Sinnvolle Aufgaben: Was im Berufsleben wirklich zählt
In Großunternehmen, wo Funktionen und Status häufig wichtiger sind als Inhalte und Aufgaben, wird die Bedeutung von Weiterbildungsmaßnahmen von Frauen für ihre Karriere oft überschätzt. Das zeigte eine amerikanische Untersuchung, die einen wichtigen Einfluss auf das Buch „Herausforderung Karriere. Strategien für Frauen auf dem Weg nach oben“ von Cornelia Edding hatte. Auch der Think Tank Catalyst fand vor einigen Jahren zusätzlich heraus, dass sich die Teilnahme an Seminaren und Kursen für Männer sehr viel mehr lohnt als für Frauen: Innerhalb von 18 Monaten nach der Teilnahme wurde die Hälfte der Männer, aber nur ein Drittel der Frauen befördert. Bei den meisten nachhaltig ausgerichteten Unternehmen ist es anders:
Vielleicht liegt es auch daran, dass bereits in den Anfängen der Öko-Bewegung tradierte Muster in Frage gestellt wurden, denn Frauenbewegung und Bio-Community gingen Hand in Hand. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind auch beim Öko-Versender memo ein wichtiger Teil der Personalpolitik und –entwicklung. „Da das Unternehmen in einem sehr dynamischen Markt tätig ist, steigen auch die Ansprüche an die Mitarbeitenden kontinuierlich. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, erhalten sie das Angebot systematischer Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, zu denen es auch gehört, eine nachhaltige Lebensweise zu fördern“, sagt Claudia Silber, die hier die Unternehmenskommunikation leitet. Zudem wird Weiterbildung als geeignete Maßnahme gesehen, um Fachkräfte zu gewinnen. Die Personalentwicklung ist hier nach einem strategischen, ganzheitlichen Ansatz ausgerichtet: Zusammen mit langfristig ausgewählten Partnerunternehmen werden mehrstufige, dauerhaft angelegte Schulungskonzepte entwickelt, die auf die Unternehmensphilosophie und die Anforderungen des Öko-Pioniers abgestimmt sind und kontinuierlich weiterentwickelt werden. In der Regel finden sie beim Unternehmen vor Ort statt.
„Mehr als die Hälfte aller Mitarbeitenden nimmt mindestens eine Maßnahme – vom eintägigen Seminar bis hin zu mehrjährigen berufsbegleitenden Weiterbildungen - wahr“, so Silber. Auch regelmäßige Produktschulungen haben hier einen besonders hohen Stellenwert. Die Produktmanager bieten zu Beginn jedes Jahres Informationsveranstaltungen zu ihrem jeweiligen Produktbereich im Sortiment an. Die Schulungsinhalte werden entsprechend auf die für das jeweilige Team (Vertrieb, Service, Beschaffung oder Wareneingang) relevanten Aspekte zugeschnitten. Unterstützend werden Schulungsangebote der Lieferanten genutzt, um alle Beteiligten bei weiterführenden Nachhaltigkeitsthemen auf dem neuesten Stand zu halten. Die persönliche Erfahrung von Claudia Silber bestätigt allerdings auch, dass jeder Mensch an den eigenen Aufgaben wächst und "learning by doing" an vielen Stellen den schnellsten und besten Weg darstellt: „Dabei kommt es aber darauf an, die bisherigen Lebens- und Berufserfahrungen mit einzubeziehen und aus Fehlern zu lernen.“ Unmittelbare Vorbilder hatte sie in ihrer beruflichen Laufbahn nicht, aber sie handelte an mancher Stelle so, wie sie es „in der Vergangenheit von anderen Menschen erlebt und für gut befunden hat“. Etliche Begründungen, warum es vielen Frauen an Vorbildern in ihrer beruflichen Entwicklung fehlt, führt Cornelia Edding in ihrem Buch an: Zunächst starten viele Frauen selbstbewusst ins Berufsleben. Dass viele von ihnen auch „aufsteigen“ wollen, belegten zahlreiche Studien: Fast die Hälfte der Berufsanfängerinnen möchten den Aufstieg ins Top-Management schaffen.
Nach etwa fünf Jahren sehen sich nur noch wenige als weibliche Führungskräfte. Im Gegensatz dazu sieht sich jeder Dritte männliche Berufseinsteiger als künftiger Chef. Das bleibt auch nach den ersten Erwerbsjahren nahezu unverändert. Als Gründe für die unterschiedliche Entwicklung führt Edding an, dass sich viele Frauen in männlich geprägten Rollenvorstellungen unattraktiv finden, aber auch zu wenig Unterstützung von ihren direkten Vorgesetzten erhalten. Und es fehlen Vorbilder im Unternehmen, mit denen sie sich identifizieren können. Claudia Silber bestätigt noch eine weitere Erkenntnis - dass es wichtig sei zu lernen und sich zu entwickeln. Allerdings nicht nur im Seminar. Bedeutsamer als die Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen sind die Erfahrungen und Arbeitsaufgaben. Dazu gehören zum Beispiel wichtige Projekte, die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, internationale Erfahrungen und längeren Auslandsaufenthalte im Auftrag des Unternehmens oder eine Position mit umfangreicher Personalverantwortung und einem eigenen Budget. Generell gilt, dass erfolgreiche Manager:innen von sich sagen, dass sie am meisten durch ihre Arbeit gelernt haben und durch herausfordernde, sinnvolle Aufgaben. Erst danach die berufliche Weiterbildung.
Cornelia Edding: Strategien für Frauen - Aufstiegshindernisse erkennen und überwinden. Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2016.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.