Nahbarkeit: Wie persönlich sollten sich Manager zeigen? Vier Tipps für den Auftritt im Netz
Kaum ein anderer Begriff fällt aktuell so oft in meinen Personal-Branding-Trainings mit Vorständen: Nahbarkeit (gleich gefolgt von Authentizität).
Gemeint ist, dass insbesondere Mitarbeiter, potenzielle Bewerber und Kunden die Unternehmenslenker als Mensch und nicht nur als Manager wahrnehmen sollen. Als eine Person, die erreichbar ist, zuhört und Interesse am Dialog zeigt. Eine Person, die persönliche Anekdoten teilt.
Nicht nur Vorstände zeigen sich persönlicher in Social Media. Ein Bild vom Wanderausflug hier, eine Leseempfehlung aus dem Winterurlaub dort und dazwischen immer wieder Anekdoten aus dem eigenen (Arbeits-)Alltag (samt Learnings versteht sich).
Ist Nahbarkeit also die neue Währung in der Vorstandsetage (und im XING- und LinkedIn-Kosmos)?
Und wie persönlich und nahbar sollten Managerinnen und Manager sich überhaupt zeigen?
Der Wunsch, nahbarer zu wirken, ist an sich eine gute Idee. Amy Cuddy, Sozialpsychologin an der Harvard Business School, fand in einer groß angelegten Studie heraus, dass wir innerlich vor allem zwei Fragen beantworten, wenn wir jemanden das erste Mal kennenlernen (sei es Face to Face oder über einen Social-Media-Post):
Erstens: Wirkt die Person warm und vertrauenswürdig?
Zweitens: Ist die Person kompetent?
Und das kulturübergreifend. Werden beide Fragen mit „Ja“ beantwortet, erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit dieser Person zusammenarbeiten wollen. Oder im Falle eines Vorstands: Dass wir uns bei dem Unternehmen bewerben wollen, etwas von dem Unternehmen kaufen wollen oder stolz sind, bei diesem Unternehmen zu arbeiten.
In einer weiteren globalen Studie von PwC gaben 55 % der befragten CEOs an, dass ein Mangel an Vertrauen eine Bedrohung für ihre Organisation darstelle.
Da Nahbarkeit oft mit Vertrauen assoziiert wird, erscheint es also naheliegend, dass Vorstände den Nimbus des unnahbaren und unfehlbaren Alleskönners ablegen wollen.
An sich eine sehr gute Intention.
Aber wie lautet nun der Kodex für „nahbare Posts“?
Das Wichtigste zuerst, auch wenn es banal scheinen mag: Wer auf XING und LinkedIn nahbar scheinen möchte, es aber im direkten Gespräch mit Mitarbeitern nicht ist, kann hierbei viel Vertrauen verspielen. Wer zum Beispiel keinen Raum lässt für persönlichen Austausch und in jedem Meeting nur Fakten statt ehrliches Interesse am Gegenüber zeigt, sollte online keine Nahbarkeit vortäuschen.
Wird Nahbarkeit jedoch auch abseits der Social-Media-Kanäle gelebt, kann man über das WIE sprechen.
Vorweg: Persönlich bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich Geschichten aus meinem Leben erzähle. Persönlich heißt, dass ich eigene Gedanken und Erfahrungen teile. Oder eine Haltung einnehme, anstatt nur Ideen von anderen aufzugreifen und Events anzukündigen.
Die Spielarten sind vielfältig und hängen auch von der Persönlichkeit des Vorstands ab. Einige Tipps
1. Zuerst den kleinen Zeh ins Wasser …
Insbesondere wenn man auf XING oder LinkedIn erst startet, empfehle ich, ca. 15 Minuten am Tag nur zu scrollen und Beiträge anderer zu lesen. Ein Gefühl zu bekommen für die Plattform. Komplettes Account-Take-over ist keine gute Idee. Durch das Lesen entwickelt man langsam ein Gefühl für die Plattform und sieht, was einem gefällt und was nicht. Der erste Post wird wahrscheinlich kein persönliches Video sein oder ein Foto aus dem eigenen Homeoffice. Erst mal Herantasten ist völlig okay.
Ideen für persönliche Posts, wenn man gerade erst anfängt
Post von einem relevanten internen Event (wie dem Jahres-Kick-off etc.)
Begegnungen und Austausch mit Mitarbeitern, Kunden, Experten etc.
Reflexion über das vergangene Geschäftsjahr
Vergleich damals und heute (Menschen lieben Zeitreisen, siehe dazu das Beispiel von Ola Källenius weiter unten)
2. Fokus behalten und Bezug zur Arbeitswelt sicherstellen
Eine gute Positionierung erkennt man daran, dass die Person zwei bis drei Kernthemen hat, zu denen sie regelmäßig schreibt. Als Vorstand sollten die Themen zum Kerngeschäft passen, zum gesellschaftlichen Auftrag der Firma und zu den eigenen Aufgaben und Interessen. Die persönlichen Anekdoten, Erfahrungen und Meinungen kann man wunderbar in diese Kernthemen einbringen.
3. Auf die richtige Dosierung achten
Ein Vorstand vertritt immer auch das Unternehmen und nicht nur sich selbst. Wenn nur rein persönliche Posts kommen, wirkt das entkoppelt vom Unternehmen. Ich empfehle, dass maximal ein Viertel aller Posts rein persönlicher Natur sein sollten.
4. Persönlich ist nicht privat
Wo die Grenze verläuft, muss jeder für sich klären. Bei den meisten verläuft sie bei Bildern vom eigenen Zuhause samt Familie (außer im Homeoffice), Ausfall wegen Krankheit samt Details und co. Als Regel gilt: Was ich auf einer formellen Businessparty nicht vor Fremden am Stehtisch erzählen würde, sollte ich auch nicht auf Social Media posten.
Fazit
Persönlichkeit und Nahbarkeit auf XING und LinkedIn zu zeigen ist nicht nur schwer in Mode, sondern macht auch geschäftstechnisch Sinn. Wer hier ein wenig Kreativität und Mut zeigt, kann viele Stakeholder für sich gewinnen und damit einen guten Dienst für das Unternehmen leisten.
PS: Wer weitere Tipps für gelungene Vorstands-Posts oder Wünsche hat, welche Themen ich als Nächstes aufgreifen soll: Gern in die Kommentare schreiben oder per private Nachricht an mich senden.