Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

New Work und Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielt die neue Leistungskultur?

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Das Ende der High Performer

Der Elitegruppe der „High Performer“ galten jahrelang als Vorbild für Mitarbeitende und Führungskräfte. Auch die Coaching-Szene nutzte die Trittbretter der bewegten „Gefährten“, um etwas Goldstaub vom Fahrtwind zu erhaschen. Inzwischen werden die Geschwindigkeitsfanatiker von jenen überholt, die auf ein normales Tempo setzten und ebenfalls aus eigenem Antrieb agieren. Der Unterschied ist nur: Sie stehen nicht unter Druck und müssen sich nicht immer wieder neu beweisen, um ihrem Status gerecht zu werden wie die „High Performer“. Unbeachtet in der Vergangenheit blieb oft der Aspekt, dass sie zwar außergewöhnliche Leistungen erbringen, aber menschlich auf der Strecke bleiben und sich zu Narzissten entwickeln können. Der ernst zu nehmenden Fehlentwicklung der wirtschaftlichen Eliten äußerte sich auch Dr. Benedikt Herles, Jahrgang 1984, in seinen Publikationen. 2013 beschreibt er in seinem Schadensbericht über deutsche Chefetagen seinen ersten Job als „High Potential“ bei einem internationalen Consultant. Das war für ihn eine herbe Enttäuschung. Es ging um „Zahlen statt Visionen, Analysen statt Gefühle.“ Selbst die künftige Elite der Wirtschaft lernte immer nur die Vergangenheit kennen, nicht die Prinzipien, mit denen sie die Zukunft gestalten könnte: „Das englische Wort lean bedeutet auch >hager<. Züchten wir uns also bulimische Unternehmen heran, die so >produktiv< sind, dass sie irgendwann unter dem Gewicht ihrer ausgebrannten Manager, verärgerten Arbeitnehmerschaft und verbrauchten Technologien zusammenbrechen?“

Jahrelang wurde uns suggeriert, dass nur, wer ständig Höchstleistung erbringt und damit etwas aus sich macht, auch etwas „wert“ ist. 

Das Beste würde sich nur außerhalb des Gewöhnlichen finden … Glück und Erfolg würden nicht in der Mitte, sondern in den Extremen liegen … Die Extrameile von heute sei der Standard von morgen … Viele von denen, die das vor Jahren vermittelten, tun es noch immer und sehen nicht, wie weit sie sich von ihrer eigenen Mitte entfernt haben. Menschen ständig dazu anzuhalten, die beste Leistung abzurufen, ist nicht nachhaltig. Zu einer nachhaltigen Wertekultur in Unternehmen gehört auch die Wertschätzung all jener, die fleißig und konstant ihrer Arbeit nachgehen. Ihr Erfolg ist nicht sofort zu sehen, er ist auch nicht mitlärmender Geschwindigkeit verbunden, sondern mit leiser Verstetigung. Auch die Coachingszene, die ausschließlich auf High Performer setzt, berücksichtigt nicht, „dass sich jede /außer)gewöhnliche Leistung über die Zeit zu einer gewöhnlichen Leistung entwickelt und aus dem einstigen High Performer ein High-End-Durchschnittsperformer wird“, schreibt Dr. Doris Dull, Inhaberin und Geschäftsführerin der Firma Convalori, in ihrem aktuellen Buch „New Work, Leistungskultur und Performance-Messung“. 

Die Autorin hinterfragt darin die aktuelle Leistungskultur und ihre Performance-Managementsysteme, die versucht, mit KPIs, Dashboards, Scorecards, OKRs, Metrics und oft unrealistischen Zielvorgaben, die Mitarbeitenden zu noch mehr Leistung anzuregen. Vor ihrer Selbständigkeit war sie im Top Management für international börsennotierte Konzerne der Automobilzulieferindustrie tätig. In ihrer letzten Position als Global Director Human Resources war sie verantwortlich für die Konzeptionierung und Umsetzung von strategischen und operativen Personalthemen. Zurecht verweist sie in ihrem Buch auf jene, die für ein Unternehmen und für die Gesellschaft viel wichtiger sind: normale Menschen, „die beständig und zuverlässig ihre Leistung erbringen und genau abschätzen können, die Extrameile zu gehen“.

Benötigen wir in Zeiten von New Work eine neue Leistungskultur?

Leistung muss neu gedacht werden, zudem werden neue Messkriterien benötigt. Leider wird heute häufig auf die falschen Schwerpunkte gesetzt, die in den Denkkategorien der letzten Jahrzehnte geführt wurden. Glauben Unternehmensvertreter blind den Beratern und Speakern, die auf „schnelle“ Wiederholung des von ihnen Altgesagten setzen, laufen sie Gefahr, auf die wirklich wesentlichen Faktoren dieser Transformation und deren Auswirkungen unvorbereitet zu sein. Statt Tschakka braucht es heute lediglich ein solides Handwerk, das Unternehmen hilft, in Zeiten der Krisen und Ungewissheit sowie zunehmender Komplexität richtig zu navigieren. In diesem Zusammenhang räumte der Managementvordenker Fredmund Malik schon vor Jahren mit dem Geniekult auf, dessen Spitzenleistungen nicht benötigt werden, sondern „die Kunst zum lehr- und lernbaren Handwerk“. So sind auch Leonardo da Vincis Nachfolger keine Genies, „sondern Hunderttausende von kompetenten Ingenieuren“, die brauchbare Leistungen für die Menschen erbringen.

