Ergänzung kommunaler und regionaler Politik und zielen auf einen gesetzgeberischen Neuansatz. Die zunehmende soziale Segregation, vor allem die Armutskonzentration in bestimmten Stadtteilen, erhöht die Gefahr einer mehrfachen sozialen Benachteiligung der Bewohner:innen in diesen Quartieren. Zudem setzt sie so auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt unter Spannung. Cafés, Kinos und Theater, Jugendclubs, Hotelhallen und Restaurantinnenräume, Sportstadien, Kultureinrichtungen, Bibliotheken und Schwimmbäder sind in den vergangenen Jahren in vielen Quartieren, Gemeinden und Regionen einfach verschwunden, weil sie wirtschaftlich nicht mehr rentabel waren und deshalb aufgegeben wurden

Klimawende, Energiewende, Gesundheitswende, Immobilienwende, Arbeitswende, Digitalwende und Zivilgesellschaftswende sind nicht nur komplex, sondern finden gleichzeitig statt und sind eng miteinander verbunden. Deshalb wurde ein interdisziplinäres Forschungsinstitut zwischen den Berliner Universitäten, Charité und Digitalforschungsinstituten begründet, das sich der Digitalen Gesundheit im Quartier widmet – gemeinsam mit über 20 Förderern aus Wohlfahrtsorganisationen, Gesundheits-, Immobilien-, Digitalindustrie und Finanzwirtschaft sowie vielen Verbänden. Das „Digital Urban Center for Aging & Health (DUCAH)“ setzt dabei neben digitalen Anwendungen auch auf selbst-aktivierende Quartiere für Pflege und Gesundheit. Prof. Dr. Stephan A. Jansen ist Gründungsdirektor sowie Geschäftsführer der „Gesellschaft für urbane Mobilität BICICLI“ (Concept Stores, Solutions sowie der Mobilitätsberatung MOND). Der Professur für Urbane Innovation – Mobilität, Gesundheit & Digitalisierung, Universität der Künste Berlin und Gastforscher an der Stanford University vereint Bildung, Beratung und Bewegung und beschäftigt sich ebenfalls mit der Frage, wie gemeinsam Zukunft konzipiert, finanziert und umgesetzt werden kann. Gesundheit mit nachhaltigem Mehrwert stellt soziale, klimaschützende und selbstbewegungssichernde Infrastrukturen in den Fokus - und deren digitale Unterstützungen. Folgende Trends, Tests und Thesen stehen dabei im Mittelpunkt:

1. Moralisierung von Wohnraum

2. Klima- und Hitzeschutz (Resilienz)

3. Digitalisierung von Quartiers- & Gesundheitsleistungen,

4. Regulierung (v.a. EU-Sozialtaxonomie der Wohnungswirtschaft)

5. Aktivierung von Quartieren durch gesunde Mobilitätskonzepte.

All dies umfasst auch der Begriff Lebensqualität. Neben politischen, sozialen, ökonomischen und umweltbezogenen Faktoren spielen Aspekte wie Gesundheit, Sicherheit, Bildung, das Kultur- und Konsumangebot sowie Mobilität eine wichtige Rolle.

Die Bedeutung ländlicher Räume

Die Zukunftsfragen der grünen Transformation (Energiewende, Mobilität, Wohnen, regionale Wirtschaftskreisläufe etc.) entscheiden sich nicht nur im Stadtquartier, sondern vor allem in ländlichen Räumen. Sie benötigen deshalb eine infrastrukturelle Aufwertung – nur dann kann die nachhaltige Transformation politisch und sozial gelingen und das wachsende Gefühl der Isolation und Entfremdung aufgehoben werden. Der Blick auf ländliche Räume trägt auch dazu bei, uns wieder mit der Natur verbinden. Die Nutzung gemeinsamer Grünräume geht mit Netzwerken sowie mit Formen des Gemeinschaftssinnes einher. Der amerikanische Wissenschaftler Roger S. Ulrich erforscht seit langem, welchen Einfluss eine „grüne Umwelt“ auf die menschliche Gesundheit und das Stressempfinden hat. Viele Studien liefern überzeugende Ergebnisse für die Hypothese, dass der bloße Anblick von Pflanzen zu Stressabbau und Regeneration führen kann. Ein Beispiel für die nachhaltige konzeptionelle Umsetzung ist das Gesundhaus i-Tüpferl von Christine Bergmair. Die Anlage dieser großen Fläche als naturnahe Außenanlage wurde aus mehreren Gründen umgesetzt:

  • Ausgleich zum Flächenverbrauch aus eigenem Interesse
  • Anpflanzen von Blumen, Sträuchern und Bäumen zur Renaturierung und für die Förderung der Biodiversität sowie als Schutz- und Lebensraum für Vögel und andere Tiere
  • Nutzfläche für Therapie, Kurse und Veranstaltungen im Freien.

Die Ruhe-Oase am Eingangsbereich mit harmonischer Bepflanzung sowie einem Wasserspiel und Ausblick in die umliegende Natur fügt sich an die bestehende Wohnbebauung an und kann mit seinem Anschluss zur Natur das Dorf mit der Umgebung verbinden – eine gute Perspektive, die den ganzheitlichen Wandel zu mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit zeigt.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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