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Verworrenes entwirren und klären – ein mögliches Ergebnis von gutem Coaching - © Christian Thiele | positiv-fuehren.com

Positives Coaching: warum, wozu, für wen und wie?

Ich werde immer wieder gefragt, was ich unter Coaching verstehe, welchen Ansatz ich vertrete und wie ich speziell coache. Deshalb will ich das hier erklären. Und zwar wie folgt:

  • Was heißt Coaching für mich – und was nicht?

  • Für wen und für welche Anlässe eignet sich Coaching?

  • Wie sieht Coaching aus?

  • Und wie erkennt man eineN guten CoachIn?

Was heißt's – und was nicht?

Den Begriff des Coachings im allgemeinen definiert die Deutsche Gesellschaft für Systemische Forschung und Therapie (DGSF) so:

Coaching ist eine Form individueller Prozessberatung im beruflichen Umfeld mit Blick auf die Ebene der Organisation, der Rolle, der Funktion, der Person und der individuellen Persönlichkeit. Ziel ist es, die individuellen Vorhaben sowie die persönlichen Kompetenzen des Klienten und die Anforderungen der Organisation an ihn als Funktionsträger zu reflektieren und zu einer Integration zu führen.
Coaching Definition nach DGSF

Für mich ist Coaching ein professioneller, auf den einzelnen Klienten maßgeschneiderter Prozess der Beratung und Begleitung von Einzelnen. In der Regel geht es um die Veränderung und Erweiterung von Denk-, Handlungs- und emotionalen Mustern. Haltung und Methoden der Positiven Psychologie sind mir dabei sehr wichtig, das heißt aus meiner Sicht

  • Fokus auf Gelingendes, Freudiges, Potenziale, Sinnhaftes statt endlosem Ergründen von Problemen und Defiziten

  • das Ermöglichen von Wachstum, Potenzialen des Coachees

  • positive Emotionen für den Coaching-Prozess nutzbar machen

  • wissenschaftlich begründete Interventionen und messbare Potenzial- und Fortschrittsdiagnostik

Im Unterschied zu direktivem Coaching, zu Problemcoaching, oder zu rein lösungsfokussiertem Coaching geht es mir im Coaching weder darum, meine wie auch immer geartete Expertise an den Klienten zu vermitteln; Probleme in ihrer Genese und Auswirkung bis ins letzte zu verstehen; oder den kürzesten Weg von Defizit A zu Defizitbewältigung B zu vermitteln. Wirksames Coaching ist für mich Wachstum, Veränderung, Potenzialförderung jenseits von reiner Analyse, Bewältigung und Überwindung von Problemen – sowohl für das Berufs- als auch das sonstige Leben. Die Ziele des Coachings stammen selbstredend vom Coachee – aber sie sind für mich wie Sterne: Sie helfen bei der Navigation, aber es geht gar nicht immer darum, sie auch wirklich zu erreichen.

Weil die Rede von Positiver Psychologie war: Diese ist, so definiert es die Berliner Psychologin Judith Mangelsdorf in ihrem tollen Buch „Positive Psychologie im Coaching“ (Springer 2019) so schön, „die wissenschaftliche Erforschung dessen, was das Leben lebenswert macht“. Heißt „positiv“ dann, dass alles immer nur gut- und schöngeredet wird, dass die „tragische Trias der menschlichen Existenz“ (Viktor Frankl) aus Tod, Schuld und Leid keine Rolle spielen darf? Überhaupt nicht, das wäre aus meiner Sicht oberflächliche Happyologie. Die Schattenseiten sind ein wichtiger, nützlicher und sowieso unvermeidlicher Teil des Lebens – und somit auch des Coachings. Aber der Fokus im Positiven Coaching liegt eben auf Ressourcen, Chancen, Stärken etc., auf dem „Guten“. Und das „Schlechte“ kann und darf dabei eine wichtige Rolle spielen – aber nicht dominieren.

Für wen?

Ich habe in rund 90 Prozent der Coachings mit Führungskräften zu tun, mal mit mehr, mal mit weniger formeller Führungsverantwortung. Das liegt wahrscheinlich zum einen daran, dass die meisten Coachings – zumindest in meinem Fall – von den arbeitgebenden Firmen oder Organisationen bezahlt werden. Leider gehen viele Firmen immer noch davon aus, dass Veränderung tendenziell immer von oben ausgeht, und deshalb bekommen MitarbeiterInnen seltener Coachings genehmigt und bezahlt – aber in manchen Organisationen ändert sich das mittlerweile, schon alleine aufgrund des Fachkräftemangeles und gestiegener Anforderungen an Arbeitende auf jeder Ebene.

Wichtig: Coaching ist primär für Gesunde! Bei Traumata oder ernsthaften seelischen Erkrankungen (zum Beispiel Depressionen, Zwangs-/Angststörungen) kann Coaching eine Behandlung zusätzlich begleiten und unterstützen – aber auf keinen Fall ersetzen!

Welche Anlässe?