Doris Dull stellt auch in ihrem Buch die handwerkliche Profession heraus und würdigt nachhaltig das weniger Spektakuläre. Die Mehrzahl der Arbeitenden erhält die Bezeichnung „Mittelmaß“ (eine kleine Minderheit die Bezeichnung „Low Performer“). Dabei hat es nichts mit mittelmäßig zu tun, „sondern es sind die Menschen, die beständig, zuverlässig, mit Fleiß und Disziplin ihre Arbeit erledigen.“ Für sie ist ein „gesundes gehobenes Mittelmaß, bei dem alle ihr Bestes geben und freiwillig die Extrameile gehen, wenn es notwendig ist, allemal besser, als ständig mit Druck Spitzenleistung zu fordern.“ Sie fordert eine neue Leistungskultur, die die Menschen anfeuert, aber nicht ausbrennt. Dabei geht es nicht darum, weniger arbeiten, sondern anders zu arbeiten. Dabei gibt es nicht das „New Work“.

New Work ist eine Reaktion auf verschiedene gesellschaftliche und organisationale Entwicklungen wie den demografischen Wandel, Globalisierung, Digitalisierung und Internationalisierung und einen veränderten Markt, in dem alte Strukturen nicht mehr funktionieren. Das Konzept wird vor allem mit einem hohen Anpassungsbedarf für Organisationen und neuen Chancen in Verbindung gebracht. Historisch hat der Begriff allerdings eine andere Bedeutung: Er geht zurück auf den österreichisch-amerikanischen Soziologen Frithjof Bergmann, der ihn bereits in den 1980er-Jahren prägte. Freiheit definierte er nicht nur als Wahl zwischen Alternativen, sondern vor allem als Handlungsfreiheit, die früher (zumindest ansatzweise) Heimarbeiter hatten.

Zu den heutigen Aspekten von New Work gehören:

  • Neue Arbeitsmethoden, -formen und -modelle
  • heterogene Belegschaften
  • Eigeninitiative
  • Neue Führungskultur und Wandel des Führungsbildes
  • Dynamische und flexiblere Karrierekonzepte
  • Förderung der Selbstverantwortung
  • Sinnstiftung
  • Wahlfreiheit von Tun und Lassen.

Jedes Unternehmen muss allerdings seinen eigenen Weg in die neue Arbeitswelt finden – gemeinsam mit den MitarbeiterInnen und Führungskräften. „Es gibt kein Weg zurück, sondern nur weiter, aber anders“, so Dull. Das bestätigt auch der Unternehmer und Personalexperte Werner Neumüller - ein Babyboomer, der auch von der Leistungskultur („performance-driven culture“ oder „high performance culture“) geprägt wurde - in seiner Unternehmensgruppe Sinnstiftung und Profit erfolgreich miteinander verbindet. Kerngeschäft ist die Rekrutierungsunterstützung über die Personaldienstleistung vor allem im akademischen Umfeld und bezüglich Ingenieurqualifikationen. Regelmäßig nimmt die NEUMÜLLER Ingenieurbüro GmbH an Benchmarks wie Great Place to Work® teil, um eine Rückmeldung zu erhalten, wo das Unternehmen im Verhältnis zu den anderen steht und sich kontinuierlich zu verbessern. Immer wieder erhielt er die Auszeichnung attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland. Noch wichtiger als diese Wertschätzung sind allerdings „die wertvollen Impulse“, die dem Unternehmen helfen, sich als Arbeitgeber weiterzuentwickeln. Auch er ist wie Doris Dull der Meinung, dass Leistung nicht krank macht, solange die Arbeit, die man ausübt, Spaß macht.

Was die neue und nachhaltige Leistungskultur ausmacht:

  • Soziale Anerkennung
  • Sinnstiftende Arbeit
  • Intaktes Arbeitsumfeld
  • Gesunde Balance zwischen Leistung und Lebensgenuss
  • Bodenständigkeit statt Glamour
  • Nutzung von kollektiver Brain-Power
  • Denken in Prozessen
  • Engagement 4.0 (entfacht den Flow in einer Organisation und ist mehr als Arbeitszufriedenheit und Loyalität)
  • Faire Entlohnung
  • Eliminierung von Leistungskillern
  • Berücksichtigung von Regenerationszeiten als Teil der Gesamtstrategie des Unternehmens
  • Syntegration der Technik und der Unternehmensorganisation mit dem schnelllebigen Markt und der damit zusammenhängenden neuen Arbeitswelt.

Das Buch:

Doris Dull: New Work, Leistungskultur und Performance-Messung. Wie sich Unternehmen in der neuen Arbeitswelt verändern müssen. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2024.

Weiterführende Informationen:

Leistung neu denken: Wie wir wieder lernen, uns anzustrengen 

Benedikt Herles: Zukunftsblind. Wie wir die Kontrolle über den Fortschritt verlieren. Droemer Knaur, München 2018.

Benedikt Herles: Die kaputte Elite. Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen. Knaus Verlag, München 2013

Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 145-158.

Werner Neumüller: Das resiliente Unternehmen im Mittelstand. Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe. In: Zukunftsvision Deutschland. Innovation für Fortschritt und Wohlstand. Hg. Marion A. Weissenberger-Eibl. SpringerGabler Verlag, Berlin Heidelberg 2019.

Philipp Riederle: Wie wir arbeiten und was wir fordern. Die digitale Generation revolutioniert die Berufswelt. Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München 2017.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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