Nachhaltige Lebensführung und Stadtgestaltung: Denkmuster und Verhaltensänderungen der Deutschen
Einerseits wird unsere Gesellschaft immer älter – andererseits verjüngt sich die Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Generationen in Unternehmen und Städten zu vereinen sind, und welche Rolle Nachhaltigkeit dabei spielt. Was bedeuten generationenübergreifendes Arbeiten und Stadtplanung? Was prägt die Aufenthaltsqualität eines Ortes, und welche Rolle spielen dabei die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen?
Diesen Fragen widmet sich auch die Quartierstudie des Projektentwicklers DC Developments 2023, die die steigende Relevanz nachhaltiger Lebensführung, moderner, barrierefreier Stadtgestaltung, autoarmer Innenstädte und des Arbeitsplatzes der Zukunft zeigt. In Kooperation mit dem digitalen Meinungsforschungsinstitut Civey wurden dafür 10.000 Menschen deutschlandweit befragt.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
Ein öffentlicher Raum sollte im Sinne der älteren Generationen vor allem Sitzmöglichkeiten bieten, gastronomisches Angebot und Barrierefreiheit, damit sie sich gern dort aufhalten. Als absolute Priorität ist die Barrierefreiheit zu behandeln: So können Lebensräume an Attraktivität gewinnen und die ersehnten Begegnungsorte für die älteren Generationen in den Städten zunehmen. Barrierefreiheit ist auch in modernen Bürogebäuden entscheidend. Hier führt der Aspekt mit über 60 %, vor Photovoltaikanlagen, Dachbegrünung und Klimaneutraler Bauweise das Ranking an.
Bei der Beurteilung moderner Bürogebäude setzt München mehr als die anderen acht Städte (s.u.) auf Dachbegrünung (57 %) und Desk-Sharing (12,3 %), Hamburg auf Klimaneutralität (53,7 %). Köln zeigt sich als besonders sozial engagiert mit 67,3 % für Barrierefreiheit und den Frankfurter:innen ist im Top-8 Städte-Vergleich der Nachhaltigkeitsbericht des Bürobetreibers am wichtigsten (20 %).
Co-Working-Spaces sind in den Großstädten bereits etabliert, doch für die wenigsten ist das Teilen des Arbeitszimmers eine attraktive Option. Eher möchten sich 40,4 % Deutschen sich den Sportraum oder 37,4 % den Partyraum teilen. 11,2 % der jüngeren Generation gibt an, das Arbeitszimmer, das Esszimmer (21,7 %) oder 20,0 % die Küche teilen zu können. 44,6 % aller Umfrageteilnehmer an, keine der genannten Wohnflächen teilen zu wollen.
Im Gesamt-Ranking auf dem letzten Platz liegt das nachhaltige Ehrenamt, welches jedoch in der Altersgruppe 18-29 Jahre (6,5 %) sowie bei Senior:innen ab 65 Jahre (4,1 %) – den somit meist nicht in Vollzeit berufstätigen Menschen – gehäuft ausgeübt wird.
Der Trend hin zum „Green Living“ zeigt sich in neuen Denkmustern und verändertem (Kauf-)Verhalten. 50 % der Deutschen legen vor allem Wert auf den Kauf regionaler, saisonaler oder Bio-Ware. Ca. 38 % sind auch bereit, auf Flugreisen oder Fahrten mit dem Auto zu verzichten oder diese einzuschränken. Auch sind 26,6 % für ein zweites Leben von Produkten offen und kaufen Ware, die upgecycelt oder gebraucht (24,8 %) ist. Allerdings unterscheiden sich die persönlichen Maßnahmen und Einschränkungen zwischen den Altersgruppen der Befragten: Die Generationen von 18 bis 49 Jahre sind achtsam mit ihrem Konsum, die Befragtengruppe 18-29-Jähriger ist sogar zu über 40 % bereit, Flugreisen zu verringern; über 50 % in dieser Altersklasse würden das Auto öfter stehen lassen und nutzen im Generationenvergleich eher Sharing-Angebote (8,6 %).
Kaufpreise für nachhaltigere Immobilien: Vor allem im Hinblick auf dadurch sinkende Nebenkosten würden 42,7 % mehr für eine klimafreundliche Immobilie ausgeben, 33,6 % der Befragten lehnen dies ab. Für eine nachhaltige Immobilie würden in Düsseldorf im Städtevergleich die meisten Menschen (48,7 %) einen höheren Preis zahlen. 55 % der jüngeren Generation ist außerdem an Hintergrundinformationen interessiert und möchten am ehesten den Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens einsehen (18,2 %).
