Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Nachhaltiges Reisen und sanfter Tourismus im Überblick

© Dr. Alexandra Hildebrandt

Das Wachstum von Reiseveranstaltern sagt kaum etwas darüber aus, ob wirklich umweltfreundlicher und fairer gereist wird. Wer in All-Inclusive-Hotel wohnt, kann in der Regel nicht davon ausgehen, dass das Geld, das bezahlt wurde, auch die Menschen vor Ort erreicht. Hinzu kommt, dass der Tourismus maßgeblich zur globaleren Erwärmung beiträgt. Deshalb spielt die Reisewirtschaft auch eine wichtige Rolle zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs). 

In der Agenda 2030 wird der Tourismus mit drei konkreten Zielvorgaben (Goal 8, 12 und 14) ausdrücklich erwähnt – auch SDG 11 (Städte und Kommunen) spielt eine wichtige Rolle: Bis 2030 sollen politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen nachhaltigen und sanften Tourismus fördern, der Arbeitsplätze schafft, lokale Gemeinschaften und Kreislaufwirtschaft unterstützt. Wichtig ist deshalb, dass der Tourismus auf regionalen naturräumlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen aufbaut. Nachhaltiger Tourismus hat aber auch mit authentischem Erleben und einer intakten Natur zu tun. 

Der Tourismus sollte auf lokalen und regionalen naturräumlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen aufbauen.

Buchung

Das Gemeinschaftsprojekt „Green Travel Transformation“ hat eine einheitliche Kennzeichnung für nachhaltige Reiseangebote eingeführt. Durch die Markierung werden für Reisebüros nachhaltig zertifizierte Hotelangebote zum ersten Mal großflächig im deutschlandweit meistgebuchten Beratungs- und Angebotssystem „Bistro Portal“ sichtbar und buchbar. Seit 1994 veranstaltet ReNatour  sozial- und umweltverträgliche Reisen in Europa. Weitere Buchungsportale: bookitgreen: Das Buchungsportal für nachhaltige Unterkünfte – von Bio-Bauernhöfen bis zu luxuriösen Ecolodges, atambo tours bietet individuelleund verantwortungsbewusste Reisen jenseits des Massentourismus

Gepäck

„Sag nein zu totem Gewicht“ lautet die Devise. Zu empfehlen ist das 80/20-Prinzip: 20% der Ausrüstung mitnehmen und 80% unterwegs abdecken. Zudem sollte auf Langlebigkeit, Stabilität und Funktionalität geachtet werden.

Green-Camping

Es gibt Eco-Campingplätze, die unter anderem mit Ökostrom laufen oder ausschließlich biologisch abbaubare Reinigungsmittel benutzen. Wird beim Campen allerdings ein Wohnmobil oder ein Van genutzt, ist man von Nachhaltigkeit weit entfernt: Wohnmobile sind groß und schwer, zudem haben sie einen hohen CO2-Ausstoss. Zusätzlich entsteht durch den Reifenabrieb ein hoher Anteil an umweltschädlichem Mikroplastik.

Reiseapotheke

Oliver Altena, Facharzt für Allgemeinmedizin, der dazu auch regelmäßig Vorträge im Gesundhaus i-Tüpferl hält, empfiehlt:

  • Basisreiseapotheke: Desinfektionsmittel (Sterilium für Hände, Cutasept für Haut) (Roll-, Sprüh-, Wund-)Pflaster, sterile Kompressen
  • Basis-Reiseapotheke für Säuglinge, Kleinkinder und Kinder: Paracetamol/Ibuprofen/Vomex (Suppositorien für kleinere Kinder bzw. Saft), evtl. Breitband-Antibiotikum (abwägen); katecholaminhaltige Nasentropfen
  • Natürliche traditionelle Hausmittel für die Reise: Ingwer gegen Reiseübelkeit, Quark und Joghurt gegen Sonnenbrand, Milch und Honig bei Erkältung und Schnupfen, Zucker-Salz-Lösungen bei Magen-Darm-Erkrankungen usw.
  • Ins Flugzeug dürfen Medikamente mit ärztlichem Attest mitgenommen werden (s. Reisemedizinischer Informationsdienst des ADAC / ADAC medical app), Beachtung der Einfuhrverbotslisten der Länder
  • Medikamente auf Reisen sollten trocken, lichtgeschützt, nicht überhitzt und geruchlich neutral verpackt und verstaut werden, die Mitnahme einfacher (z.B. nicht opioidverwandter) Medikamente wie Paracetamol, Aspirin im Handgepäck ist unproblematisch
  • Um den Körper auf natürliche Weise bei Müdigkeit wieder zu stärken, sollte der Biorhythmus nach der Reise (Jetlag) zügig wieder angepasst werden (u.a. mit Ortszeit synchronisieren]: ausreichend schlafen, Ruhephasen, wenig oder keinen Alkohol, Bewegung an frischer Luft bewegen etc.

Reiseziele

Bei der Wahl des Reiseziels sollte immer die Dauer des Aufenthalts eine Rolle spielen. Flugreise, Dauer und CO2-Ausstoß sollten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Wenn schon Urlaub mit Flug, dann sollten am Urlaubsort mindestens zwei Wochen verbracht werden. Je kürzer der Urlaub, desto näher sollte er am eigenen Wohnort sein. Eine Faustregel besagt, dass wir pro Stunde Zeitumstellung und zehn Grad Temperaturunterschied etwa einen Tag zur Anpassung benötigen.

