Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Kurz und bündig: Vom nachhaltigen Gebrauchswert wahrer Sätze

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Erich Kästner in Reinform

Als Dichter sah sich Erich Kästner vor allem in der Tradition von Lessing: Epigramme sind Sinnsprüche, die "Erwartung" wecken und pointierend "Aufschluß" geben. „Leben ist immer lebensgefährlich“ erschien erstmals 1950 unter dem Titel „Kurz und bündig. Epigramme“. Anlässlich des 125. Geburtstages und des 50. Todestages von Erich Kästner ist das Buch als Jubiläumsbändchen im Züricher Atrium Verlag erschienen. Erich Kästner, 1899 in Dresden geboren, begründete mit zwei seiner ersten Bücher seinen Weltruhm: „Herz auf Taille“ (1928) und „Emil und die Detektive“ (1929). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden seine Bücher verbrannt, sein Werk erschien seitdem in der Schweiz im Atrium Verlag, der die Weltrechte an seinen Büchern besitzt. Seine Epigramm-Sammlung enthält Weisheiten für jede Lebenslage. Im Inhaltsverzeichnis des Jubiläumsbüchleins kann alphabetisch nach Themen gesucht werden - es lädt aber auch zum „blätternden“ Flanieren ein. In seinem Vorwort zu „Kurz und bündig“ schreibt Kästner, dass er an eine Kunstform erinnern möchte, die verloren gegangen ist: „Das Epigramm ist tot? Es lebe das Epigramm!" Damit erinnerte der hoffungsvolle Pessimist und überzeugte Individualist Kästner an „Edelsteine der Dichtkunst, […] die sich in äußerster Zucht, Prägnanz und Kürze ausdrücken“.

Worauf es ankommt, gehört einfach und kurz gesagt – allerdings muss ein langer Denkprozess vorausgegangen sein.

Das gilt heute in besonderer Weise auch für Social Media. Seine Gedichte und Epigramme sind auch hier von unverzichtbarem Gebrauchswert. Besonders beliebt sind hier jene, die auch im Buch zu finden sind:

  • „Wer wagt es, / sich den donnernden Zügen entgegenzustellen? / Die kleinen Blumen / zwischen den Eisenbahnschwellen!
  • Es ist schon so: Die Fragen sind es, / aus denen das, was bleibt, entsteht. / Denkt an die Frage jenes Kindes: / »Was tut der Wind, wenn er nicht weht?«
  • „Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.“
  • „Was auch immer geschieht: / Nie dürft ihr so tief sinken, / von dem Kakao, durch den man euch zieht, / auch noch zu trinken“
  • „Wer was zu sagen hat, / hat keine Eile. Er lässt sich Zeit und sagt’s / In einer Zeile.“
  • „Denkt ans fünfte Gebot: / Schlagt eure Zeit nicht tot!“

Was für Kästner seelisch nicht verwendbar war, taugte für ihn nicht. Im Alltag, der mit Freude, Heiterkeit, Angst und Unsicherheit, Schmerz oder Trauer erlitten und erlebt wird, hat Stilakrobatik keinen Platz: „Mit der Sprache seiltanzen, das gehört ins Varieté.“ Kästner beurteilte die Welt vom Standpunkt des gesunden Menschenverstands (Normal-, Erfahrungs- und Jedermannsverstand). Er ist ein Sinn für das Verhältnismäßige und das Verallgemeinerbare, das sich einfach merken lässt („Lügen haben kurze Beine“) wie Epigramme. Der gesunde Menschenverstand lässt sich kein X für ein U vormachen und trägt wesentlich zur Urteilssicherheit bei. Das Thema spielt auch zunehmend im Wirtschaftskontext eine wichtige Rolle. So schreibt Gunter Dueck in seinem Buch "Keine Sinnfragen, bitte!", dass in unserer Ausreichend-Wirtschaft, die viel schlechter performt „als das einstige stolze Wirtschaftswunder“, den hier hervorgebrachten Ausreichend-Managern der „gesunde Menschenverstand“ verloren gegangen sei. Dieser sei heute weitaus wichtiger als eine weichgespülte Purpose-Debatte. Auch der Unternehmer Werner Neumüller zeigte im Herausgeberband „Bauchgefühl im Management“, dass der gesunde Menschenverstand der Schlüssel zu einer aufgeklärten Gesellschaft ist. Auch darin erweist sich Kästner als „Urenkel der deutschen Aufklärung“. Die heute damit assoziierte Bedeutung von aufhellen, klarmachen und aufdecken eines bestimmten Sachverhalts verbindet sich damit seit 1720. Zuweilen witzelte Kästner aber auch über ihre Grenzen - zum Beispiel, wenn er die aussichtslosen Zustände in manchem Menschenkopf beschreibt (das Epigramm findet sich auch im Jubiläumsbuch):

"Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel: / Im Tunnel bleibt es immer dunkel."

Die Erleuchtung erreicht eben nicht jeden Menschen.

Das Buch:

  • Erich Kästner: Leben ist immer lebensgefährlich. Kästner kurz und bündig. Atrium Verlag, Zürich 2024.

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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