Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit: "Wir benötigen eine schnelle und faire Transformation unserer Wirtschaft"
Über Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement gibt es bereits eine Vielzahl von Publikationen. "Es ist Zeit, die verstaubten Handbücher des Qualitätsmanagements in das Archiv zu schaffen, eine Überarbeitung und Aktualisierung der Zertifizierungskriterien vorzunehmen und Nachhaltigkeit als Kernverantwortung zu definieren, aber mindestens komplett zu überdenken", schreiben Dana Aleff, Linda Chalupová, Wilhelm Floer, Sandra Paul in ihrem Buch "Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement". DIN EN ISO 9001, DIN EN ISO/IEC 27001 etc. sind zwar wichtige und nützliche Regelwerke und Richtlinien, doch benötigen sie eine nachhaltige Verankerung in die Zukunft statt in die Vergangenheit. Das Autorenteam hat deshalb einen unkonventionellen Ansatz gewählt, um das Thema einer breiten Leserschaft zu vermitteln: Das Buch ist kein typisches Handbuch, das nur Normen, Regeln und Prozesse enthält - vielmehr besteht aus langen und kurzen Kapiteln, Geschichten aus dem Alltags- und Berufsleben, einem fachlichen Dialog, Bildern, Infografiken und Gedichten sowie unterschiedlichen Schreibstilen. Reflexionsfragen und Aufgaben fördern die Anwendung des Gelernten auf die eigene Situation.
Dieser Ansatz verdankt sich auch dem beruflichen Kontext des Teams: Dana Aleff ist studierte Maschinenbauingenieurin der RWTH Aachen, mehrfache Gründerin und Geschäftsführerin von Circonomit. Prof. Dr. Linda Chalupová ist Nachhaltigkeitsexpertin, Autorin und zertifizierte Aufsichtsrätin mit einer Professur für Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften. Dr. Wilhelm Floer leitet als Dozent Qualitätsmanagement-Trainings für Bildungsanbieter und ist aktiver Auditor. Sandra Paul ist Textilingenieurin und arbeitet als Beraterin und Trainerin für Managementsysteme im Bereich der nachhaltigen Transformation. Alle betonen in ihren Beiträgen, wie wichtig es ist, Geschäftsstrategien an Nachhaltigkeitszielen auszurichten, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten und das nachhaltige Wachstum voranzutreiben. Zu den wichtigsten Themen gehören die Auswirkungen von "Greenhushing", die Bedeutung neuer Maßnahmen zur Umwelt-, Sozial- und Governance-Berichterstattung (ESG) und die Frage, wie Organisationsstrukturen den Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit entweder erleichtern oder behindern können.
Der Qualitätsbegriff - vom lateinischen Wort „qualitas“ (Beschaffenheit, Zustand, Merkmal oder Eigensinn) - kommt nicht mehr ohne das Thema Nachhaltigkeit aus, denn Qualität bedeutet auch, mit wertvollen Ressourcen effizient und schonend umzugehen. Qualitätsmanagement entwickelt sich nach Meinung der Autoren "zum Lackmus-Test" für Unternehmenskultur, Anforderungen der Stakeholder und die Verbindung zu betriebs- oder volkswirtschaftlichen Zielen sowie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen wie der Energie- und Klimakrise, den weltweiten Kriegen, Ressourcenknappheit und geopolitischen Veränderungen muss das Qualitätsmanagement entsprechend angepasst werden. Damit verändert sich auch das Berufsbild des Qualitätsmanagers. QM-Verantwortliche sind heute wie Nachhaltigkeitsmanager abteilungsübergreifend tätig, wirken in der Ebene des Managements sowie an der Basis.
"Wir benötigen eine schnelle und faire Transformation unserer Wirtschaft. Die Systeme von heute beruhen auf Entscheidungen von vor Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten und bedürfen der Überprüfung", so die Autoren.
regelmäßige interne und externe Audits
einheitliche Dokumentation, welche Redundanzen vermeidet, Ressourcen schont, Aufwand reduziert und Kosten senkt
hohe ethische Ansprüche (fairer, ehrlicher Umgang)
strukturierte Sammlung und Aufbereitung der Daten und Informationen (Mitwirkung der Belegschaft)
transparente Darstellung von relevanten Kennzahlen, die zur Messung der Nachhaltigkeitsleistung der Organisation beitragen
offene Kommunikation
Abwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Qualitätssicherung und im Qualitätsmanagement (automatisierten 100 %-Qualitätsprüfung, grafische Auswertung, automatische Erstellung von Auditberichten, Prüfberichten etc.)
