Nachhaltige Entwicklung in den Kommunen: Warum jetzt vor Ort investiert werden muss
Die Erreichung der meisten der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) entscheiden sich vor allem in den Kommunen. Eine nachhaltige Transformation kann nur vor Ort gelingen. Bundesweit müssen sich Kommunen an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels anpassen und Vorsorge vor Extremwetterereignissen leisten. Es braucht deshalb ganzheitliche Ansätze zur Entwicklung klimaangepasster, nachhaltiger und resilienzstarker Kommunen. Es bedarf deshalb einer grundlegenden Neuordnung ihrer Finanzierung. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt ist die Frage der Finanzierung der Transformation vor Ort dringlicher denn je. Aktuelle Schätzungen im Bereich Klimaschutz gehen davon aus, dass dem kommunalen Sektor direkt und indirekt (über kommunale Unternehmen und Beteiligungen) bis zu 38 Prozent oder 280 Mio. Tonnen der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen zugerechnet werden können. Etwa ein Zehntel der gesamtstaatlichen Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität müssen durch die öffentliche Hand getätigt werden - ein erheblicher Teil davon auf kommunaler Ebene. Allerdings liegen bisher kaum belastbare Zahlen oder umfassende Informationen über prioritäre Handlungsfelder für die anstehenden Investitionsbedarfe für Klimaschutz und Klimaanpassung in den Städten, Gemeinden und Landkreisen vor. Die KfW schätzt den kommunalen Investitionsrückstand auf etwa 166 Milliarden Euro. Wo diese Finanzsummen herkommen und wie sie investiert werden sollen, ist vielen Kommunen und kommunalen Unternehmen derzeit noch unklar. Künftig werden Kommunen wohl auch vor der Herausforderung stehen, die Verwendung von Kreditmitteln in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien gegenüber Kreditinstituten nachweisen zu müssen.
Kommunen sind allerdings noch von wesentlichen Kriterien der EU-Taxonomie ausgenommen - diese gelten für die allgemeine Finanzwirtschaft.
Wichtig werden deshalb einheitliche Standards sein, die anschlussfähig an die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind. Um den Aufwand gering zu halten, wird vorgeschlagen, schrittweise auch für kleine und mittlere Kommunen praktikable Mindeststandards für solche Berichte gemeinsam von Bund, Ländern, Kommunen sowie Banken und anderen Finanzmarktakteuren zu entwickeln. Der Berichtsrahmen Nachhaltige Kommune (BNK) kann dafür einen Ausgangspunkt bilden (Beachtung der Kohärenz der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit den Nachhaltigkeitsstrategien der Kommunen sowie Anschlussfähigkeit zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der kommunalen Unternehmen). Hinzu kommen weitere Herausforderungen: Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, des Fachkräftemangels, der Inflation und Standortkonkurrenz vor allem mit den USA und China werden die Spielräume im Bundeshaushalt, in den Landeshaushalten, vor allem aber für die Kommunen immer enger. Doch gerade vor Ort braucht es verstärkte Investitionen, weil ohne sie die Grundlagen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein lebenswertes Leben in der Zukunft nicht mehr gewährleistet werden können. Der Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen muss sichergestellt werden. Dazu gehören
- Bauwende (Gebäudesanierung, nachhaltiger Neubau)
- Energiewende (Installation von Photovoltaik und Windenergie, Umstellung der Beleuchtung auf LED, Unterstützung Stromnetzausbau)
- blau-grüne Infrastrukturen zur Klimaanpassung und den Hitzeschutz
- Katastrophenschutz
- Renaturierung
- Wärmewende (Wärmenetzausbau und Dekarbonisierung der Netze)
- Umbau kommunaler Wälder
- Verkehrswende: Ausbau und Betrieb des ÖPNV, der Fahrradinfrastruktur und der Infrastruktur für Elektromobilität.
Anlässlich der kontroversen Debatten richteten am 8. Januar 2024 die Oberbürgermeister:innen und Bürgermeister:innen aus dem Dialog „Nachhaltige Stadt“ elf Thesen zur Finanzierung der Nachhaltigkeitstransformation in den Kommunen an die Bundesregierung. Ermöglicht wird der Dialog „Nachhaltige Stadt“ seit 2010 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der die Bundesregierung zur Nachhaltigkeitspolitik berät. Oberbürgermeister:innen von vierzig deutschen Städten setzen sich hier für eine nachhaltige Entwicklung in ihren Städten ein. Mit gemeinsamen Positionspapieren geben sie bundespolitisch wichtige Impulse zur kommunalen Nachhaltigkeitspolitik sowie zur nachhaltigen Stadtentwicklung.
Elf Thesen zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung vor Ort
- Die Kommunen benötigen für die Bewältigung der Nachhaltigkeitstransformation eine ausreichende Finanzierung – ansonsten wird die Transformation scheitern.
- Um Deutschland transformationsfit zu machen, braucht es eine Reform der Schuldenbremse.
- Klimaschutz und Klimaanpassung sollten kommunale Pflichtaufgaben werden – wenn gleichzeitig die Aufgaben konkretisiert werden und ihre Finanzierung steht.
- Investitionen und Personal sollten durch wirkungsorientierte Transformationsbudgets für die Kommunen statt komplizierte Förderprogramme finanziert werden.
- In der strategischen Verknüpfung von Nachhaltigkeitszielen mit dem kommunalen Haushalt stecken enorme Potentiale. Bund und Länder sollten von den zahlreichen Erfahrungen der Kommunen lernen.
- Umweltschädliche Subventionen müssen abgebaut und freiwerdende Mittel in die Finanzierung der Transformation investiert werden.
- Bund und Länder sollten Finanzierungsrisiken beim kommunalen Praxistest von neuen Technologien abfedern.
- Die Kommunen benötigen vergünstigte Kreditkonditionen für Transformationsprojekte bei Nachweis von Nachhaltigkeitsleistungen.
- Die Kommunen brauchen mehr Freiheiten im Sinne der Nachhaltigkeit – auch bei Steuern und Abgaben.
- Die Altschuldenproblematik muss gelöst werden – für gleichwertige Lebensverhältnisse.
- Es muss mehr privates Kapital für die Transformation vor Ort mobilisiert werden.
Weiterführende Informationen:
- Starke Kommunen oder schwache Transformation. Elf Thesen zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung vor Ort aus dem Dialog Nachhaltige Stadt. Hg. Rat für Nachhaltige Entwicklung. Berlin 2024.
- SDG 11: Chancen und Herausforderungen für Städte und Kommunen
- Klimaresiliente Städte durch blau-grüne Infrastrukturen
- Klimaanpassung und Klimaschutz: Welche Rolle spielen Kommunen?
- Kommunale Klimaanpassung in Deutschland: Worauf es jetzt ankommt
- Vor Ort: Wo Nachhaltigkeit beginnt und Zukunft gemacht wird
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
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