Bei einer nachhaltigen Lebensführung führen Frankfurt am Main, Hamburg, Stuttgart und München die Top acht Städte Deutschlands an: Die Bewohner Stuttgarts kaufen im Vergleich am meisten regionale, saisonale oder Bio-Ware (54,7%), während die Hanseaten weniger Flugreisen unternehmen (43,1%) und die Münchner am meisten Sharing-Angebote nutzen (13,8 %). Die Frankfurter verzichten am ehesten auf Autofahrten (46,1%) und sind mit 5,3% am meisten ehrenamtlich im Bereich Nachhaltigkeit tätig.
Auch bei der Mobilität müssen die Bedarfe aller Generationen noch stärker in den Fokus rücken. Es braucht Konzepte, die eine vernetzte Struktur schaffen, gleichermaßen aber den Handel nicht vernachlässigen und die Stadt beleben. Jüngere Generationen wünschen sich vor allem kurze Wege und Fahrradstraßen als Teil ihrer Work-Life-Balance. Die Aufgaben für den öffentlichen Nahverkehr liegen vor allem im Ausbau sowie in der Barrierefreiheit, um alle Zielgruppen ganzheitlich in ein Modell der Zukunft einzubeziehen. Im Vergleich zu den anderen befragten Altersgruppen nutzen die 18-29-Jährigen am häufigsten den öffentlichen Nahverkehr, rund 4 bis 7 Tage in der Woche. Die Deutschen insgesamt fahren grundsätzlich lieber Auto, 66,9 % der Befragten gaben an, an 0 Tagen der Woche den Nahverkehr zu nutzen. Frankfurt am Main liegt auch vorne bei der vorstellbaren Einschränkung des Autoverkehrs: 31,6 % sind für autofreie Innenstädte, 32,3 % für autofreie Fahrradzonen und 17 % wünschen sich ausschließlich E-Mobilität in der Stadt. Mit 30,6 % für autofreie Innenstädte folgt Stuttgart knapp dahinter. Für einen Ausbau des ÖPNV stimmen vor allem die Bewohner:innen Hamburgs und Berlins (jeweils über 50 %). Während 66,9 % der Bevölkerung in Deutschland nie den öffentlichen Nahverkehr nutzt, sind es in München 24,8 % und Berlin sowie Frankfurt am Main jeweils nur rund 29 %, die nie den Nahverkehr nutzen. Nur wenige Befragte sprechen sich dafür aus, den Autoverkehr in den Städten zugunsten des Klimaschutzes mit Maßnahmen wie vollständiger Autofreiheit oder ausschließlicher E-Mobilität einzuschränken. 26,9 % der Befragten – insbesondere die jüngere Zielgruppe – unterstützen jedoch die Einführung autofreier Innenstädte. Außerdem vorstellbar wären autofreie Fahrradzonen (23,1 %) oder ausgewählte autofreie Stadtgebiete (21 %). Je älter die Befragten, desto weniger bereit sind sie zur Einschränkung und desto weniger nutzen sie den öffentlichen Nahverkehr.
Die Menschen sehnen sich nach Begegnungsorten in der Stadt und erwarten entsprechende Aufenthaltsqualität. Der öffentliche Raum wird in Zukunft immer mehr der verlängerte Arm des Wohnzimmers sein - vor allem in den Großstädten.
Sharing: Beim Teilen von Wohnraum liegen die Berliner:innen vorne: 46,9 % würden den Sportraum gemeinschaftlich nutzen, 40 % auch einen Werk- oder Bastelraum.
In einer „Stadt der Zukunft“ wünschen sich 45 % der Befragten aller Generationen vor allem mehr Grünflächen und Parks. Auf dem zweiten Platz liegt der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit 37,4 %. Für generationenübergreifende Stadtplanung stimmen 27,1 %, wobei die Relevanz mit dem Alter der Befragten steigt, genauso wie beim Wunsch nach mehr Begegnungsräumen (13,7 %). Sie muss aber auch barrierefrei sein: vom öffentlichen Nahverkehr bis zum Arbeitsplatz; über 60 % der Deutschen stimmten für Barrierefreiheit in Büroräumen.
Weiterführende Informationen:
- Auf dem Weg zur Zukunftsstadt: Chancen und Herausforderungen
- Zukunftsbilder 2045
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.
Zukunft Mikromobilität. Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen. Ein Rad-Geber. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber. Büchner Verlag, Marburg 2022.
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