Sich durchsetzen: Was wir aus dem Machtkampf zwischen Laschet und Söder für unsere tägliche Arbeit lernen können
Armin Laschet (CDU) ist Kanzlerkandidat der Union. Sein Ringen mit dem Kontrahenten Markus Söder (CSU) ist eine Lektion darin, was es braucht, um am Ende zu gewinnen.
Mitten in der Nacht von Montag auf Dienstag hatte Armin Laschet im CDU-Vorstand eine Abstimmung über die Kanzlerkandidatur durchgepresst – und die Mehrheit für sich entschieden. Sein Ziel Kanzlerkandidatur hat er damit am Ende erreicht. Wir können alle nicht nur von ihm, sondern interessanterweise gerade auch vom Kontrahenten Markus Söder viel lernen, um den nächsten Job, das nächste Traumprojekt zu ergattern.
Zunächst ist die Lage so: Laut Umfrage sagen 66 Prozent der Bevölkerung, Söder sei „führungsstark“. Über Laschet sagen das nur 13 Prozent. 59 Prozent sprechen Söder „Tatkraft“ zu, aber nur 25 Prozent tun das bei Laschet. Wie konnte es zu dem dramatischen Machtkampf in der K-Frage aber überhaupt kommen? Und warum setze sich Lascht durch?
Schauen wir uns zwei Situationen an und die jeweilige Performance der beiden Kanzlerkandidaten der Schwesterparteien CDU und CSU: im Interview bei Markus Lanz am am 30. März und am 6. April – bei YouTube köstlich zu beobachten. Beide Kandidaten weichen so mancher Frage aus, beide interpretieren manchmal in völlig überraschender Art und Weise Tatbestände oder eigene Aussagen, so wie wir das eben von Politikern in unschöner Art und Weise kennen.
Söder macht aber etwas anders. Er wirkt bei Markus Lanz sicherer, gelassener und eloquenter. Was genau tut Söder? Was kann jeder im eigenen Verhalten im Unternehmen ebenfalls als führende Verhaltensweisen für sich nutzen?
Kürzlich coachte ich eine Führungskraft, die immer wieder von links nach rechts wackelte, und dem direkten Blickkontakt immer wieder auswich. Der direkte Blickkontakt ist in der heutigen Zeit diese kleine Kamera auf unserem Laptop. Wir sehen zwar unsere Zuhörer:innen nicht, aber diese fühlen sich genau dann von uns angeschaut, wenn wir in diese kleine Kamera mit Blickkontakt hineinsprechen. Ein starker Blickkontakt wirkt sicher und stark. Was macht Laschet? Er blickt immer wieder vor sich in den leeren Raum, statt Markus Lanz anzuschauen. Immer wieder greift er zum Wasserglas – ein Zeichen von Nervosität, denn unser Mund wird trocken, wenn wir nervös sind. Söder trinkt kein einziges Mal. Und er spricht permanent in die Kamera.
Beobachten Sie doch mal das Verhalten Ihrer sicher auftretenden Kolleg:innen und Führungskräfte. Was tun die, was diese sicher wirken lässt? Und was gucken Sie sich davon ab?
Gelassenes und souveränes Auftreten beginnt im Kopf
Söder sitzt gerade, aufrecht und hält vermutlich seine Beine parallel. Falls er die Beine überschlagen hat (im Bild nicht sichtbar), stellt er sicher, dass er gerade und aufrecht sitzt. Laschet sitzt schräg im Sessel, die Beine überschlagen und hinten im Sessel angelehnt. So wirkt er kleiner, schräg und schwächer. Da nützt es ihm dann wenig, wenn er gezielt Gestik einsetzt, um seine Wortbeiträge zu betonen. Laschet hält außerdem hier und da die Hand am Gesicht. Ein erneutes Zeichen von Unsicherheit. Die zusammengezogenen Augenbrauen deuten ebenfalls nicht darauf hin, dass er gerade entspannt ist und die Situation im Griff hat.
