Sie haben unser vollstes Vertrauen. Das sagt man doch so oder?
Unzählige Artikel gibt es darüber, wie der Chef sein muss, wie man Mitarbeiter am besten führt und Vertrauen lebt. Die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung wünscht sich einen Vorgesetzten, der vertraut, erlaubt dass sich die Belegschaft entwickelt und Persönlichkeiten fördert, die engagiert sowie selbständig arbeitend etwas bewegen wollen.
Vor einigen Tagen hatte ich einen Klienten, der sein Unternehmen verlässt, weil ein aktives Umsetzen, für das er explizit eingestellt wurde, nicht gewünscht ist. Er gab an, dass Themen, Abläufe und Erwartungen mehrfach miteinander besprochen wurden, die der Vorgesetzte im späteren Arbeitsverhältnis komplett ignoriert, ja sogar geleugnet hat.
Versprochenes muss eingehalten werden
Dies ist einer von vielen Fällen, die mir in den fast zwanzig Jahren, die ich diesen wunderbaren Job mache, immer wieder begegnet sind. Dabei sollte es doch völlig klar sein, dass das Besprochene, Verhandelte und Beschlossene auch wirklich eingehalten und umgesetzt wird.
Gilt ein Wort heute nicht mehr, sind Gespräche vorab nichts mehr wert. Verkaufen sich Unternehmen über Ihre Einstellung und zeigen sich von Ihrer besten Seite, die, wenn man hinter die Fassade blickt, oftmals nur erfunden und vorgespielt sind? Man könnte es aufgrund solcher Fälle annehmen.
Meine Erfahrung in vielen Jahren und unzähligen Gesprächen zu diesen Themen hat mir Folgendes gezeigt. Wenn Ihr Vorgesetzter Ihnen sagt „Wir vertrauen Ihnen voll und ganz.“, ist das nicht selten der Anfang vom Ende. Denn wenn ich Ihnen wirklich vertraue, Sie und Ihre Arbeit schätze, dann muss ich dies nicht explizit erwähnen. Wer heute Berichte oder z. B. Arbeitszeugnisse schreibt, weiß, dass wenn ein Thema ganz besonders positiv betont wird, meist das Gegenteil der Fall ist.
Warum fällt Vertrauen oft schwer?
Manche Vorgesetzte können einfach nicht loslassen und wirklich vertrauen. Warum dies so ist, kann und möchte ich in diesem kurzen Beitrag nicht erörtern, da er sonst den Rahmen sprengen würde. Eigene Unsicherheit, falsche Berater an der Seite und der Zwang, alles an sich zu reißen, sind nicht selten mögliche Auslöser. Sicherlich kennen Sie den Satz „Muss ich denn alles selber machen.“ Ich antworte auf diese Frage mit einem klaren „NEIN“.
Einer meiner großen Vorbilder Lee Iacocca hat hierzu einmal eine wunderbare Aussage getroffen:
„Die meisten Führungskräfte zögern, ihre Leute mit dem Ball laufen zu lassen. Aber es ist erstaunlich, wie schnell ein informierter und motivierter Mensch laufen kann.“
Lassen Sie laufen!
Und da wir ja gerade Fußball-EM haben, passt dieses Zitat doppelt gut. Meine Bitte an alle Führungskräfte, lassen Sie Ihre Leute mit dem Ball laufen, geben Sie Freiheiten und Möglichkeiten der Entfaltung. Wenn Sie explizit darüber sprechen, wie sehr Sie Ihrem Personal vertrauen, sollten Sie sich hinterfragen, ob Sie dies wirklich tun. Denn Vertrauen ist nicht stetiges kontrollieren und Arbeits-Nachweise erstellen zu lassen, sondern mit einem guten Rat und wenn gewünscht auch Tat, an der Seite des Teams zu stehen. Und wenn Vertrauen nicht Ihre Stärke ist, bitte sind Sie so fair und sprechen es offen und klar gegenüber Ihren Mitarbeitern an. Das hat sich Ihr Team verdient und Sie zeigen Größe. Daran lässt sich arbeiten, am Misstrauen eher nicht.
Herzlichst
Michael H. Hahl