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© Serts/Getty Images

Steigende Strompreise und Dekarbonisierung: Welche Rolle spielt die Querschnittstechnologie Druckluft?

„Mit steigenden Strompreisen und dem Bestreben der Unternehmen, klimaneutral zu werden und ihre Treibhausgasbilanz zu verbessern, rückt auch die Querschnittstechnologie Druckluft stärker in den Fokus“, sagt Helen Landhäußer, CEO des Software-Start-ups Looxr. Unscheinbare „Löcher“ im Druckluftsystem lassen die Energie- und Druckluftkosten in die Höhe schnellen. Mit der Beseitigung von Druckluftleckagen können Unternehmen nicht nur viel Geld sparen, sondern reduzieren auch ihren CO2-Fußabdruck. Wichtig ist das vor allem für Betriebsleiter:innen, die ihre Betriebskosten senken wollen, für Energiemanager:innen, die den Energieverbrauch reduzieren und nachweisen wollen, sowie für Instandhalter:innen, die durch professionelles Leckagemanagement die Zuverlässigkeit der Produktion vorbeugend sichern und den Druckluftbedarf senken können. Zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, die es braucht, um die Dekarbonisierung voranzubringen und Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, gehört auch eine konsequente Digitalisierung der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das digitales Leckagemanagement, das allen Beteiligten die Arbeit erheblich erleichtern kann.

Digitales Leckagemanagement: Wer es braucht – und was digitale Tools leisten können

Energiemanager:innen

  • Einsparung von Energie und CO2

  • Aufzeigen von Energieeinsparpotenzialen (in CO2, in Energiemenge)

  • Nachweise der tatsächliche Energieeinsparung – auch für Audits

  • Bewilligung von Maßnahmen zur Energieeinsparung

  • Dokumentation der tatsächlich realisierten Energie- und CO2-Einsparung

  • Strukturierte Dokumentation für Audits und Nachhaltigkeitskommunikation (THG-Bilanz).

Betriebs-/Produktionsleiter:innen

  • Reduzierung der (Energie)Kosten

  • Sicherstellung des Betriebsablaufs

  • Vermeidung von Produktionsstillstand

  • Nachweis Effizienz & Effektivität von Maßnahmen

  • Unmittelbarer Nachweis von ROI

  • Aufzeigen von Einsparpotenzialen (in Euro, Druckluftmenge)

  • Vergleich einzelner Produktionsbereiche/Anlagen/Linien

  • Amortisationsberechnungen.

Instandhalter:innen

  • Sicherstellung des Betriebsablaufs

  • Vermeidung von Produktionsstillstand

  • Kostenbewusstes Handeln

  • Nachweis von Effizienz & Effektivität der Maßnahmen

  • Identifizierung häufiger Leckagestellen

  • Direkte Zuordnung von Reparaturkomponenten.

Da Druckluft-Leckagen nicht riechen und nicht gesundheitsgefährdend sind, werden Undichtigkeiten noch nicht in allen Industriebetrieben konsequent bekämpft – auch im Nachhaltigkeitskontext, vor allem in der Kommunikation, wird das Thema häufig nur am Rande oder gar nicht behandelt.

Leckagemanagement rechnet sich auch finanziell

Das zeigt eine Beispielrechnung von Helen Landhäußer: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich der Durchschnittspreis pro Kilowattstunde Strom für die Industrie seit 2015 um 15 Prozent erhöht (gegenüber 2008 sogar um 56,5 Prozent). Dadurch rentiert sich Leckagemanagement noch mehr: „Im Jahr 2015 hat eine ein Millimeter große Leckage rund 900 Euro pro Jahr gekostet, in 2022 kostet sie bereits 1651 Euro jährlich“, sagt Landhäußer. Letztendlich ist aber auch in diesem Bereich die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen sowie deren Amortisationsdauer ausschlaggebend. Eine strukturierte Erfassung der Einsparpotenziale ist ihrer Meinung nach unerlässlich, um stichhaltige Argumente für notwendige Investitionen zu haben.“

Das Team ihres Start-ups digitalisiert mit der Leckage-App und dem dazugehörigen Online-Portal den gesamten Leckageprozess und liefert automatisiert relevante Daten – „vor allem automatische Wirtschaftlichkeitsberechnungen beim Erfassen der detektierten Leckagen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Reparaturkosten, das Ausweisen von CO2-Einsparpotenzialen und die komplette Dokumentation der tatsächlich realisierten Einsparungen z.B. für das nächste Audit.“ Die „Potenzialstudie Energie-/Kosteneinsparung in der Fluidtechnik“ des Umweltbundesamts gibt durchschnittliche Leckageanteile von 20 bis 30 Prozent in 80 Prozent der Druckluftanlagen an.