Einer Führungskraft, die in schwierigen Situationen gelassen auftritt – mit gelassenem Blick und Körperhaltung –, trauen wir eher zu, dass die Person die Situation im Griff hat. Denn anderenfalls sollte sie ja nervös sein. Ist sie aber nicht. Dann muss Sie wohl einen guten Plan haben, damit umzugehen.
Also, wie treten Sie auf, wenn’s brenzlig wird? Strahlen Sie Nervosität aus oder Souveränität?
Sich gerade hinzusetzen und Blickkontakt zu halten sind aber weniger als die halbe Miete für Ihre souveränes Auftreten. Entscheidend für Ihre Ausstrahlung ist, was in Ihrem Kopf vorgeht. Sie benötigen ein positives Selbstverständnis und die Fähigkeit – trotz eigener Fehler – gedanklich zu fokussieren, dass Sie gut sind, dass Sie es draufhaben und dass Sie das Kind schon schaukeln werden. Dann wird Ihr Körper fast automatisch souveräne, sichere und gelassene Signale aussenden. Und Menschen werden Ihnen zuhören und Ihnen etwas zutrauen.
Menschen tun nur Dinge, die Ihnen einen Nutzen bringen
Eins fehlt allerdings noch zum Zutrauen Ihrer Zuhörer:innen. Nur wenn sie etwas Relevantes, Sinnstiftendes und Nutzenbringendes zu sagen haben, geht die ganze Sache auf. Entscheidend ist dabei auch, dass Sie hinter den Inhalten zu 100 Prozent stehen und nicht nur leere Worthülsen benutzen.
Was tut Laschet und was tut Söder im Interview bei Markus Lanz? Wie hoch ist ihr Redeanteil? Ich freue mich ja, wenn es Führungskräften in meinen Seminaren gelingt, Fragen zu stellen und Ihre Mitarbeiter:innen nicht tot zu quatschen – also 40-60 Prozent Redeanteil im Dialog. Das gilt aber nicht für Interviews. Hier besteht für einen Politiker die Chance, durch die eigene Rede Punkte zu sammeln. Was tut Laschet? Er verteidigt sich eins ums andere Mal und ihm gehen die Argumente aus. Immer wieder gelingt es dem Moderator, Laschet zu unterbrechen. Söder lässt sich das Wort überhaupt nicht abschneiden. Söder spricht starke Worte wie „bundeseinheitlich“, „Klimaschutz & neue Akzente setzen“ und „sportliche Aufgabe“. Nun das tut Laschet gelegentlich auch, aber nicht so souverän verpackt und nicht so ausführlich. Söder spricht etwa doppelt so viel wie Laschet in Markus Lanz‘ Show. In einigen Phasen spricht sogar Markus Lanz mehr als Laschet. Wenn dann Laschet sagt „Ach, Herr Lanz!“ und „So ist es, um einen recht kurzen Wortbeitrag zu beenden, fehlt ihm eine starke Antwort, um ihn als Kanzlerkandidat stark erscheinen zu lassen.
Söder nutzt immer wieder Worte und Formulierungen, die sich Zuhörer:innen wünschen. Er betont immer wieder, dass er das er bestimmte Aussagen zuvor auch schon getroffen hat und so auch heute. Seine Botschaft: Er steht zu seinem Wort. Das sollen wir zumindest denken. Seine Sprache bietet den Zuhörer:innen einen stärkeren Nutzen als die Laschets. Und die Länge seiner Beiträge ist so, dass wir als Zuschauer nicht den Faden verlieren. Gut gemacht. So geht Söder in die Offensive und argumentiert für sich und seine Kanzlerkandidatur.
Das Wichtigste für uns als Mitarbeitende und Führungskräfte: Charismatisches Auftreten ist nicht gottgegeben. Wir alle können es lernen.
Sie sind dran: Was können Sie jeden Tag tun?