Die typischen Situationen, in denen Klienten ein Coaching unternehmen, haben in der Regel mit Veränderung zu tun:

  • eine neue Rolle wird/wird demnächst/wurde vor kurzem eingenommen

  • berufliche oder private Konflikte oder Krisen stärken den Wunsch nach Auf- und Umbruch

  • ein runder Geburtstag, eine persönliche Begegnung oder ähnliches führt zum Wunsch nach Entwicklung, Wachstum – weg von X, hin zu Y oder eine Mischung aus beidem

Wie geht’s?

Typische Interventionen in meinen Coachings haben vor allem mit folgenden Aspekten zu tun:

  • Beziehungen

  • Erfolge

  • Handlungsspielräume

  • Mut

  • Resilienz

  • Ressourcen

  • Stärken

  • Ziele

  • Werte

  • Ziele

Coaching ist ein Prozess, durch Handauflegen in 10 Minuten einen Menschen von links auf rechts krempeln kann ich nicht, will und werde ich nie können. Häufig ist mit 7-10 Sitzungen in Bezug auf die Ausgangsfragestellung viel erreicht. Die Sitzungen finden in der Regel alle 2-4 Wochen statt, manchmal enger getaktet, manchmal weiter. Die meisten Termine finden bei mir in Präsenzform statt. Entweder in einem Raum oder – das kann manchmal besonders wirksam sein – in freier Natur. Was bei mir in der Regel heißt, dass es auf eine Hütte, zu einer Bahnstation oder ähnliches geht. Manche Coachings finden aber auch digital statt – mit allen Vor- und Nachteilen, die das hat (Unabhängigkeit von Zeit und Ort, Reiseaufwand, anderer Kontakt etc.)

Woran erkenne ich einen guten Coach?

Die eine Klientin sucht speziell einen Mann; der nächste Klient will explizit jemand Jüngeres oder Älteres; manchen sind Branchenerfahrung wichtig: Es gibt eine Vielzahl von subjektiven Kriterien, die für die Wahl des Coaches eine relevante Rolle spielen können. Die wohl wichtigste Frage, die sich Coachees stellen sollten: Passt die Chemie? Kann ich mir vorstellen, mit ihm oder ihr persönliche, vielleicht sogar intime Dinge zu besprechen und zu klären? Die Therapieforschung zeigt, dass ein positiver Eindruck nach der dritten Sitzung viel über den späteren Therapieerfolg aussagt.

Und dann gibt es noch einige fachliche und methodische Kriterien. Gutes Coaching hat viel mit Intuition und der Wahrheit des Moments zu tun, einerseits – und stützt sich andererseits doch auf wissenschaftliche Erkenntnisse, Begründungen, Interventionen, Diagnose- und Messmethoden (zum Beispiel VIA-Stärkeninventar, Adult Hope Scale, Personal Values Survey etc.) Ein Coach im Sinne der positiven Psychologie fragt nach und arbeitet viel mit Ressourcen, Stärken, Werten etc. Sie oder er arbeitet typischerweise mit Reframings, systemischen und Skalierungsfragen, macht auch Empfindungen und Körperwahrnehmungen zum Thema und besprechbar. Und arbeitet dabei selbst mit viel Wertschätzung, Interesse, Humor und anderen positiven Emotionen, die ein Lern-, Entwicklungs- und Veränderungsklima begünstigen. Auch beschäftigt sich ein guter Coach mit dem Davor und Danach, sprich: Transferplanung, Diskussion der sonstigen Lebensumstände etc. gehören dazu.

Gerade weil Coach kein geschützter Beruf ist, sollte ein Klient nach Aus- und Weiterbildungen, nach Zertifizierungen und Mitgliedschaften fragen (wie zum Beispiel in der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie, in diversen Coaching-Verbänden etc.). Gute Coaches gehen regelmäßig zu Inter- oder Supervision, um ihr eigenes Tun zu reflektieren, mögliche blinde Flecken zu erkennen, Stärken auszubauen etc. All das hat dann auch seinen Preis: Professionelles Coaching ist wohl kaum für weniger als 150 Eur/Stunde zu bekommen, Sätze zwischen 200 und 300 Euro sind durchaus üblich, manche Starcoaches (tatsächliche und vermeintliche) stellen auch vierstellige Stundensätze in Rechnung.

Wenn ich mehr wissen will?

Für mich die zwei besten Bücher über mein Verständnis von Coaching:

  • Judith Mangelsdorff: Positive Psychologie im Coaching (Springer, 2019)

  • Robert Biswas-Diener: Practicing Positive Coaching (John Wiley & Sons, 2010)

Und wer mehr oder Detaillierteres von mir wissen will: gerne melden!

Herzlich

Christian Thiele

Kommentare

Christian Thiele schreibt über Positive Leadership, Positive Psychologie, Führung, Wirtschaft & Management

Christian Thiele, 48, ist Vortragsredner, Coach, Teamentwickler und Trainer für Positive Leadership. Sein Podcast „Positiv Führen“ ist auf 🎧 positiv-fuehren.com/podcast zu hören, sein Buch "Positiv Führen" ist bei Wiley erschienen. (Ski-)Bergsteiger, (meist) zuversichtlicher Patchworkvater. 

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