Neue Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Kriterien und Bewertungsmethoden
Ein Nachhaltigkeitsreport ist für sie zwar „nur“ ein Kommunikationsinstrument unter vielen, doch kommt ihm eine zentrale Rolle in der unternehmerischen Rechenschaftslegung über Ziele, Aktivitäten und der Kommunikation mit Stakeholdern zu. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelte sich aus der Umweltberichterstattung heraus. Die ersten Umweltberichte wurden Ende der 1980er-Jahre von Chemiekonzernen veröffentlicht, als sich die Branche starker öffentlicher Kritik ausgesetzt sah und ihr Image verbessern wollte. Seit der Einführung der EG-Öko-Audit-Verordnung (EMAS) im Jahr 1995 wurden zahlreiche Umwelterklärungen erstellt. Diese sind als eine Form der Umweltberichterstattung anzusehen und unterschieden sich oftmals auch nicht von ungeprüften Umweltberichten.
Ende der 1990er-Jahre begannen die ersten Unternehmen, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen, indem sie zusätzlich über soziale und ökonomische Themen informierten. Heute verfolgen Nachhaltigkeitsberichte ganzheitliche Ansätze, denn die Anforderungen aus Gesetzen, Richtlinien und Rahmenwerken an die Berichterstattung der Unternehmen verändern und vermehren sich ständig. Genannt seien beispielsweise die CSR-Berichtspflicht, die Standards der Global Reporting Initiative (GRI), der Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), die Gemeinwohl-Bilanzierung und die Sustainable Development Goals (SDGs).
Das Reporting zeigt die Vielfalt und Wirkungsweise der nachhaltigen Tätigkeitsfelder von Unternehmen. Gleichzeitig ermöglicht diese umfassende Standortbestimmung das Erkennen möglicher Schwachstellen und die Identifikation von neuen Herausforderungen. Nachhaltigkeitsberichte richten sich an Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten, Journalisten und andere am Unternehmen Interessierte. Im Fokus stehen der Status quo mit konkreten Kennzahlen sowie die Erläuterung von Strategien, Lösungsansätzen und Entwicklungsperspektiven. Darüber hinaus werden konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeitsleistung aufgezeigt. Die meisten Unternehmen entscheiden sich für eine Berichterstattung nach dem Regelwerk der GRI. Es ist die bekannteste und wichtigste Initiative zur Bildung von Nachhaltigkeitsindikatoren auf internationaler Ebene, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen und Organisationen die sogenannten GRI-Kennzahlen entwickelte. Sie enthalten – neben den ökologischen und ökonomischen auch gesellschaftliche Leistungsindikatoren.
Der Prozess der Evaluierung und Verifizierung ist für Unternehmen wichtig, weil sie daraus etliche Erkenntnisse ziehen können – auch im Sinne einer strategischen Ausrichtung, auf der ihre zukünftigen Wege eingezeichnet sind. Die Abbildung von Kennzahlen ist notwendig, weil sie zu aussagekräftigen Schlüsselinformationen verdichtet und miteinander verglichen werden können. Sie ermöglichen, konkrete Nachhaltigkeitsziele festzulegen und quantifizierbar zu machen. Dazu müssen sie aussagekräftig sein und aus fundierten Daten entwickelt werden, die über einen längeren Zeitraum verfolgt werden können. Die systematische Erhebung und Analyse von Daten und Prozessen hilft, auch intern einen klaren Blick dafür zu erhalten, wo das Unternehmen aktuell steht.
Das Ranking 2021 von IÖW und der Unternehmensvereinigung Future definiert die Maßstäbe für eine gute Berichterstattung und bewertet deren Einhaltung in der Berichtspraxis. Es wurde nun konzeptionell weiterentwickelt (strukturelle Verfeinerung und Anpassung des Kriteriensets zwecks verbesserter Systematik, mehr Übersichtlichkeit und größerer Flexibilität, Modularisierung der Kriterien). Eine Leitidee zur Verbesserung der inhaltlichen Systematik ist dabei die Unterscheidung von fünf Modulkategorien in Anlehnung an elementare Schritte eines Managementprozesses:
Kontext und Relevanz
Ambition und Ziele
Handlungsansatz und Maßnahmen
Leistungen und Ergebnisse
Reflexion und Konsequenzen.
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) ist ein führendes wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten Nachhaltigkeitsforschung. Es erarbeitet Strategien und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche Grundförderung. future e.V. – verantwortung unternehmen ist eine Initiative nachhaltig wirtschaftender Unternehmen, die das Ziel verfolgt, nachhaltige und zukunftsfähige Strukturen auszubauen und unternehmerisches Denken mit den Anforderungen nachhaltigen Wirtschaftens zu vereinen. In Deutschland wurde schon 1994 von IÖW und future e.V. das erste Ranking von Umweltberichten und Umwelterklärungen durchgeführt. Es war die weltweit erste kriteriengestützte Bewertung von Berichten, in denen Unternehmen auf freiwilliger Basis ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten beschreiben. Es ist unabhängig und wird mit Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt.
Im Jahr 2021 findet es zum elften Mal statt. Die besten Berichte werden Anfang 2022 auf einer Fachkonferenz beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgezeichnet. Neben dem Kriterienset mit Basisanforderungen an eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung sind nun auch die speziellen Anforderungen an einzelne Branchen und an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in aktualisierter Version veröffentlicht. Für die Überarbeitung der Kriterien war maßgeblich, relevante Themen aus aktuellen Nachhaltigkeitsdiskursen aufzugreifen und aktuelle Entwicklungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu berücksichtigen (Sustainable Finance und Sustainable Corporate Governance auf EU-Ebene, verschärfte Anforderungen an Großunternehmen im Bereich Lobbying, Anforderungen an den verantwortungsvollen Umgang mit den Pandemiefolgen).
Weil die Digitalisierung für Unternehmen neue gesellschaftliche und ethische Fragen aufwirft, setzt sich das IÖW in diesem Jahr auch mit dem Thema Corporate Digital Responsibility auseinander. Hierfür wird eine empirische Analyse der Nachhaltigkeitsberichte durchgeführt, die im Ranking 2021 dabei sind. Untersucht wird, wie Unternehmen Digitalisierung und Nachhaltigkeit verbinden und welche Digitalthemen die Unternehmen unter den Gesichtspunkten gesellschaftlicher Verantwortung und Nachhaltigkeit behandeln. Die Ergebnisse der Untersuchung werden Anfang 2022 als Grundlagenstudie zu Corporate Digital Responsibility veröffentlicht.
Ranking der Nachhaltigkeitsberichte
Was es bedeutet, jetzt gemeinsam zu handeln
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2021.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: CSR und Nachhaltigkeitsmanagement richtig umsetzen: Die wichtigsten Schritte und Werkzeuge - mit zahlreichen Praxistipps und Mustervorlagen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.