Gute Redner:innen werden gemacht. Und Führungsqualitäten bekommen wir nicht mit der Geburt, sondern wir können diese Fähigkeiten erlernen. In Trainings, im Einzelcoaching oder auch im Selbstcoaching. Viele Inhalte finden Sie gratis im Netz. Womit verbringen Sie Ihre Zeit vor und nach der Arbeit? Lesen Sie Bücher? Hören Sie Podcasts? Schauen Sie gute YouTube-Videos? Oder setzen Sie sich vor die Glotze und lassen sich berieseln? Von nichts kommt nichts. Wenn Sie einen spannenden Job oder die spannenden Projekte bekommen möchten, dann tun Sie was dafür!
Was aber, wenn andere länger im Unternehmen sind und die richtigen Leute kennen und die dann den Job bekommen? Nun, so ist es Herrn Söder nun ergangen. Er ist eben nur Vorsitzender der kleineren Schwesterpartei CSU, nicht der CDU. Und gleichzeitig hat Söder schon mehrere Ministerpräsidenten von CDU regierten Ländern auf seine Seite gebracht. Wie ist ihm das gelungen? Nun, darüber kann ich nur mutmaßen. Ist es seine Souveränität? Seine – erlernte und trainierte – Eloquenz? Ich bin davon überzeugt, es ist auch sein Netzwerken.
Netzwerken ist eine weitere Fähigkeit, die Sie erlernen können. Mit wem unterhalten Sie sich, wenn Sie auf einer Firmenveranstaltung eingeladen sind? Mit Ihren direkten Kolleg:innen oder mit den Führungskräften Ihres Chefs oder den Kolleg:innen Ihrer Führungskraft? Ich hatte mal einen Kollegen bei Unilever, der jede Veranstaltung – ja, das war noch vor Corona – nutzte, um Kontakte zu anderen Führungskräften aufzubauen. Das geht auf solchen Veranstaltungen wunderbar. Stellen Sie diesen Führungskräften einfach Fragen zu den erfolgreichen Projekten ihrer beruflichen Karriere. Sie werden viele Sympathiepunkte sammeln und Ihre Bekanntheit steigern. Wer mehr wissen möchte zum Thema Netzwerken liest das beeindruckende Buch von Keith Ferrazzi „Geh nie alleine essen“. Oder Sie hören in meinem Podcast „Führen wie ein Löwe“ die Episoden 51 bis 54 mit konkrete Umsetzungstipps.
Jeder kann das Netzwerken lernen – auch Sie. Die Mehrheit aller Jobs werden mit nicht mit Stellenausschreibungen vergeben. Also, vielleicht ist Netzwerken ein relevantes Lernfeld für Sie.
Übrigens, zugegeben, die Markus Lanz Fragen an Laschet waren klar provozierender und herausfordernder als die an Söder. Aber genau das macht ja eine starke Führungspersönlichkeit aus: Wenn es eng wird, einen klaren Kopf bewahren und weiterhin souverän auftreten. Etwa wie Angela Merkel, die trotz viel Gegenwind in der Flüchtlingsdebatte Haltung und Standfestigkeit bewiesen hat, oder Gerhard Schröder, der immer sehr selbstbewusst sagte, er möchte Kanzler werden, nicht Kanzlerkandidat.
Und der Machtkampf um die Kanzlerkandidatur in der CDU / CSU? Laschet hat das Rennen gemacht, er hat die Früchte seiner Netzwerkarbeit geerntet, obwohl Söder rhetorisch geschickter handelt. Und: Er hat das richtige Parteibuch. Seine jahrzehntelange Parteiarbeit, seine Resilienz, hat sich für ihn gelohnt, die CDU verlässt sich auf Laschet. Markus Söder mag bei der Bevölkerung derzeit beliebter sein, für die Union ist er die Wild Card in diesem Rennen. Deshalb hat er trotz allem verloren.
Für jede:n Mitarbeiter:in und jede Führungskraft ist deshalb entscheidend: In der Wirtschaft sind Kompetenz und die Netzwerke der Akteur:innen entscheidend für die Jobvergabe. Und an beidem – an Kompetenz und Ihrem Netzwerk – können Sie aktiv arbeiten – jeden Tag.