Sanfter Tourismus

Der Fokus liegt auf einem achtsamen und bewussten Umgang mit der Natur und Umgebung, die bereist wird. Ziel ist es, so wenig Einfluss wie möglich auf das Reisegebiet zu nehmen. Es gelten hohe Nachhaltigkeitsstandards. Im Fokus steht die Unterstützung der lokalen Wirtschaft (Auswahl lokaler Restaurants statt großer Restaurantketten) sowie die Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit (Einbeziehung von Angeboten, die der lokalen Bevölkerung am Urlaubsort zugutekommen).

Tourismuslabels

Es gibt mittlerweile zahlreiche Zertifizierungen und Labels für nachhaltige Reiseveranstalter. Sie unterstützen bei der Wahl nachhaltiger Reiseveranstalter und umweltfreundlicher Unterkünfte.

Labels: TourCert für Reiseveranstalter und Unterkünfte, Viabono , Travelife Gold und Green Sign/Infracert , EU-Eco-Label" für Beherbergungsbetriebe und Campingdienste, Bett+Bike-zertifizierte Unterkünfte sind hingegen speziell auf die Bedürfnisse von Fahrrad-Urlaubern ausgerichtet. Wanderer können bei der Planung ihrer Routen auf das Zeichen "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland" achten. Im globalen Süden sind solche Zertifizierungen allerdings noch Mangelware.

Umwelt- und Ressourcenschutz

Schädlich sind vor allem Flugreisen, weil der Steigflug beim Start sehr viel Treibstoff verbraucht. Bei Langstreckenflügen verstärken die in großer Höhe ausgestoßenen Gase den Treibhauseffekt zusätzlich. Kurzstreckenflüge weisen auf den Kilometer gerechnet eine besonders schlechte Klimabilanz auf. Bei der Flugbuchung sollte auf den Flugzeugtyp geachtet und modernere Maschinen bevorzugt werden, die weniger klimaschädliche Treibhausgase verursachen. Wer auf den Flug nicht verzichten möchte, hat die Möglichkeit, seinen verursachten CO²-Verbrauch zu kompensieren: Die Klimaschutzorganisation atmosfair ermittelt beispielsweise für Flugreisende den entsprechenden Schadstoffverbrauch und gleicht diesen durch die Unterstützung nachhaltiger Umweltprojekte wieder aus. Hierfür müssen verschiedene Angaben wie Flugzeit oder auch Gewicht des Gepäcks angegeben werden. Daraufhin ergibt sich ein Betrag an CO2-Ausscheidungen. Um diesen zu kompensieren, kauft man ein Zertifikat, dessen Geld an Klimaschutzprojekte geht (meistens Aufforstungen von Regenwäldern oder im Bereich der erneuerbaren Energien). Der “Gold Standard” bei Flugreisen garantiert, dass die Klimaschutzprojekte angebracht und von hoher Qualität sind.

Unterkünfte

  • Bio-Hotels sind darauf spezialisiert, nachhaltig zu agieren (regionales Essen, Ökostrom, Naturmaterialien und Recyclingpapier). Über CO2-Kompensation lassen sich sogar Bio-Hotelketten finden, die vereinzelt klimaneutral oder sogar CO2-positiv sind (nicht der Standard).
  • Hostels: Sie funktionieren vergleichbar zu Hotels, beherbergen aber bei ähnlichen Emissionen eine höhere Anzahl an Menschen. Daher ist die Umweltbilanz pro Kopf im Vergleich zu einem herkömmlichen Hotel besser. Allerdings haben Hostels ähnliche Probleme wie Hotels, wie zum Beispiel einen hohen Wasserverbrauch. Deswegen lässt sich nicht sagen, dass Hostels per se nachhaltig sind, aber natürlich gibt es auch hier Hostels, die sich besonders nachhaltig engagieren.
  • Umweltschonend und preislich erschwingliche Reisen gibt es über die Plattform “Naturhäuschen” (nachhaltige Ferienhäuser abseits des Massentourismus).
  • Der traditionelle Tourismus schließt häufig die lokale Bevölkerung aus, und Reisende bleiben oft in der Hotel-Bubble. Eine mögliche Alternative ist die Plattform socialbnb.org: Hier wird kein Hotel im klassischen Sinne gebucht, sondern Unterkünfte am Standort von sozialen und ökologischen Projekten aus den Bereichen Natur- und Tierschutz, Gleichberechtigung oder Gesundheit. Lokale „Impact Hosts“ stellen Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. 85 Prozent des Übernachtungspreises (von den Hosts selbst festgelegt) fließen direkt in das jeweilige Projekt vor Ort. Reisende übernachten nicht nur in Hotels, sondern in Kooperation mit socialbnb auch bei Gastfamilien in der Yunguilla-Gemeinschaft oder in der Kapawi Ecolodge. Sie unternehmen z.B. Ausflüge in den Regenwald oder verbringen Zeit in den lokalen indigenen Achuar-Gemeinschaften. So lernen sie Land, Menschen und Kultur authentisch kennen. Das fördert kleine Projekte, die normalerweise auf Spenden angewiesen sind und sonst nicht die nötige Finanzierung erhalten.

Ich danke Christine Bergmair (Gesundhaus i-Tüpferl) für die Koordinierung und Zusammenstellung des Reiseapotheken-Teils.

Weiterführende Informationen:

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
Mehr anzeigen