Schlagabtausch: Wie eine bessere Debatten- und Streitkultur gelingen kann
Leider wird Streit heute kaum konstruktiv, fair und zielführend gestaltet. Es dominieren Extreme: Links gegen rechts, laut gegen leise, alt gegen jung, Dorf gegen Stadt, Fahrrad gegen Auto. Die Wortgefechte führen häufig zu Spannungen und Konflikten. Das erinnert an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Streit - „(Waffen-)Kampf“(Althochdeutsch) -, die bis Ende des 18. Jahrhunderts vorherrschend war. Später war mit dem Begriff die verbale Auseinandersetzung gemeint.
Dennoch wird heute von „Schlagabtausch“oder „Wortgefecht“ gesprochen. Unsere Debatten- und Streitkultur braucht eine ganzheitliche Betrachtung, denn sie ist untrennbar miteinander verbunden.Doch was macht konstruktive Debattenaus? Wo finden sie heute statt? Mit welchem Ziel werden Debatten geführt? Wie hat Social Media die Debattenkultur verändert? Mit diesen Fragen sind auch zahlreiche Herausforderungen verbunden:
Debatten scheitern oft, bevor sie überhaupt beginnen oder greifen verstärkt in die Lebenswelten von Menschen ein (z.B. Essverhalten, Genderdebatte, Mobilität etc.)
Eliten- und Medien-MisstrauenFake News
Um sich zu informieren, nimmt sich kaum noch jemand ZeitUnsichere und kurzlebige Fördermittel für DemokratieprojekteHass und Hetze
Kulturelle Konfliktlinien Abstände zwischen den Krisen werden immer kürzer, und oft überlagern sich mehrere Krisen gleichzeitig
„Daumen hoch / Daumen runter“-Mentalität (schnelle und intuitive Entscheidungen)
Fragmentierung der ÖffentlichkeitManipulation durch gesellschaftlich erwartete Meinungen (Mainstream)Zunahme der Polarisierung in der GesellschaftVerstärkter Populismus verleitet dazu, Debatten unnötig zuzuspitzen (Emotionalisierung und Skandalisierung)
Weniger soziale Räume (z.B. Kirchen oder Sportvereine) als früher, in denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenkamen
Zunehmender Rechtsdruck
weniger Ressourcen, um anderen achtsamzuzuhören oder sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen
fahrlässige Rhetorik
Richtigstellungen finden nicht ausreichend statt (falsche Informationen können rasch ungeprüft in die öffentliche Debatte einfließen)
ökonomische Unsicherheiten
Verschwörungsmythen
Wahrheit basiert immer weniger auf Fakten, sondern auf Emotionen, Storytelling und selektiver Wahrnehmung.
Formulierungen sollten so gestaltet sein, dass der andere noch anknüpfen kann
Gewaltfreie Kommunikation (GFK): Mit diesem Modell lernen Menschen, einander zuzuhören und sich ehrlich mitzuteilen. Konflikte werden gelöst, ohne dass es dabei Gewinner und Verlierer gibt
Sich in die Lage des anderen versetzen können
Konzentration auf Sachdebatten
Nachfragen von Netzwerken, ob der Artikel wirklich gelesen wurde vor dem Teilen
Entschärfung des Streits mit dem NURSE-Modell (Nameing, Understanding, Respecting, Supporting, Exploring), einem Kommunikationsmodell zum Umgang mit den Gefühlen von Patienten
Pro und Contra dienen der Unterscheidbarkeit unterschiedlicher Positionen (problematisch ist nur die Absolutheit)
Probleme und Konflikte im Privat- und Arbeitsleben sollten direkt angesprochen werdenWenn etwas in Social Media geteilt wird, sollte möglichst auch der Kontext dazu genannt werden.
Die Distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23. Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2023.
Negative Meldungen werden online häufiger geklickt, geteilt und bleiben besser im Gedächtnis. In: Nature Human Behavior, 2023.
Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2021.CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.
Svenja Flaßpöhler: Streiten. Hanser Berlin2024.
Julia Reuschenbach, Korbinian Frenzel: Defekte Debatten. Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen. Suhrkamp Nova, Berlin 2024.