Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft: Wie eine sozial-ökologische Transformation gelingen kann

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Klimaschutz ist nur nachhaltig wirksam, wenn er im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit funktioniert.

Ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Rückhalt der Bevölkerung können die Klimaziele nicht erreicht werden. Viele Menschen in Deutschland sind davon überzeugt, dass die ökologische Transformation zu einer stärkeren gesellschaftlichen Spaltung führen wird. Vor allem die Auswirkungen der Energie- und Verkehrswende auf die Gerechtigkeit und den sozialen Zusammenhalt machen ihnen große Sorgen. Viele sind skeptisch gegenüber Veränderungen, haben Verlustängste und sind unzufrieden mit der Politik oder der Demokratie als Ganzes. Die Umsetzung der ökologischen Transformation empfinden viele als teuer und ungerecht. Dies gefährdet auch die gesellschaftliche Unterstützung für den Klimaschutz. Ohne den Rückhalt der Bevölkerung wird Deutschland das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, nicht erreichen können. Das belegen die Ergebnisse der aktuellen Bertelsmann-Analyse Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit. Wie die deutsche Bevölkerung Zielkonflikte in der Transformation wahrnimmt, die in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) basierend auf Umfragedaten des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energie- und Verkehrswende entstand. Dargestellt werden die Sichtweisen der Bevölkerung auf den Klimaschutz. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf Fragen von Wohlstand, Beschäftigung, sozialem Ausgleich und Kosten, bei denen Zielkonflikte oft auch durch die persönliche Betroffenheit von Menschen zutage treten können. 

Viele sehen nicht nur die Gefahr, dass die Transformation mit zunehmenden sozialen Spannungen einhergeht, sondern befürchten auch Wohlstandseinbußen, Beschäftigungsverluste und Kostensteigerungen. Diese Sorgen sind umso ausgeprägter, je unmittelbarer die Menschen von den jeweiligen Klimaschutzmaßnahmen betroffen sind. Das zeigt: Die Bewältigung der ökologischen Krise ist im Kern eine soziale Frage. Verursachung und Folgen des fortschreitenden Klimawandels sind auch unsozial, denn vor allem Geringverdiener leiden überdurchschnittlich unter Luftschadstoffen und Hitzeperioden - künftig werden sie sogar noch stärker unter den Folgen der Klimakrise leiden als Wohlhabende. Viele klimapolitische Maßnahmen bedeuten für einkommensschwache Haushalte eine große finanzielle Belastung: Sie geben beispielsweise wesentlich mehr ihres verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel, Energie oder Mobilität aus und sind von Preisanstiegen bei diesen Gütern besonders betroffen. Zudem haben sie seltener die Möglichkeit, ihren Konsum zu reduzieren, auf klimafreundliche Alternativen auszuweichen oder in Energieeffizienztechnologien zu investieren. Zudem sind ärmere Haushalte Klimaveränderungen stärker ausgesetzt, sie sind weniger resilient und haben geringere Anpassungsspielräume. Es braucht deshalb eine sozialpolitisch ausgewogene Klimapolitik. Bleibt ihre Verteilungswirkung unberücksichtigt, drohen soziale Spannungen. Je weniger Klimapolitik als gerecht wahrgenommen wird, desto mehr verliert sie an Akzeptanz und gesellschaftlichem Rückhalt für die notwendigen Maßnahmen.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

Die Deutschen stehen dem CO₂-Preis kritisch gegenüber. Viele bezweifeln die generelle Wirksamkeit des Instruments und halten die aktuelle Regelung für ungerecht. 91,2 Prozent war 2022 bewusst, dass die Abgabe insbesondere einkommensschwächere Haushalte finanziell schlechter stellt. Jeder Zweite war sogar der Meinung, die Abgabe stelle diese Haushalte finanziell viel schlechter. Auch auf die persönliche finanzielle Situation der Menschen hatte der CO₂-Preis ihren Einschätzungen zufolge sehr oder eher negative Auswirkungen. Die Rückerstattung der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung ist bei vielen Befragten unbeliebt. Zwischen pauschalem Klimageld und Rückerstattung allein für einkommensschwache Haushalte verfügt letztere Option über größeren, wenn auch nicht großen, gesellschaftlichen Rückhalt. Allerdings sind große Bevölkerungsteile sehr skeptisch, dass die Rückerstattung (ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag) überhaupt stattfinden wird.