Einzelmaßnahme mit dem größten Einsparpotenzial

Während der Austausch der bestehenden Druckluftversorgung teilweise mit erheblichem Aufwand verbunden ist, kann die Beseitigung von Druckluft-Leckagen sehr schnell erfolgen und unmittelbar den Druckluftverbrauch reduzieren. „Bei der Umsetzung eines kontinuierlichen Leckagemanagements kann der Druckluftverbrauch dauerhaft um bis zu 20 Prozent reduziert werden. Damit wird sowohl die Ausfallsicherheit der Druckluftstation erhöht wie auch die Druckluftkosten und der Energieverbrauch nachhaltig gesenkt”, bestätigt Marina Griesinger, Leiterin des Bereichs Energieeffizienzmanagement beim Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader. Sie führte selbst schon viele Leckageortungen bei Kunden durch und schulte Leckage-Teams für den Einsatz vor Ort. Um die individuellen Einsparpotenziale in einer Produktion zu erfassen, empfiehlt sie zunächst die Messung von Stromaufnahme und Volumenstrom: „So hat man eine Basis für die wirtschaftliche Bewertung der Druckluft-Leckagen.“ Anschließend bringt eine Leckageortung, Klarheit über den Ist-Zustand im Druckluftsystem. Dies kann entweder mit internem Personal und eigenem Equipment erfolgen oder von einem externen Dienstleister übernommen werden. Ultraschalldetektoren leisten in beiden Varianten gute Dienste, weil sie auch bei laufendem Betrieb zum Einsatz kommen können. Mittels Ultraschall, Schalltrichter und Laserpointer wird das Druckluftsystem Stück für Stück „abgetastet“, bereits kleinste Undichtigkeiten werden so über die angeschlossenen Kopfhörer hörbar.

Moderne Ultraschallsensoren erfassen zudem die entweichende Druckluftmenge pro Zeiteinheit

Diese Messwerte sowie Angaben zum genauen Ort der Leckage, der genauen Leckagestelle und weitere ergänzende Informationen wie die erforderlichen Mittel zur Reparatur der Leckage sind für den weiteren Prozess sinnvoll. Damit lassen sich Einsparpotenziale aufzeigen und die Rentabilität der Leckage-Beseitigung nachweisen, zudem erleichtern die Angaben den Beseitigungsprozess selbst. „Die Erfolge zu sehen ist sehr wichtig“, sagt auch Benjamin Flaig, Gebäude- und Energiemanager beim Waldenbucher Schokoladenhersteller Ritter Sport. Auch er setzt diese digitale Leckageanwendung für das Leckagemanagement ein. „Mit dem Tool kann das Instandhaltungsteam sehen, dass seine Arbeit auch Früchte trägt.“ Vor diesem Hintergrund hat Helen Landhäußer die wichtigsten Schritte zum richtigen Leckagemanagement zusammengetragen, die hier verkürzt vorgestellt werden.

Schritte zum richtigen Leckagemanagement

Mitstreiter:innen suchen

Wen betrifft das Thema noch, und wie könnte er/sie davon profitieren? Abhängig von der eigenen Position im Unternehmen, könnte es hilfreich sein, sich weitere Mitstreiter:innen zu suchen. Als Energiemanager könnte es hilfreich sein, den Betriebs- und Produktionsleiter sowie das Instandhaltungsteam in den weiteren Prozess einzubeziehen und aufzuzeigen, wie alle Beteiligten von einer Umsetzung profitieren könnten.

Überblick über den Status-quo verschaffen

Gab es schon Leckageortungen, und was war das Ergebnis? Wurde der Erfolg dokumentiert? Gibt es bereits Equipment zur Ortung und Knowhow zur Durchführung? DIY oder Experten? Falls es das Knowhow für Leckageortungen bereits im Unternehmen gibt, und auch das notwendige Equipment vorhanden ist, kann eine Leckageortung durch interne Teams Sinn machen. Einige Dienstleister bieten auch DIY-Pakete an, die das notwendige Equipment, digitale Tools zur Dokumentation und Schulungen für die internen Teams umfassen.

Leckageortung umsetzen

Es sollte dokumentiert werden, wo sich die Leckagen befinden, wie groß sie sind, und wie viel Druckluft verloren geht. Im Idealfall sollte bereits bei der Ortung erfasst werden, wie eine Beseitigung erfolgen kann und welche Komponenten dafür notwendig sind. Eine wirtschaftliche Bewertung hilft dabei, die Beseitigung der Leckagen sinnvoll zu priorisieren.

Leckagen beseitigen (lassen) und Erfolg dokumentieren

Dies ist vor allem relevant für die interne Kommunikation sowie für die nächste Zertifizierung.

Dran bleiben

Es ist empfehlenswert, den Prozess jährlich zu wiederholen. Leckagen entstehen oft dort, wo Material verschleißt, deshalb ist Leckagemanagement auch ein wichtiger Beitrag zur vorbeugenden Instandhaltung und sichert die Produktion.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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