Realistisch bleiben: Wie nachhaltig ist die Energie der Zukunft?
Vor dem Hintergrund der schwindenden Erdgas-Vorkommen sind erneuerbare Energien wie nachhaltiges Biogas auf dem Vormarsch und spielen künftig eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung.
Fossile Brennstoffe gelten dagegen im Energiesektor als Auslaufmodell. „Entsprechend verschiebt sich auch der Energiemix zugunsten kohlenstoffarmer Lösungen. Erneuerbare Energien werden bis 2050 um das Dreifache wachsen und bereits 2030 rund die Hälfte der weltweiten Stromerzeugung ausmachen, 2050 dann bis zu 90 %“, bemerken Dr. Ruth Heuss ist Senior Partner im Berliner Büro von McKinsey & Company, und Stefan Helmcke, Senior Partner im Wiener Büro und Ko-Leiter der globalen Sustainability Practice von McKinsey & Company. In der Landwirtschaft könnten die CO2-Emissionen bereits heute durch die Skalierung bestehender Technologien wie etwa anaerobe Güllevergärung in Biogasanlagen reduziert werden, so die Experten. Auch wenn die Vorteile von nachhaltigem Biogas überzeugen (CO₂-neutrale Verbrennung, unbegrenzte Rohstoffverfügbarkeit, geschlossenen Nährstoffkreislauf, hohe Umwandlungseffizienz, regionales Erzeugnis, Energieunabhängigkeit, Bildung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, einfache Speicherung, Anlegen von Energierücklagen für etwaige Netzschwankungen mit wenig Zeitaufwand etc.), sollten die Nachteile nicht aus dem Blickfeld verschwinden. Dazu gehören:
- Herausforderung für Landwirte: Bedarfsdeckung an organischem Material
- Nicht ausreichender Ertrag, um den massiven Energiebedarf zu decken (gleichzeitige Nutzung von wetterabhängigen Energieträgern erforderlich)
- Geruchsbelästigung (Anlieferung von Gülle und anderen Verwertungsstoffen sowie durch austretende Gärgase)
- Anbau von Monokulturen (negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und das natürliche Ökosystems)
- Platzbedarf (mit der Anpflanzung von bestimmten Energiepflanzen)
- Reduzierung der zur Verfügung stehenden Anbauflächen für die Nahrungsmittel- und Futterproduktion.
- Schwierigkeiten in Bezug auf die Bedarfsdeckung (nur ein Teil des nationalen Strombedarfs lässt sich mit Biogasanlagen abdecken, wodurch die Nutzung weiterer Energieträger notwendig ist)
- hoher Preis pro Kilowattstunde (kWh)
- hohe Wartungskosten.
Der Umstieg auf erneuerbare Energien wird zwar vom Staat gefördert und fortlaufend ausgebaut, doch es wird bisher nicht ausreichend und konstant genügend Energie geliefert, um fossile Brennstoffe schon jetzt vollständig zu ersetzen. Erdgas ist deshalb für die Deckung des Primärenergiebedarfs sowie für die Energiewende unverzichtbar. Es ist mit niedrigen Betriebskosten verbunden, in Kombination mit modernen Technologien gut verfügbar und im Vergleich zu alternativen Quellen mit geringen Energiekosten verbunden. Und es ist günstiger als Biogas. Aber auch hier überwiegen viele Nachteile, denn dieser fossile Brennstoff ist begrenzt, erfordert einen aufwendigen Transport und den Einsatz modernster und teurer Fördertechnologien. Obwohl der Energieträger der schadstoffärmste unter den fossilen Brennstoffen ist, entstehen bei der Verbrennung von einem Kubikmeter Erdgas etwa zwei Kilogramm CO2. Hinzu kommen Abhängigkeiten: Deutschland ist auf Auslandsimporte aus Russland, Norwegen, den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den Niederlanden angewiesen. Zukünftige Preisentwicklungen sind nicht einschätzbar. Der Vergleich belegt, dass es viele Nebenwege, Abwägungen und Geduld braucht, um den Weg der Klimaneutralität zu gehen. Jede einseitige Ausrichtung ist auch mit Nachteilen verbunden, die wir bei Debatten und Entscheidungen entsprechend berücksichtigen sollten.
Weiterführende Informationen:
- Stefan Helmcke und Ruth Heuss: Europas Pfad zur Klimaneutralität: Auf Umwegen zum Ziel? In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
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