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Erste Hilfe in akuten Stresssituationen: Physiologisches Seufzen erwies sich in Studien als besonders effektiv. - © Pexels/Kelvin Valerio

Physiologisches Seufzen: Die beste Technik, um Dein Gehirn neu zu starten und Stress auszutricksen!

Oft wird Stress mit seinen körperlichen Auswirkungen als etwas empfunden, das im Kopf stattfindet und auch dort gelöst werden muss. Doch in einer akuten Situation, wenn die Stressreaktion blitzschnell und weitgehend unbewusst abläuft, funktionieren verstandesmäßige Techniken nicht besonders gut. Aber es geht auch andersherum – wir können die Sache mit dem Stress quasi auf den Kopf stellen: das heißt, nicht über unser Gehirn den Körper beruhigen, sondern umgekehrt über unseren Körper die Stressspirale stoppen.

Wirkt sogar besser als Meditation

Eine simple Atemtechnik hat sich in Studien des Neurobiologen Andrew Huberman von der Stanford University, USA, als besonders wirksam gezeigt. Sie verändert die Hirnaktivität sogar stärker, als es Achtsamkeitsmeditation tut. Sie erwies sich in den Studien auch besser als die wirkungsvolle Box-Atmung, die von den Navy Seals, Elitesoldaten der amerikanischen Marine, eingesetzt wird: das sogenannte physiologische Seufzen. „Zwei oder drei physiologische Seufzer sind der schnellste bekannte Weg, die autonome Erregung wieder auf ein normales Niveau zu bringen“, sagt Hubermann („Spektrum der Wissenschaft“). Und diese Seufzer sind damit eine sehr gute Antwort auf eine Frage, die in meinen Trainings für Stressmanagement und Resilienz seit Jahren am häufigsten gestellt wird: Wie kann ich in einer akuten Stressreaktion schnell wieder runterkommen?

Das physiologische Seufzen ist im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht und eine völlig natürliche Technik, um unser Gehirn quasi neuzustarten und in den Entspannungsmodus zu wechseln.

So einfach funktioniert’s

Physiologisches Seufzen ist ein doppeltes Einatmen und normales Ausatmen. Kinder atmen auf diese Weise, wenn sie schluchzen, im Schlaf tun es auch Erwachsene ganz automatisch, ebenso Tiere. So geht‘s:

• Du kannst diese Atemtechnik im Stehen, Sitzen oder Liegen anwenden. Im Bett zum Beispiel, um besser Einzuschlafen.

• Atme über die Nase tief ein und dann nochmal ein. Es ist also ein doppeltes Einatmen ohne zwischendurch auszuatmen.

• Atme dann über den Mund doppelt so lange aus. (Rhythmus 1:2).

• Atme so einige Male. Es gibt keine festgelegte Anzahl der Atemzüge.

Was steckt dahinter?

Warum funktioniert die Steuerung unseres Gehirns so gut über die Atmung? Grundsätzlich beeinflusst die Atmung unser vegetatives Nervensystem, also den Bereich des Nervensystems, den wir nicht willentlich beeinflussen können. Die Atmung selbst läuft zwar autonom ab, wir können sie aber auch bewusst verändern. Die Atmung ist damit ein Bindeglied zwischen dem bewusst steuerbaren Nervensystem und dem nicht steuerbaren. Über die Atmung lässt sich eine Beruhigung des Vagus-Nervs erzielen und zum Beispiel die Herzfrequenz senken, die Verdauung normalisieren und der Schlaf verbessern.

Unterschiedliche Stressreaktion über Nasen- oder Mundatmung

Auch das Ein- und Ausatmen haben unterschiedliche Effekte auf unsere Stressreaktion. Beim Ausatmen verlangsamt sich die Herzfrequenz, beim Einatmen wird sie beschleunigt. Unterschiedliche Auswirkungen auf unser Nervensystem haben auch die Atmung über den Mund im Gegensatz zu der über die Nase. Die Nasenatmung scheint eine beruhigende Wirkung auf die Amygdala, unser sogenanntes Angstzentrum, zu haben. Umgekehrt verstärkt das Einatmen unsere Angriff-und-Flucht-Reaktion.

Eine ruhige Atmung mit einem längeren Ausatmen stoppt also die körperliche Stressreaktion und signalisiert dem Gehirn, dass es nicht im Alarm-Modus sein muss.

Doch weshalb funktioniert der physiologische Seufzer – physiological sigh – so besonders gut? Bei Stress fallen die Lungenbläschen zusammen, wodurch Kohlendioxid ausgestoßen wird. „Der physiologische Seufzer füllt die Lungenbläschen wieder mit Luft“, erklärt Huberman.

Ein Echtzeit-Werkzeug, um Stress zu verringern

Diese Atemtechnik funktioniert ohne große Übung in akuten Stresssituationen, ob am Rechner, nach einem Meeting oder in der ewig langen Schlange vor dem Security Check am Flughafen. „Sie ist ein Echtzeit-Werkzeug, das wir jederzeit und überall anwenden können, um Stress zu verringern, sagt Huberman („scopeblog Stanford)“. Gutes, praktisch anwendbares Stressmanagement wie dieses stärkt die innere Widerstandskraft, unsere Resilienz, auch nachhaltig. Denn regelmäßig eingesetzt hat das physiologische Seufzen sogar einen positiven Langzeiteffekt im Umgang mit Belastungen und Ängsten.

Mehr zu solchen Themen auch in meinem 2-tägigen Resilienztraining am 14. und 15.10.2024 im Beach Motel an der Nordsee. Für Infos und Anmeldeformular sendet mir gern eine PM oder E-Mail an drkaikaufmann@icloud.com

#Resilienztraining #Stressmanagementtraining #newwork

Quellen:

  • springermedizin online

  • Scopeblog Stanford Medicine

  • Spektrum der Wissenschaft

Kommentare

Dr. Kai Kaufmann schreibt über Stressmanagement, Resilienz, New Work, Gesundheit & Soziales

Dr. Kai Kaufmann war 15 Jahre als Führungskraft für Verlage tätig. Nach einem Burnout stellte er die Weichen für sein Leben neu. Heute unterstützt er als Trainer für Stressmanagement und Resilienz Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Als Medical Writer publiziert er bis zu 30 Fachartikel jährlich.

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