Einbeziehung der Mitarbeitenden in den Qualitätsgestaltungsprozess (notwendiges Element des Qualitätsmanagementsystems)
aktive Mitgestaltung der nachhaltigen Transformation
Förderung der Nachhaltigkeitskultur (Nachhaltigkeit und das Managementsystem sollten intrinsisch motiviert als wertschöpfend wahrgenommen werden und nicht nur Mittel zum Zweck der Zertifizierung sein)
Implementierung von robusten und effizienten Nachhaltigkeitsprozessen
flexible und flache Organisation
Stakeholder-Management
Weiterbildungsmaßnahmen
Aufbau und Bündelung von Wissen und Kompetenzen, um unternehmensweite, strategische Entscheidungen zu treffen
Zertifizierungen sollten als Startpunkt für kontinuierliche Verbesserung betrachtet werden
bereichsübergreifende Zusammenarbeit (Schaffung vernetzter Strukturen).
In der Praxis basieren die Integrierten Managementsysteme häufig auf einem Qualitätsmanagement- (nach ISO 9001) und/oder einem Umweltmanagement- (nach ISO 14001) und/oder Arbeitsschutzmanagement- (nach ISO 45001) und/oder Energiemanagementsystem (nach ISO 50001). Sicherheit und Resilienz (nach ISO 22301), Informationssicherheit (nach ISO 27001) und Compliance Management (nach ISO 37301) kommen immer öfter hinzu. Gezeigt wird allerdings auch, dass für einige Organisationen die Aufgabe des Managementsystems nur darin besteht, die erfolgreiche Zertifizierung sicherzustellen. Es geht hier vor allem um das Zertifikat ("Checklisten-Mentalität") zu Marketingzwecken und Imagepflege - die eigentliche Sinnhaftigkeit eines Managementsystems rückt in diesem Fall in den Hintergrund. "Eine tiefergehende Verpflichtung zur Leistungsverbesserung ist für die Organisation damit nicht gegeben." Ein Zertifikat ist kein Ersatz für messbare Verbesserungen und Fortschritt, sondern lediglich ein Werkzeug.
Was wird für die Effektivitätsverbesserung des Managementsystems und für die Steigerung der Unternehmensleistung konkret getan?
Wo liegen die Entwicklungspotenziale, und mit welchen Maßnahmen lassen sich die Qualitäten noch weiter verbessern?
Welche Managementsysteme existieren zum Thema Qualitätssicherung?
Welche Maßnahmen gibt es, die der Weiterentwicklung des Qualitätsmanagementsystems dienen?
Werden alle Prozesse mit definierten Kennzahlen überwacht, werden daraus Ansätze zur Weiterentwicklung und Verbesserung abgeleitet?
Ist die Qualitätspolitik ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur?
Welche organisatorischen und prozessualen Veränderungen sind notwendig, um schneller und erfolgreich auf die Änderungen zu reagieren?
Wie wird die Wirksamkeit von QM-Maßnahmen überwacht und den neuesten Kenntnissen und Erfordernissen angepasst?
Was sind die wichtigsten Ziele, auf die die Qualitätspolitik (enthält die wesentlichen Qualitätsaussagen, nach denen sich das Unternehmen am Markt ausrichtet) ausgerichtet ist?
Dana Aleff, Linda Chalupová, Wilhelm Floer, Sandra Paul: Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement. Ein unkonventioneller Kompass. Hanser Verlag, München 2024.
Ulrike Böhm, Stefanie Kästle, Julia Sulzberger: Ein Mittelständler auf dem Weg zur Klimaneutralität. In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage, SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Helen Landhäußer: Klimaneutralität durch Digitalisierung – von der Transformation analoger Technologien und GreenTech Unicorns. In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
Meadows et al. (1972): Die Grenzen des Wachstums. Übersetzung von Hans-Dieter Heck. 14. Auflage, 1987. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1972.