Perfekte Kunst: Die vollkommene Wahrhaftigkeit eines Augenblicks einfangen
„Ich hab keine Botschaft an die Welt. Ich bin nicht schlau genug, um zu führen, aber schlau genug, um nicht zu folgen.“ Charles Bukowski
Das Leben bereitete ihm häufig Mühe, aber das Schreiben ging ihm umso leichter von der Hand: „Wenn man mir die Hände abhackt, tippe ich eben mit den Zehen weiter“, war das Credo des Schriftstellers Charles Bukowski, für den das einzig Wichtige die nächste Zeile war, die geschrieben wurde. Er tippte immer alles sofort in die Schreibmaschine, die er sein „Maschinengewehr“ nannte. Zu seiner Alltagsroutine gehörten daneben sinfonische Musik, Zigarren und Bier, weil dies „die Lücken füllte, wenn es mit der Kreativität mal nicht so gut lief.“ Bereits als Zwanzigjähriger schrieb er wie ein Besessener – allerdings nur über seine Gefühle. Später orientierte sich Bukowski an seinen Erfahrungen, auf die er mit den Jahren zurückgreifen konnte.
Neben Prosa und Lyrik verfasste Bukowski zwischen 1961 und 1974 etliche „Notes of a Dirty Old Man“ betitelte Kolumnen, die in L. A. Free Press und Open City sowie in Nola Express veröffentlicht wurden. Oft fanden sie aufgrund ihres pornographischen und obszönen Inhalts allerdings keinen Eingang in seine Bücher. Perfekte Kunst bestand für ihn darin, die „vollkommene Wahrhaftigkeit eines Augenblicks“, der so noch nie bemerkt (oder ausgesprochen) wurde, einzufangen.
Henry Charles Bukowski wurde am 16. August 1920 in Andernach am Rhein als Sohn deutschpolnischer Eltern geboren. Als er drei Jahre alt war, wanderte er mit seinen Eltern in die USA aus, wo er in den Slums westamerikanischer Großstädte aufwuchs. Zuerst schrieb er Gedichte für Underground-Gazetten, später Erzählungen und Romane. Mit den Kurzgeschichten bezahlte er seine Miete, und mit seinen Romanen zeigte er, wie viele verschiedene Dinge ihm auf seinem Weg zustießen. Bukowski veröffentlichte über 40 Prosa- und Lyrikbände. In seinen Gedichten war er „zu 93 Prozent der Mensch“, der hier präsentiert wurde. „Die restlichen 7 Prozent sind das, was das Leben durch die Kunst schöner macht“ und was er als „Hintergrundmusik“ bezeichnete. Mit dem Alter hatte er keine Probleme: „Ich haue meine Sätze mit viel größerem Erfolg in die Maschine als je zuvor.“ Genet, Henry Miller und Sarte feierten ihn als „poète maudit“ des heutigen Amerikas. Am 9. März 1994 starb er in San Pedro bei Los Angeles. Seine im Buch „Ein Dollar für Carl Larsen“ erstmals veröffentlichten Kolumnen thematisieren die Dynamik des Schreibens sowie die schwierige Situation eines Schriftstellers am Anfang seiner Karriere.
Die für seine Autorenkollegen (u.a. Doug Blazek, William Wantling, Jory Sherman, Ernest Hemingway) verfassten Rezensionen und Vorworte im zweiten Teil belegen seine profunden Kenntnisse der amerikanischen und klassischen Literatur, zeigen aber auch seine ablehnende Haltung gegenüber dem literarischen Establishment: „Entweder spricht ein Gedicht für sich oder eben nicht. Ich hab nichts gegen die Jungs, die es bis in den Elfenbeinturm geschafft haben und Poesie unterrichten. Jedem das Seine. Aber für mich wär das nichts.“
Auch schriftstellerischer Ruhm war für ihn so wenig erstrebenswert wie Dichterlesungen, die er als enorme Belastung empfand – er machte es nur wegen des Geldes und bezeichnete es sogar als „Literaturstrich“. Oft musste er danach betrunken aus dem Saal getragen werden. Ihm war bewusst, dass Schriftsteller häufig keine guten Redner sind, „denn sie müssen sich den Gesprächsstoff für ihre Bücher aufsparen.“
Weiterführende Literatur:
Charles Bukowski: Ein Dollar für Carl Larsen. Herausgegeben von David Calonne. Deutsch von Esther Ghionda-Breger. MaroVerlag, Augsburg 2019.
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