69 Prozent geben an, dass sie die Energiewende befürworten. 12 Prozent lehnen die Umstellung auf erneuerbare Energien grundsätzlich ab. 76 Prozent halten die Energiewende für teuer. 45 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Energiewende die Preise für Energie nicht senken werde.

Bestehende Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Verteilung von Einkommen oder Vermögen werden häufig als Gegenargumente für einen konsequenten Klimaschutz angeführt. Dabei wird behauptet, dass Klimaschutzmaßnahmen große soziale Sprengkraft böten, da sie tendenziell einkommensschwache Haushalte stärker belasten. Dies kann zur Blockade ambitionierter Klimapolitik verwendet werden.

Rund 20 Prozent der Bevölkerung bewertet die Umsetzung der Transformation als gerecht.

Die Zustimmung zur Verkehrswende liegt bei 56 Prozent. Bei der Verkehrswende wird Ungerechtigkeit aber auch beim Zugang zu Mobilität gesehen und die Sorge um den Verlust des sozialen Zusammenhalts ist im ländlichen Bereich noch ausgeprägter. 19 Prozent halten die Verkehrswende für falsch. Menschen aus dem ländlichen Raum sehen die Verkehrswende als eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt an. 40 Prozent der Befragten rechnen damit, dass im Zuge des Wandels der Verkehrswende Arbeitsplätze verloren gingen. 50 Prozent glauben nicht, dass die Mobilität dank der Verkehrswende günstiger werde.

Fast 40 Prozent der Bevölkerung nehmen einen Zielkonflikt zwischen der sozial-ökologischen Transformation in Form der Energie- und Verkehrswende und dem Erhalt von Wohlstand und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wahr.

Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist angesichts der Folgen des Klimawandels besorgt und befürwortet die ökologische Transformation. Gleichzeitig ist die Zahlungsbereitschaft für Klimaschutz deutlich weniger ausgeprägt. Im Jahr 2023 waren 42,2 Prozent der Menschen bereit, für den Klimaschutz höhere Kosten für Benzin, Diesel, Heizöl oder Gas zu zahlen. 37,8 Prozent waren nicht bereit, für den Klimaschutz höhere Kosten für klimaschädliches Verhalten zu tragen. Jeder Fünfte war bei der dieser Frage unentschlossen

Rund 55 Prozent der Menschen sorgen sich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland.

Die sozial-ökologische Transformation (Wandel zu einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft) ist geprägt von teils konkurrierenden Zielen, die es miteinander zu vereinbaren gilt.

Lösungen und wirksame Ansätze:

  • Sicherstellung eines hohen Beschäftigungsstandes
  • Mehr Bürgerbeteiligungen
  • Ernstnehmen der menschlichen Sorgen bzgl. der gesellschaftlichen Akzeptanz der Klimapolitik
  • Klimaneutralität: Es gibt bisher keinen Präzedenzfall einer Industrienation, der es gelungen wäre, die Klimaneutralität zu erreichen und Wohlstand zu erhalten. Auch befindet sich keine der entwickelten Industrienationen aktuell auf einem Entkopplungspfad, der sowohl zum Erreichen der Klima- als auch der Wohlstandsziele führen würde.
  • Bessere Gestaltung und Kommunikation von klimapolitischen Maßnahmen
  • Politik: Aushandeln und zeitnahe Umsetzung von Strategien zur Lösung der Zielkonflikte unter Einbeziehung der Bevölkerung
  • Vermeidung von sozialer Ungleichheit bei der Gestaltung von Klimaschutzmaßnahmen
  • Veränderungen im Alltag und im Verhalten der Bürger und Verteuerung klimaschädlichen Verhaltens (CO₂-intensiver Aktivitäten)
  • Vertrauen schaffen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik
  • faire Verteilung von materiellem Wohlstand
  • Entwicklung und Förderung von nachhaltigen Wirtschaftsmodellen.

Weiterführende Informationen:

  • Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit. Wie die deutsche Bevölkerung Zielkonflikte in der Transformation wahrnimmt. Hg. von Sara Holzmann, Bertelsmann Stiftung und Dr. Ingo Wolf, Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) – Helmholtz-Zentrum Potsdam. Gütersloh 2023.
  • Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
  • Zukunft Mikromobilität. Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen. Ein Rad-Geber. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber. Büchner Verlag, Marburg 2022.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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